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die odyssee hat ein ende ... aber noch nicht! verlängerung der ausstellung
im haus der kunst |
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Auch Kunstwerke wechseln ihre Besitzer- nicht gerade wie diese ihre Unterhosen - aber zu gegebenem Anlaß doch immer wieder. Ein solcher Anlaß ereilte auch Leonardos "Codex Leiceister. Nicht lange ist es her, da befand sich das "Notizbuch" des Leonardo im Besitz eines Ölmagnaten und fristete ein trübes Dasein im Schatten einer unbekannten Bohrinsel. Da brach ein neues Zeitalter an. Wir nennen es das Informationszeitalter. Und so zieht er nun, der Codex, von Land zu Land, um seinem neuen Besitzer die Ehre zu erweisen. Melinda und Bill Gates hatten Weihnachten 1994 eine glückliche Hand und erwarben den 18 Seiten schweren Codex, der seinerseits eine Tausendschaft von Informationen im Schlepptau zieht - über 100.000 Publikationen im letzten Jahrtausend!! Beutekunst und Herrschaftssymbol? Das frühneuzeitlich Universalgenie steht nun ein für die Verheißung einer poesiefähigen Technik und einer pragmatischen Kunst, so einst auch für Beuys, dessen "Zeichnungen zu den wiederentdeckten Codices Madrid" dem alten Codex im Haus der Kunst eine Stipvisite machten. Leonardos "vernetztes Denken", sein assoziationsreiches Schreiben, das eher der theoretischen Erprobung dient als der Systematisierung und der Vereinheitlichung der Gedanken machten von eher Eindruck. Doch Leonardo meinte es vielleicht anders? Sicherlich - auch er verband im Geist einer Globalisierungseuphorie die Kunst mit der Technik und mit den Wissenschaften. Wie die Anatomie, Astronomie, Geologie, Geographie, Mechanik und Mathematik für ihn Mittel der Beobachtung waren, um zur Erkenntnis, um zur Seele der Natur zu gelangen: des Körpers der Erde wie des Körpers des Menschen, des Mikrokosmos wie des Makrokosmos, so sollte dies fortan auch die bildende Kunst sein. So war es auch das lebenslange Anliegen Leonardos diese Kunst, die verschmähte ars mechanica, in den Rang eines höheren Strebens, der artes liberales zu heben. Doch von einer Poetisierung im Falle von Leonardo zu sprechen hätte dem alten Universalgeist einen Purzelbaum im Grab schlagen lassen. Und dann, so ist zu überlegen, sprechen aus seinem Codex vielleicht doch erste Anzeichen einer indifferent gewordenen, entseelten Natur. Vielleicht mußte Leonardo die Einheit der Natur erst zerstören, um sie neu zu entdecken; in der Fremdheit einen neuen Zugang zu ihr zu finden. |
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Immer diese Neuen Medien. Da kracht und flimmert es allerorten, Bildschirme haben die Leinwand ersetzt, "die Menschen" (Johannes Rau) sprechen nicht mehr miteinander, sondern e-mailen sich, wenn sie nicht gerade ihre Mailbox abhören oder vor dem Fernseher sitzen. Drei Stunden täglich hockt der gemeine Bundesbürger vor der Glotze, kaum drei Minuten im Jahr geht er in ein Kunstmuseum. War die auch schon bald wieder hundert Jahre alte Infragestellung der Perspektive durch die Avantgarde noch nicht Zumutung genug? Den alten van Eyck kann man schon seit damals nicht mehr recht goutieren; allenfalls wer politische Ikonographie treibt, darf sich noch mit der Ausrede, er forsche ja über die Produktionsbedingungen, mit gutem Gewissen in frühe Niederländer vertiefen, anderenfalls droht Konservativismusverdacht. Ganz Europa, so scheint es, ist von den Neuen Medien besetzt. Ganz Europa? Nein! Ein Häuflein unbeugsamer Kunsthistoriker hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Während