USA 2004 · 131 min. · FSK: ab 12 Regie: Jon Turteltaub Drehbuch: Jim Kouf, Cormac Wibberley, Marianne Wibberley Kamera: Caleb Deschanel Darsteller: Nicolas Cage, Diane Kruger, Justin Bartha, Sean Bean u.a. |
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Die Kehrseite der Unabhängigkeitserklärung |
»Are you with me?« fragt der FBI-Mann (Harvey Keitel) seinen Lockvogel. Und will eigentlich nur wissen, ob der seine Funkbefehle empfängt. »I’m not against you,« antwortet aber Ben Gates (Nicholas Cage) – und das ist nicht zufällig ein Anklang an George W. Bushs »War on Terror«-Rethorik. Schließlich befinden wir uns grade auf dem Flugzeugträger USS Constitution, einem Teilzeit-Museumsschiff, und erinnernd an die USS Lincoln, die Bush für seine Inszenierungen als Feldherr knapp außerhalb Sichtweite der US-Ostküste ins Meer schippern ließ.
National Treasure ist kein Film, der eindeutig »with« oder »against« Bush ist, aber es ist ein Film, den es so wohl nur in Bushs Amerika des erstarkenden Nationalismus geben konnte. Es ist ein Film, der eine Traditionslinie konstruiert von den Kreuzrittern zu den US-Präsidenten (heute ja wirklich eine unangenehm sinnfällige Parallelle): Die sagenumwobenen Tempelritter als Hüter eines legendären, bei den Kreuzzügen
zusammengeraubten Schatzes, die Freimaurer als legitime Nachfolger der Templer, die US-Gründerväter als Freimaurer (was tatsächlich viele von ihnen waren – so wie fast jeder intellektuelle oder politische Mensch des 18. Jahrhunderts) und damit letztes Glied in der Kette der Lordsiegelbewahrer des großen Schatzgeheimnisses.
Das bemerkenswerte an diesem Konglomerat aus allerlei Verschwörungstheorien ist, dass der Film darauf keineswegs mit einer Aura der
Paranoia reagiert, sondern dass er ein wohliges Gefühl der Richtigkeit und der Behütetheit verströmt angesichts der Fantasie, dass die Führer der amerikanischen Nation seltsamen Geheim-Kaballen angehören.
Es geht ferner darum, dass die amerikanische Währung nicht nur monetären Wert hat sondern auch Übermittlerin versteckter Botschaften ist – wobei ihr freimaurerischer Ursprung mit dem brühmten allessehenden »Eye in the Sky« auf der Pyramidenspitze so wirklich versteckt ja auch wieder nicht ist. Und es geht um die Kehrseite der Unabhängigkeitserklärung – im völlig materiellen Sinne. National Treasure ist auch ein Film über Familientraditionen und darüber, dass Söhne Aufgaben vollenden müssen, die ihre Väter nicht hinbekommen haben. (Warum fällt einem da schon wieder der Name Bush ein?) Bens Familie sind die letzten Hüter des allerletzten Hinweises, der noch zu dem Schatz führen könnte – und Ben ist derjenige, der das Puzzle endlich zusammensetzt.
Was ihn bald dazu nötigt, die originale Urkunde der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zu stehlen, denn ein wesentlicher Stein des Rätsel-Bildes ist offenbar auf der Rückseite des Dokuments in Geheimtinte verborgen. Von den offiziellen Wächtern über das nationalheilige Schriftstück glaubt Ben das freilich keiner, und da bleibt nur der Diebstahl, um den geheimen »Subtext« lesbar zu bekommen. Zumal gleichzeitig mit Ben ein skrupelloser Rivale mit schurkischen Absichten hinter dem selben Schatz her ist und der wohl auch die Zerstörung des historischen Papiers in Kauf nehmen würde.
In seinen Gut-Böse-Achsen geht National Treasure dabei eher archaische denn tagesaktuelle Allianzen ein: Wie anno dunnemals in den 1770ern haben die Schurken englische oder australische Akzente, ihr Anführer (Sean Bean) trägt den Namen Howe, wie einst der Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in der Noch-Kolonie. Wohingegen in Treue fest an Bens Seite eine deutschstämmige Archivarin (Diane Kruger) steht – allerdings kommt die aus Sachsen, erzählt sie zur Erklärung ihrer Sprachfärbung, und vielleicht erinnert man sich da in Amerika dran, dass es bei Ausbruch des Irak-Kriegs ja neben dem zaudernden Kanzler auch Damen aus Ostdeutschland gab, die für Bush blind alles getan hätten... (Keine Ahnung übrigens, ob die Synchro konsequent ist und Diane Kruger sächseln lässt...)
