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Gerhard J. Lischka
Die Aktualität des Virtuellen

 

abstract

Seit es Grosskulturen gibt, werden diese durch Symbole gestützt, die ihren Zusammenhalt garantieren (sollen). Während Jahrtausenden waren es Paläste, Tempel und die Bilder/Schrift, welche die weltlichen und religiösen Machtansprüche repräsentierten, die Realität bestimmten. In der Moderne mit ihren durch die französische Revolution veränderten, nun bürgerlichen Wertvorstellungen und ihrer Fortschrittsideologie durch Technologie wurden Museen, Hotels, Bahnhöfe und Postämter etc. zu Repräsentationsbauten. Verkehrsnetze der Bahnen und Strassen strukturierten ganze Kontinente neu. Und seit dem 2. Weltkrieg, der Postmoderne, heben wir nicht nur mit dem Flugzeug als Reise-Medium massenweise in alle Himmelsrichtungen ab, sondern wir sind auch zu Hörigen der Massenmedien geworden.

Seit kurzem werden auch die Neuen Medien wie früher die Symbole als Alte Medien durch die Virtuelle Realität in Bedrängnis gebracht und erweitert. In ihrer Bezeichnung konkurrieren und ergänzen sich die Kybernetik, Künstliche Intelligenz, Cyberspace, Künstliche Realität, Interaktivität, Internet u.a.m. Fassen wir diese Begriffe unter dem Aspekt des Virtuellen zusammen, so haben wir – auf High Tech bauend – in im historische Vergleich völlig neue Dimensionen der Massenkommunikation und der künstlerischen Intentionen um Bilder, Texte und Töne dynamisch interaktiv erscheinen/ertönen zu lassen. Diese Interaktivität durchdringt die Spiele und die Kunst so wie die Ökonomie, Politik, den Krieg und die Information. Sie dringt bis zu unserer Identität durch und lässt die Frage zu, ob wir denn in unserem Begehren nicht bereits das Organische zum Kybernetischen hin überschritten haben.

Sieht es so aus, dass wir vom Fortschritt getragen, uns selber in Richtung Cyborg entwickeln, so müssen wir doch feststellen, dass das Virtuelle als das Mögliche die eine Seite theoretischer Argumentation darstellt, so wie die andere die Realität ist. Dieser Dualismus wurde zumeist als die Betonung der einen oder der anderen Seite lebendig gehalten und existiert heute in der Philosophie als Realismus und Konstruktivismus. Da aber die Realität als Potentialität auch als das Mögliche beschreibbar ist, liesse sich eine Schnittstelle im Möglichen sehen, welches die Polarität von Voraussetzen und Hervorbringen in eine Dynamik des Übergangs verändert.

Ist die Virtualität eine Technik des direkten Zugriffs zur Massenkommunikation, so ist sie ein grosser Schritt der Menschheit in eine apparative Welt, in einen ‚goldenen‘ Käfig unendlicher Kommunikations-Verflechtungen, die man als Immedien bezeichnet. Immedien bedeuten sowohl ein In-den-Medien-Sein als auch das Sein der Medien in Uns. Um hier nicht Opfer der Medien als gigantischer Globalität zu werden, müssen wir uns selber zu Mediatoren entwickeln, zu souveränen Vermittlern von Virtuellem und Aktuellem, von einer Virtuellen Realität, die wir als unsere je eigene und doch gemeinsame Wirklichkeit mit all ihren Möglichkeiten bestimmen.

biographie

Gerhard Johann Lischka ist Kulturphilosoph aus Bern.



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