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25.09., 20 Uhr
Literaturhaus, Bibliothek
zurück zum Programm
Michael Harenberg
hier spielt die musik
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Musik aus dem Computer ist schon längst Alltagsmusik.
Die digitale Studioaufnahme ist in aller Ohr. Kaum ein Orchesterbesuch,
dem wir nicht mit dem „Klangideal" der CD im Kopf begegnen. Von Ursprünglichkeit
ist keine Rede mehr. Am allerwenigsten dort, wo es am meisten propagiert
wird - bei der allseits beliebten Volksmusik oder bei der unplugged
session von MTV.
Bei all der Rede um die neuen Bildmedien bleibt oft unbesehen, daß
die Wurzeln des Virtuellen in der Musik noch viel älter sind. Und
so kann, wer den Prognosen der Musiker und Musikwissenschaftler lauscht,
so manches auch für die anderen Künste lernen. Artechock war
also dabei, als Michael Harenberg im Rahmen der MedienKunstPerspektiven
über die Musik sprach.
Nach diversen Vorläufern seit dem 11. Jahrhundert gehörten Musikroboter
schließlich - wie manch andere nützliche Maschine - in
jeden Text der romantischen Literatur, der etwas auf seinen Zeitgeist
hielt. Der Maschinenglaube des 18. Jhs. hat also auch hier seine Wirkung
gezeigt - mal heilsversprechend, mal bedrohlich. Im Auge des Komponisten
sollte das Musikinstrument als Maschine es eines Tages möglich
machen, den ach so leidigen Musiker abzuschaffen. In einer Zeit in
der Live-Musik in aristokratischen und gutbürgerlichen Verhältnissen
zum allseits guten Ton gehörte, hatten die Musiker allerhand um die
Ohren. So blieb wenig Zeit für die Proben und blieb so manche Überraschung
bei der Vorführung nicht aus. Die mechanische Wiedergabemöglichkeit
schien die Lösung, wenn auch zugegebenmaßen die Klangqualität
zu wünschen übrig ließ. Für den Musiker, der beileibe nicht
daran dachte zugunsten der Mechanik abzudanken, konnte der Musikroboter
aber immerhin eine Entlastung bringen. Konnte doch ein großer Teil
der Unterhaltungs- und Gebrauchsmusik über den Apparat verrichtet
werden, so daß man sich in der Zwischenzeit ernsthafteren Stücken
widmen konnte. Vaucanson ist einer der renommiersten Namen in der
Branche des mechanischen Instrumentenbaus. Sein Flötenspieler war
eine Herausforderung für den Virtuosen. Bekannt aber auch das musikalische
Würfelspiel von Wolfgang Amadeus Mozart.
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neue klänge - neue partituren
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Einen für unsere zeitgenössische Musik wichtigen Schritt
machten die Futuristen mit ihrem Wortführer Tomaso Marinetti ab dem
zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Fortschritts- und maschinengläubig
setzten sich die Futuristen in allen künstlerischen Bereichen für
neue Formen ein. In der Musik ging es ihnen um die Gleichberechtigung
des Maschinengeräusches. „Intonarumori" hieß bei den italienischen
Futuristen die Imitation von Maschinen, die mit der Krise der tonalen
Musik, ihrer Ablösung durch die 1/3- und 1/5-Tonleiter einherging.
Elektrizifizierung der Instrumente war ein Zweites, das allerdings
von Ingenieuren in die Hand genommen wurde und folglich in Hinblick
auf musikalische Fragen unbefriedigend blieb.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die Pariser Musique Concrète,
die neue Akzente setzte. Pierre Scheffer ging ähnlich wie die Futuristen
von Maschinengeräuschen aus. Doch er nutzte sie nurmehr als abstraktes
Klangmaterial; von der Maschine selbst sollte nichts mehr zu hören
sein. Dann kam Karl Heinz Stockhausen und komponierte auf dem Tonband.
Seine Studien 1 (1953) und 2 (1954) weisen nur noch Frequenzverläufe
auf, keine Noten mehr. Euphorisch war man: Kein Instrument sollte
den kompositorischen Höhenflug mehr einengen, kein Musiker mehr sich
um die schwierigen Stellen herummogeln.
Eine neue Ära bricht mit dem Computer an. Die Entwicklung des Computers
würde ohne den Musikroboter wohl heute noch auf sich warten lassen.
Walzen, Stifte, Kerbe, Hebel, Feder, all das hatte man schon eingesetzt.
Jetzt ging es nur noch um die Speicherung des mechanischen Wissens.
Stift oder nicht Stift, das war schon damals die Frage und ist es
heute mit dem binären Code 01 geblieben.
