magazin


0 1 5     2 2 1 0 1 9 9 7
besprechung
gustav kluge - verbotene orte

Einen Zugang zu dieser Ausstellung zu finden, ist zunächst im gar nicht übertragenen Sinn schwerer als gewohnt: Der Wärter reißt zwar freundlich die Eintrittskarte ab, aber bis an die Türschwelle des gewohnten Eingangs ist der Boden des Ausstellungsbereiches gleichmäßig mit Gegenständen bedeckt. Kunst? Da muß man durch. Ein Holzsteg kann ohne Eingreifen des Aufsichtspersonals bestiegen werden und schon ist man auf dem richtigen Weg oder besser gesagt gleich mitten drin im Werk des 1960 geborenen Frankfurters Karsten Bott, der hier einen auf die Ausstellungsgegebenheiten angpaßten Teil seines seit zehn Jahren geführten "Archives für Gegenwarts-Geschichte" präsentiert. "Von Jedem Eins" (1986-97) ist ein Sammelsurium von Alltagsgegenständen - Konservendosen, Kleidungsstücke, Marienbildchen, Schallplatten und Pornohefte, Souvenirs und Fernseher, eben von jedem eins oder auch mehrere. Die geordnete Masse fasziniert sofort. Ein Prinzip ist dahinter, die Sachen sind klassifiziert und in Gruppen angerichtet, die Archivierung eines Lebens könnte es sein, in der Phantasie des Betrachters entstehen Geschichten und jeder wird einen Gegenstand finden, den er selbst so einmal besessen oder gesehen hat.

"Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst" lautet der Untertitel der Ausstellung, die vor allem in der Gegenwartskunst fündig geworden ist. Die Ortsmetaphern Archiv/Sammlung, Atelier, Kiste und Datenraum helfen bei der Orientierung und zahlreiche Texttafeln zu den einzelnen Werken befriedigen das offensichtlich hoch eingeschätzte Informationsbedürfnis der Besucher. Konzeptuell geht es weiter mit Hanne Darbovens "Wunschkonzert - 144 Gedichte" (1984), für das die Künstlerin die Verslängen der Gedichte in ein musikalisches Notensystem übertragen hat. Dieses logische Gedankenpiel steht in Opposition zu Andy Warhols "Time Capsules" (1964-1987), die eigentlich aus Pappkartons bestehen, in denen der Pop-Papst all die Dinge verpackte, von denen er sich nicht trennen wollte. Einpacken gehört untrennbar zum Sammeln dazu, das ist eigentlich jedem klar, doch in dieser Ausstellung wird deutlich, das der Verpackung in der Kunst ein eigener Stellenwert zukommt. Bei Richard Artschwager kann sie sogar zum Selbstzweck werden. Transportkisten für Ausstellungsstücke zeigt er - aber es sind keine Kunstwerke drinnen, ist anzunehmen. Bei Wilhelm Mundt weiß man, was drin ist: Müll. In den "Trashstones" wird in Plastik eingeschweißter Ateliermüll entsorgt. Sehen will man den vielleicht gar nicht, aber man kommt nicht darum herum, denn gleich gegenüber steht Armans "Poubelle" (1971), immer wieder eklig, und man fragt sich, durch wieviele Ausstellungen dieser Abfall noch wandern soll, bevor er anfängt zu stinken. Ästhetik des Häßlichen.

   






email
impressum


kunst in münchen
suche

berichte, kommentare,
archiv

meinungen,
thesen, aktionen

kulturinformation
im internet