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Peter Weibel
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Da mögen die Exponauten in Hannover vor sich hindümpeln, Münchens Kultur- und Medienhüter schert das wenig. Daß München dabei ist, sich seinen Ruf als Medienstandort Deutschland zu festigen, sollte selbst dem blindesten Hannoveraner mit Krückstock auffallen. Die städtischen Veranstaltungen überschlagen sich förmlich: Die „Münchner Milleniumsgespräche – Wissen im 21. Jahrhundert„ in Zusammenarbeit mit dem Humanwisschaftlichen Zentrum der LMU München, die Vortragsreihe, Medien-Kunst-Perspektiven und die Ausstellung samt Fachkongreß „Schrift und Bild in Bewegung„ zusammen mit der LMU München und dem „Medienforum München e.V. Am Abend des 7. Juni stand nun eine weitere von vielen einschlägigen Konkurrenzveranstaltungen zur Expo auf dem Plan. Vom ZKM (Zentrum für Kunst und Medien) in Karlsruhe war Peter Weibel angereist. Künstler, Medientheoretiker und Leiter des besagten Instituts. „Anybody, anytime, anywhere„, so der Titel seines Vortrags, dessen vielversprechendes Motto allerdings gleich zu Beginn der Veranstaltung durch die übliche Verspätung der Deutschen Bundesbahn, in der Herr Weibel Platz genommen hatte, Lügen gestraft wurde. Als aber Herr Weibel dann doch noch höchst persönlich, um 19.30, in der Rathausgalerie eintraf, ging es um multiple Leinwände und Projektoren in der zeitgenössischen Kunst.
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Die Leinwand ist schon lange nicht mehr das, was sie gewesen ist; weder die des Malers noch die des Filmemachers oder Videokünstlers. Während die Maler-Leinwand nach vielen 100 Jahren vor gut 100 Jahren ihren alten Geist aufgab, schlug die letzte Stunde der Film-Leinwand, die zu Beginn des Jahrhunderts noch in den Geburtswehen lag, vergleichsweise früh - in den 60ern. Da wird wie wild experimentiert, mit multiplen Wänden und entsprechend vielen Projektoren. Narrative Erfahrungen werden aufgebrochen, der Körper selbst wird zur Leinwand. Doch was so euphorisch begann, verschwand wieder in den Untiefen der 70er und 80er. Die jungen Künstler der 90er griffen dann die alten Strategien wieder auf. Was damals psychedelische Erfahrung war, ist heute die soziale Konstruktion. An die Stelle der Weltbeobachtung und Welterfahrung tritt die Kommunikationsbeobachtung. Es geht nicht mehr um die Erweiterung der Sinneskanäle, sondern um die Frage, wie die Welt durch die Techniken wirkt. Fragmentarisch und in Stücken! Die Bilder, auf unterschiedliche Leinwände projiziert, passen nicht zueinander. Auch die Texte nicht zu den Bildern. Wir suchen vergeblich nach der Erzählung, nach dem Plot. Es scheint fast, als ob man vieles einfach nicht mehr zeigen kann,
vor allem die Differenzen: die Verschiedenheit der Geschlechter, der
Nationen, die Krankheit nicht mehr und den Tod nicht mehr. Und wenn
es doch gezeigt wird, dann nur in der zerstückelten Arbeit, auf multiplen
Wänden, mit multiplen Projektoren. Das gleiche gilt für die Konstruktionen
von Einheit: von Heimat und von festen Orten, von eigenen Rollen,
die als Optionen von den Medien zur Verfügung gestellt werden. Die
90er, das ist das Zeitalter der „Verbundkonstruktionen„. Der Kommerzfilm
arbeitet so. Es gibt das Lied zum Film, das Buch zum Film, das T-Shirt
zum Film und das Plüschtier zum Film. Nichts geht mehr den alten Weg
alles Irdischen. Wiederverwertung ist der Weg der industriellen Fertigung.
Auch die Künstler nehmen industriegefertige Module her und setzen
sie neu zusammen.
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