Ein Meilenstein ist der an der Columbia University entwickelte Mark
I Hybrid-Synthesizer, kurz RCA genannt.1953 kam es zur Uraufführung
der Hillersuite, Computermusik für Streichquartett.
RCA ist ein reines Komponisitionsverfahren. Der Computer komponiert.
Aufgeführt wurde von unlängst totgesagten Musikern, in diesem
Fall des Streichquartetts der Universität. Doch immer mehr drängten
unspielbare Partituren zur Aufführung. Eine Lösung war das Zufallsprinzip.
Stockhausen hatte in seinem Klavierstück Nr. 11 erstmals damit experimentiert.
Die Computermusik nahm es dankbar auf.
Komponieren mit dem Computer, die Partitursynthese, war die eine Seite
der Medaille, die Digitalisierung der Klänge, die Klangssynthese,
die andere. Eine der ersten Versuche mit einem RCA-Computer angeschlossenen
Synthesizer stammt von Guttman, die sogenannten Guttman Pitch Variations.
Das waren die ersten Klänge, die wirklich vom Computer erzeugt wurden.
Komponist blieb hier der Mensch.
In den 60er und 70er Jahren war das herrschende Dogma in vielen Bereichen
des Lebens die Informationstheorie. Musik wurde als Ansammlung von
Parametern gesehen, losgelöst von allem Subjektiven. Das Ergebnis
waren Lochkarten, um wissenschaftlich, empirisch Musik zu produzieren.
Die Story geht weiter: Der Code-Cruncher - keine neue Frühstückscerealie!
Der Cruncher bastelt aus visuellen Informationen Klänge oder
andersherum: der digitale Ton wird in eine optische Erscheinung verwandelt.
Der Rechner ist inzwischen zu einem virtuellen Studio geworden.
In der virtuellen Riege dürfen somit auch die Instrumente nicht
fehlen. Ich erfinde meine eigenen Instrumente. Eine Flöte aus
Beton, mehrere Meter lang. Warum immer nur eine Violine streichen,
auch die Posaune mag zur Abwechslung gestrichen werden. "Die
Klangfarbe als Verteilung seiner Obertöne", wie es Helmholtz
im 19. Jh. formulierte, ist hiermit überholt. Denn das virtuelle
Instrument gehorcht der Physik. Mit dem Blaswandler am Mund kann ich
die Tonhöhe bestimmen. Und dann heißt es üben, üben,
üben wie bei jedem neuen Instrument, das man erlernt. Harenbergs
"Cordis Anima" ist eine breit geklopfte Seite, eine klingende
Fläche. Die reine Klangsynthese kippt, wieder werden Strukturen
komponiert. Die rythmische Bewegung ist das Instrument, es
schwingt in dieser Frequenz. Am Ende geht es darum den alten Dualismus
von Klangsynthese und Partitursynthese zu schließen: Wir hören
Harenbergs "M-Medusa" mit dem "Medusa Rythm Instrument".
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Ulrich Müller, Kurator der t-u-b-e münchen, hat die Moderation
der anschließenden Diskussion übernommen und möchte
wissen, ob das Umschlagen von Klangfarbe in Struktur wirklich etwas
Neues ist. Für Harenberg knüpft das wieder an die Pariser
Musique Concrète an, die den Lärm der Eisenbahn
verändert und zur reinen Struktur macht.
Gibt es überhaupt neue Formen zu erfinden? Harenberg ist der
Ansicht, daß sich die ernste komponierte Musik nicht mehr getraut,
wirklich Neues zu postulieren.
Und Techno? Klar, Techno ist experimentell, glaubt an das Neue - vielleicht
auch nur, weil ihr Vorgehen unhistorisch ist. Doch ist nicht Historie
auch ein Balast?
Im Publikum ist man der Meinung, daß mit neuen technischen Möglichkeiten
auch stilistisch etwas Neues entsteht. Aber sei man hier nicht wieder
bei der Klangsynthese - Harenberg bleibt skeptisch. Und wie ist das
mit hybriden Formen aus technischer und organischer Form? Passiert
da nicht etwas? Auch Müller fragt sich - bei aller Offenheit
gegenüber dem Techno - ob neue Klangfarben wohl neue Klangqualitäten
mit sich bringen.
Und wie ist das mit der Software? Ist nicht auch sie begrenzt - zwar
anders als die Hardware - aber doch beschränkt.
Was ist nun eigentlich das Neue? Neue Klänge, ein neues Obertonspektrum,
erneutes Üben und erneuter Mißbrauch? Viele neue Fragen
in jedem Fall! Und dies nach einem auch für den Musik-Laien anschaulichen
Vortrag und einer Diskussion, bei der auch die Experten auf ihre Kosten
gekommen sein dürften.
imke bösch
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