Wobei in diesem so sinnfällig betitelten Film der eigentliche Text der Declaration of Independence schon auch als nationaler Schatz anerkannt wird. Ob man die Einsicht, dass man gegen ein Unrechtsregime auch mit ungesetzlichem Widerstand reagieren darf und muss, nun aber auf die aktuelle Situation bezogen so zu lesen hat, dass dadurch der derzeitige US-Sonderweg gegen sämtliche internationalen Verträge, Gesetze, Abmachungen gerechtfertigt ist, oder ob da ein Aufruf gegen das Bush-Regime rauzuhören ist, da läßt sich der Film nicht festnageln.
Denn National Treasure ist kein Film der großen Parteinahme in solch »kleinen« Dingen – es ist einfach nur ein pauschal patriotischer Film, der nationale Traditionen wieder an den Herren, an die Dame, an das Kind bringen will. Vermarktet wird das Ganze ja – hierzulande durch den altbackenen deutschen Titel noch stärker – als eine Indiana Jones-Variante, aber das ist eine Marketing-Kopfgeburt, eine völlig falsche Fährte.
In Wahrheit geht es nicht um Action, sondern darum, dass Wissen Macht sei – die echten Heldentaten vollbringt Ben mit seinem Intellekt, und daneben steht dann immer staunend sein nur in Computerdingen gelehrter Helfer, der offenbar als Sympathieträger für all jene Zuschauer zu fungieren hat, die ebensoviele Lücken in Sachen amerikanischer Geschichte haben. Die gelegentliche Autoverfolgungsjagd, kleiner Explosion, all das Rennen, Retten, Flüchten ist nur Tarn-Beiwerk, in Wirklichkeit ist National Treasure eine voll auf nutz- und kontextloses Faktenwissen setzende Schnitzeljagd durch Bush-Land, ein Rundtrip durch die zentralen Stätten der US-amerikanischen Nationalidentität. Von der Mall in Washington über die Aufbewahrungsstätte der Declaration of Independece zu deren Geburtsort und den Wirkungsstätten ihrer Unterzeichner bis zum Anfangs erwähnten Flugzeugträger geht das, und auch kein Detail am Rande entgeht diesem patriotischen Geist: Wenn z.B. ein Passwort erraten werden muss, lautet dies »Valley Forge« – der Name des Camps, in dem die allererste amerikanische Armee unter Washingtons Führung einen verheerenden Winter verbrachte und dann im Frühjahr durch General Steuben (auch so ein hilfreicher, guter Deutscher) zur disziplinierten, kampfstarken Truppe gemacht wurde. National Treasure ist amerikanischer Heimat- und Sachkundeunterricht im Dauerlauf.
Nur ganz am Ende, wenn – damit dürfte wohl nicht zuviel verraten sein – der sagenumwobene Schatz wirklich gefunden ist, kann man tatsächlich Anklänge an Raiders of the Lost Ark, den ersten Indiana Jones-Film, vernehmen. Aber wo dort das größere Wohl der Menschheit so weit Vorrang hatte, dass die geborgene Bundeslade in einer anonymen Kiste in einer riesigen Rumpelkammer verräumt wurde, auf dass sie nie wieder gefunden werde, geben sich die Helden von National Treasure nicht ganz so selbstlos.
Zwar haben sie auch ihre moralische Verpflichtung der Menschheit gegenüber im Blick, aber in der Welt dieses Films muss das mit persönlicher Bereicherung nicht unvereinbar sein. Bens voller Name ist nicht zufällig Benjamin Franklin Gates. Durch den zieht sich auch noch eine ganz andere, ur-amerikanische Traditionslinie: Die Namensgleichheit zu Bill Gates, dem reichsten heutigen Amerikaner, muss Absicht sein. Und Benjamin Franklin, einer der großen Idole von National Treasure, war nicht nur einer der Architekten der jungen USA – er, von dem der Gedanke stammt, dass Zeit Geld sei, war auch einer der Ur-Väter des modernen Kapitalismus.