China/HK 1996 · 115 min. · FSK: ab 12 Regie: Chen Kaige Drehbuch: Shu Kei Kamera: Christopher Doyle Darsteller: Gong Li, Leslie Cheung, Kevin Lin, He Saifei u.a. |
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Verführerischer Mond ist das neue Werk des Regisseurs von Lebewohl, meine Konkubine, und einmal mehr bietet sich dem europäischen Zuschauer die Gelegenheit festzustellen, daß man in China die Angewohnheit hat, stets gerade die besten Produkte der heimischen Filmschaffenden zu verbieten.
Der Film schildert den langsamen Niedergang der Familie Pang, deren feudaler Palast unweit von Shanghai keinen Schutz bieten kann gegen gesellschaftlichen Umbruch und das verführerische Gift Opium.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Ruyi (Gong Li), Tochter des Patriarchen Pang. Ihr älterer Bruder Zhengda (Zhou Yemang) holt Zhongliang, den verwaisten Bruder seiner Frau, in den Palast, wo ihn Ruyi und Zhengda als Diener benutzen. In einer opiumgeschwängerten Nacht kommt es zu
einem rätselhaften tragischen Vorfall, von dem der Zuschauer nur andeutungsweise erfährt.
Zhongliang (Leslie Cheung) will nach Peking fliehen, schließt sich jedoch auf dem Weg dorthin einer Gesellschaft von Gangstern an, mit denen er in Shanghai eine zwielichtige Karriere beginnt.
Ruyi muß nach dem Tod ihres Vaters die Leitung des Hauses Pang übernehmen und bekommt von den Clanältesten dazu Duanwu (Kevin Lin) an die Seite gestellt. Als Zhongliang in den Palast zurückkehrt,
entwickelt sich zwischen Ruyi, Zhongliangs Schwester (He Saife) und den beiden Männern ein zunehmend rauschhaftes Geflecht der Gefühle, das, vom Opium angefeuert, seiner tragischen Auflösung entgegentreibt.
Der Bann der Zensur, mit dem der Film in seinem Heimatland belegt wurde, sollte niemanden überraschen. Daß Verführerischer Mond ein nur oberflächlich getarnter Film über die derzeitige Situation in China ist, ist deutlich erkennbar. Für deutsche Zuschauer ist dies aber wohl eher von akademischem Interesse. Im Gegensatz zu manch hiesigem Filmemacher schließt politisch bewußte Kunst für Chen Kaige jedoch glücklicherweise höchsten ästhetischen Genuß nicht aus.
Mit Taiwan- und Hongkong-Legende Hsu Feng als Produzentin, den Darstellern Gong Li, Leslie Cheung, He Saifei und Kevin Lin und Kameramann Christopher Doyle (bekannt vor allem durch die Filme Wong Kar-wais) hat er hochkarätige Mitstreiter um sich versammelt, und das hat sich durchaus ausgezahlt.
Wie viele andere Vertreter asiatischen Kinos hat auch Chen Kaige offensichtlich noch den Glauben an die Kraft und Magie des Kinos. Er hat noch Mut zur epischen Geste, zum großen
Gefühl und zur opernhaften Stilisierung. Dies gibt dem Film eine Wucht und Größe, die zwischen griechischer Tragödie und 50er-Jahre Hollywood-Melodram angesiedelt ist.
Die bewegten Schicksale der Charaktere haben mich an manchen Stellen dennoch unerwartet kalt gelassen, aber das mag auch nur an meiner Tagesverfassung gelegen haben. Optisch jedenfalls überzeugt Verführerischer Mond auf ganzer Linie.
An der verschwenderisch-gediegenen Ausstattung, den fließenden Rhythmen der Kamerabewegungen, und vor allem den endlosen Facetten des wie gemalt wirkenden Lichts und der grandiosen Bildkomposition könnte man sich
selbst bei dreifacher Laufzeit nicht genug sattsehen, und die pure Schönheit des Films vermag, den Zuschauer streckenweise in einen traumähnlichen Rausch zu versetzen. – Was einmal mehr beweist, daß das wahre Opium des Volkes eben doch das Kino ist.