spätromantiker
aller klassen
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Graf Adolf Friedrich von Schack hat sich mit der Kunst des in
seiner Zeit gerade aufkommen-den französischen Impressionismus nicht
anfreunden können. Der Jurist, Diplomat und Literat sammelte statt
dessen die Werke zeitgenössischer deutscher Künstler, um sie
anfangs in einem Teil seines in der Nähe der Propyläen gelegenen
Hauses in der Briennerstraße auszustellen. Schack hatte sich gegen
Ende seines Lebens zunehmend München entfremdet, so daß er
die Sammlung Wilhelm II. vermachte. Dieser beließ sie entgegen dem
Wunsch des Stifters jedoch in München und bestimmte für sie
den Galerieflügel der neuerrichteten Preußischen Gesandtschaft
in der Prinzregentenstraße.
Die Kunst der Spätromantik eröffnet den Rundgang durch das Museum.
Die naiv und zum Teil auch kitschig anmutenden Illustrationen von Legenden
und Märchen befremden nicht selten den heutigen Betrachter. So versuchen
drollige Zwerge in Moritz von Schwinds Der Traum des
Gefangenen die Gitterstäbe einer Gefängniszelle zu durchsägen,
während uns Joseph von Führich die Einführung des
Christentums in den deutschen Urwäldern veran-schaulichen will.
Diese offensichtliche, ihr Heil in der legendären Vergangenheit suchende
Weltferne wird den heutigen Betrachter kaum mehr interessieren, und doch
kann man den Gemälden einen gewissen Reiz nicht absprechen. Dieser
offenbart sich am Eindrucksvollsten bei unprätentiösen Bildern
wie Schwinds Morgenstunde oder Spitzwegs Hypochonder,
in denen jeglicher Pathos vermieden ist. Ihre Stärken, die in den
feinen malerischen wie erzähle-rischen Ausdrucksmitteln liegen, kommen
gerade in den stillen und intimen Räumen der Schack-Galerie voll
zur Geltung.
Im 1. Obergeschoß bietet sich ein anderes Bild. Hier finden sich
die Werke junger und damals noch unbekannter Künstler wie Lenbach,
Böcklin, Feuerbach und Marées, die Schack durch Aufträge
und Ankäufe finanziell unterstützte. Vor allem die unter dem
Namen Deutschrömer bekannt gewordenen letzten Drei zog
es nach Italien, nach Florenz und Rom. Während in der Spätromantik
die Kultur des Mittelalters zum Ideal erhoben wurde, wird ihnen nun die
Kunst der Antike und der Renaissance zum Vorbild. Die bedeutende Böcklinsammlung
gibt einen guten Überblick über den neuartigen Themenkanon.
Antike Meereswesen, Drachen und Hexen bevölkern Böcklins Bilder.
Der Künstler zeigt sie jedoch nicht aus einer historischen Distanz,
sondern es gelingt ihm, ihnen eine packende, lebendige Wirkung zu geben.
Anselm Feuerbachs Werke zeigen demgegenüber eine andere Auseinandersetzung
mit der Antike. Obwohl bei ihm nach klassischem Ideal der Mensch im Mittelpunkt
steht, wirken sei-ne Figuren im Gegensatz zu denen Böcklins entrückt
und ohne Leben. Die Distanz zwischen Werk und Betrachter wird dabei nur
selten vermindert, so etwa bei Paolo und Francesca,
wo Feuerbach einfühlsam den Moment festhält, in dem beide ihre
Liebe zueinander entdecken.
Im Anschluß an den Feuerbachsaal ist eine Auswahl der von Schack
in Auftrag gegebenen Kopien nach bekannten Werken von Tizian, Raffael
und Velázquez zu sehen. Es ist dabei interessant zu beobachten,
wie unterschiedlich exakt die Kopisten jeweils mit der Vorlage umgegangen
sind. Lenbachs getreuer Wiedergabe von Tizians Venus von Urbino
steht Hans von Marées freiere und dabei interessantere Umsetzung
des Reiterbildnisses König Philipps IV. von Velázquez gegenüber.
Das 2. Obergeschoß ist den eher unbekannten zweit- und drittklassigen
Spätromantikern überlassen. Nicht oft bekommt man derartige
Arbeiten, welche die großen Qualitätsschwankungen innerhalb
des Jahrhunderts demonstrieren zu Gesicht. Während gleichrangige
Werke bei anderen Museen so gut wie nie das Depot verlassen, präsentieren
sie sich hier als Teil einer abgeschlossenen privaten Sammlung, die somit
auch von kulturhistorischer Bedeutung ist.
Die großen wechselnden Sonderausstellungen locken
mit Namen wie van Gogh, Cézanne oder Picasso jährlich Tausende
Besucher in die Museen und Ausstellungshallen. Dem Sensations- und Ereignischarakter
dieser Mammutschauen setzen Museen wie die Münchner Schack-Galerie
eine intime Atmosphäre entgegen, in welcher der Besucher auch nach
wiederholter Besichtigung noch überraschende Entdeckungen machen
kann. Dieses vergessene Museum wird nie ein Publikumsmagnet
werden und gerade deshalb lohnt sich seine Entdeckung - vielleicht
schon an einem der kommenden Montage, an dem es, dem allgemeinen Museumsbetrieb
zum Trotz, geöffnet ist.
Öffnungszeiten: Täglich außer Dienstag, 10-17 Uhr
frank schmidt
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