sich Literatur- und Kulturwissenschaften längst für Film und Photographie, Video- und Medienkunst, gar die Erforschung von Fernsehen und Werbung geöffnet haben, mixt man an den kunsthistorischen Instituten weiterhin an den Zaubertränken, mit denen man sich derart unbequeme Herausforderungen tunlichst vom Leib halten kann. Doch allmählich bröckeln auch hier die Reihen. Und so waren es tatsächlich "die Gutwilligen" des Fachs, wie Detlef Hoffmann schon früh bemerkte, die sich in dieser Woche drei Tage lang in München versammelt hatten, um dort - gemeinsam mit Literatur- und Filmwissenschaftlern - über "Medien und Mnemosyne. Die kunstgeschichtliche Erinnerung und die neuen Bilder" zu diskutieren. Anlaß dieser "Arbeitstagung" war der 75.Geburtstag von Willibald Sauerländer, der sich (auch als Professor in München) selbst immer für die Offenheit einer kritischen Kunstgeschichte eingesetzt und um kritische wissenschaftsgeschichtliche Reflexion des eigenen Fachs bemüht hatte. Oft genug war er dabei auf taube Ohren gestoßen. Guter Wille allein, das zeigte sich auch in München schnell, genügt nicht. Immerhin wurde der entscheidende Streitpunkt schon durch die allerersten Beiträge in wünschenswerter Deutlichkeit offengelegt: In welche Richtung muß sich die Kunstgeschichte erneuern? Wie soll sie auf die pluralen Zeichenwelten der Gegenwart reagieren, soll sie apokalyptisch erschreckt die "Bilderflut" abwehren, oder freudig erregt in ihr baden? Vielleicht gibt es ja noch dritte Möglichkeiten. Schon vor gut zwei Jahren hatte der Berliner Horst Bredekamp auf dem damaligen Kunsthgistorikertag in München angeregt, die Kunstgeschichte als universale Bildwissenschaft zu begreifen, die nach dem "Visual turn" eine Art Generalzuständigkeit für Bilder und Symbole beanspruchen sollte von Fernsehvorabendserien über Avantgardekunst bis zu den Bedienungsoberflächen der Computerprogramme. Daran knüpfte diesmal Martin Warnke an. Die Kunstgeschichte sei in Gefahr, zu einer "zweiten Archäologie" zu verkommen, warnte er, und forderte die Ausdehnung der Kunstgeschichte zur Kulturwissenschaft: Sein Fach solle sich mehr für "die Bilder des Fernsehens" interessieren, und Ikonographie der Werbung treiben. Als Warnke dann aber nicht nur zugab, dass er selbst kaum seinen Computer
zu bedienen weiß, sondern auch, dass ihn Medienkunst "nicht
interessiert", und jeder Forderung nach methodischer Erneuerung eine
Absage erteilte, zeigten sich schnell die praktischen Grenzen solcher
Offenheit. Von "Renegatenzynismus" war am Rande der Tagung die
Rede, und Warnke erschien plötzlich als einer von vielen alten Druiden,
die sich, um in Ruhe das zu tun, was sie seit jeher machen, vor allen
Theoriedebatten in universale Gleichgültigkeit flüchten. Das wäre ein Gegensatz gewesen, dessen Vertiefung gelohnt hätte
auch wenn sich schnell gegen Weibel einwenden ließe, dass
die von ihm verlangte Konzentration auf "Kunst" und Warnkes
"Bildwissenschaft" einander gut ergänzen könnten.
Allen Kunsthistorikern, auch Sauerländer gemeinsam ist etwas anderes:
Man liebt die Niveauunterschiede. Kaum etwas scheint so wichtig, wie die
Definition, was 'wirklich' Kunst und was 'nur' Bild ist, was als E(rnst)
auf den Altar gestellt werden muß, und was als U(nterhaltung) doch
besser in der wissenschaftlichen Mülltonne aufgehoben werden muß
so als hätte man von Pop noch nichts gehört. (Eine leicht veränderte und gekürzte Fassung dieses Textes erschien in der Frankfurter Rundschau vom 4.12.99) |
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