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besprechung have you seen the horizon lately
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Klein, fein ziseliert und kaum sichtbar sind die schwarzen Tuchfäden auf weißem Grund. Ebenso die gläsernen Schlüssel, mit denen Yoko Ono dem Betrachter immerhin verspricht, die Pforten des Himmelreichs zu öffnen. Dann wieder Monumentales: Im höchsten Raum der Villa Stuck spannen sich dicke Seile von einem Haken in der Decke straff zu verschiedenen Punkten im Saal, der ansonsten fast leer ist, bis auf ein Kiesbett, das von fern an einen japanischen Steingarten erinnert. Oder man wechselt die Perspektive, und sieht am Boden viele einzelne Ausgangspunkte, die sich in einem Pol zusammenschließen: Perspektivenwechsel sind an der Tagesordnung in dieser Ausstellung, die in ihren besten Momenten vor allem eines bewirkt: Verunsicherung des Betrachters, der sein erstes Urteil korrigiert sieht, und sich selbst immer wieder von Neuem überprüft. "Have you seen the horizon lately?" - diese Frage, die man auch als Hinweis auf das verstehen kann, was hinter dem Horizont liegt, steht über der Retrospektive, die seit gestern in der Villa Stuck das künstlerische Werk von Yoko Ono vorstellt. Sehr zu Unrecht wird die 1933 in Tokyo geborene, seit den fünfziger Jahren in New York erfolgreiche Künstlerin bei uns immer wieder mit ihrem dritten Ehemann, dem 1980 ermordeten Ex-Beatle John Lennon, in Verbindung gebracht. Dabei kann man sich wenige Menschen vorstellen, auf die die Rolle der "Frau an seiner Seite" so wenig paßt, wie auf Yoko Ono. Souverän, fast jugendlich energiegeladen und viel verbindlicher als erwartet präsentierte sich Yoko Ono, die auch als Person ein Popstar ist, und das natürlich sehr genau weiß, in München. Vorherrschend ist der Ernst ihrer künstlerischen Arbeit, die so vielfältig ist, wie diese Frau selbst. Eher Historisches wie "Half-a-room" findet sich neben unverändert Zwingendem, Installationen und Bilder neben Film und Photographie. Die eingeübte Neigung des Besuchers, einer Ausstellung eine "message", einen gemeinsamen Nenner zu entreißen, befriedigt Yoko Ono sehr bewußt nicht. Wenn es überhaupt Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten über die Jahrzehnte gibt, dann ist dies –neben dem zeittypischen Hang zum Crossover, zum Ausbruch aus den Genres- die Arbeit an der Erinnerung. Immer wieder fragt Ono nach dem Umgang mit dem Gedächtnis und den eigenen Gedanken. Überraschungen sollen die Distanz zum Publikum durchbrechen, und den Betrachter selbst aktivieren. Gerade weil ihr dies partiell bis heute glückt, teilt Yoko Ono auch das Dilemma ihrer Generation: Das Verschwinden der Intensität und der Kampf mit einer Gleichgültigkeit, in der jede ernstgemeinte Provokation zum Gag gerinnt. Längst ist der Tabubruch zum bloßen Zeichen, zur formalen Geste geworden, die nur noch gelangweilt registriert wird. Oder, wie Ono selbst sagt: "Wenn man eine Revolution zehn Mal wiederholt, ist sie keine mehr." Rüdiger Suchsland ("Have you seen the horizon lately ?"; in der Villa Stuck bis zum 20.September, der Katalog kostet 10 DM) | |
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