Der letzte Tycoon |
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Sebstbewusster Macher: Bernd Eichinger gewinnt 2010 den Ehren-Lola für sein Lebenswerk |
Das war ein Schock und ist ein überaus herber Verlust für das deutsche Kino – der völlig überraschende Tod des Münchner Filmproduzenten, Regisseurs und Drehbuchautors Bernd Eichinger trifft die einheimische Filmbranche denkbar unvorbereitet. Eichinger verstarb am Montagabend in Los Angeles so, wie er gelebt hatte: Beim Essen und Trinken, in einer fröhlichen Runde aus Freunden und Familie und überaus schnell – an einem Herzinfarkt.
Drei Erinnerungen:
München, 10. April 1999, Parkcafé: Ein Sonntagmorgen, kurz nach Mitternacht. Seit ein paar Minuten ist es Eichingers 50er Geburtstag. Präsentiert wird ein Geburtstagsfilm von Julia Volk, die damals an der HFF studierte, und heute immer noch in München als Produzentin arbeitet. Mir fallen seine irgendwie altertümlichen Formulierungen auf, wie »mein alter Freund und Kupferstecher«. Und seine Schüchternheit. Eichinger ist berührbar und sichtlich
gerührt.
Berlin, Bundesfilmpreis 2007: Eichinger auf der Bühne. Gerade hat er, nachdem Das Parfum in allen möglichen Nebenkategorien gewonnen hatte, als Produzent den Filmpreis in Silber bekommen. Nur in Silber. Nicht in Gold. Den bekam Sekunden später der Student Marcus H. Rosenmüller für einen Film, der tatsächlich einfach nicht auf Augenhöhe lag. Der Ärger war ihm in seiner sympathischen, den Ärger kaum verhehlenden, trotzdem würdevollen Dankesrede überdeutlich anzumerken. Es stand auch in seinem Gesicht geschrieben: Die Zwerge des deutschen Kinos hatten wieder einmal triumphiert. Man meinte sie in seinen Zügen lesen zu können, die Einsicht, dass Demokratie in der Kunst meistens nicht recht hat, und die Trauer darüber, dass die Branche nicht endlich einmal über ihren Schatten springen und eine außergewöhnliche Leistung anerkennen kann, in diesem Fall die Produzentenleistung, die immensen, alle deutschen Etats sprengenden Produktionskosten überhaupt zu finanzieren, und so einen Film in Deutschland zu stemmen. Der falsche Konsens hatte über das richtige Kino gesiegt. Da saß Bernd Eichinger endlich einmal mit der Berliner Schule in einem Boot.
Berlin, vor ziemlich genau einem Jahr, Anfang Februar. Es ist der Abend der Premiere des Bushido-Films, Zeiten ändern Dich, nicht gerade ein Höhepunkt von Eichingers Produzentenleben. Irgendwann gegen halb drei steigen Paula, die mich mitgenommen hatte, und ich ins Taxi. Direkt hinter uns Bernd Eichinger mit seiner Frau. Sie im Abendkleid, er: Weißer Schal über schwarzem Jackett, helle Jeans, weiße Turnschuhe. Die Fahrt geht aus Berlin-Schöneberg zurück nach Mitte, die Taxifahrer liefern sich ein kleines Wettrennen. Als beide gleich auf sind, schaut Eichinger rüber, mustert uns interessiert, besonders Paula, lächelt, und winkt mit der Hand grüßend hinüber zu uns, von denen er eigentlich nur wissen kann, dass wir auch auf seiner Party waren. Dann, kurz darauf, rauscht der Wagen davon, und gerade kann man noch sehen, dass er von der Friedrichstraße abbiegt und vor dem »Borchardt« zum Stehen kommt. Die Nacht war für Eichinger noch lange nicht zuende; so wie diese wurden die Nächte immer in vollen Zügen genossen. Keine Frage: Der Mann hat gelebt.
Er war eine schillernde Persönlichkeit von großer persönlicher Ausstrahlung. Er hat provoziert, hat auch provozieren wollen. »Viel Feind viel Ehr'« hat er gern gesagt. An Eichinger haben sich viele gerieben, und man konnte schon verstehen, warum. Aber verrücken konnte man ihn nicht. Er hatte Konsequenz. Trotzdem war Bernd Eichinger kein schwerer Klotz, sondern viel feiner und sensibler, als es auf den ersten Blick wirkte, ein persönlich großzügiger und freundlicher, meistens gut gelaunter Mensch, ein Mann mit überraschendem Charme, dem fast alle erlagen – nicht nur einige der schönsten Frauen des deutschen Films: Unter anderem Hannelore Elsner, Barbara Rudnik, Katja Flint und Corinna Harfouch waren seine Lebensgefährtinnen.
Eichinger war ein Besessener, eine Kino-Verrückter im besten Sinn, einer, der den Traum vom großen Kino, das bigger than life ist, noch nicht ausgeträumt hatte, der wusste, dass gutes Kino weder von digitalen Bildern, noch von 3D-Brillen, noch von Spezialeffekten abhängt, sondern von starken Geschichten, von Stars, von den Gedanken und Gefühlen, die sie auslösen.
Und dieses Kino und nichts außerdem wollte Eichinger von Anfang an: Mit 21 ging er, geboren am 11. April 1949 in Neuburg an der Donau, auf die Münchner Filmhochschule. Schnell begab er sich in die Fittiche des damals schon greisen Luggi Waldleitner, der in München so ziemlich alles produzierte, zwischen Lederhosen-Pornos und Fassbinder-Filmen. Dort lernte er das Geschäft und bekam die Kontakte. Und Eichinger, später als Großproduzent berühmt, gründete mit nur 23 seine erste eigene Firma und produzierte Autorenfilme von Wim Wenders, Hans Jürgen Syberberg, Edgar Reitz und Alexander Kluge. 1979 setzte er dann alles, oder jedenfalls sehr viel Geld, auf eine Karte: Er kaufte die »Constantin Film«, und mit der abgewrackten Pleitefirma, die er als »Neue Constantin« wiedergründete, einen guten Namen und einige Filmrechte. Dann folgte ein beispielloser Aufstieg und eine Kette von Erfolgen: Fast immer ökonomisch, oft auch künstlerisch: Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Das Boot, Die unendliche Geschichte, Der Name der Rose, Last Exit Brooklyn, Das Geisterhaus.
Eichinger spielte Hollywood in Geiselgasteig bei München, und gerade im letzten Jahrzehnt gelang es ihm – natürlich nur mit Hilfe vieler Gelder aus Privat-Börsen und öffentlichen Fördertöpfen – einige internationale Erfolge zu produzieren: Der Untergang und Der Baader Meinhof Komplex waren die wohl wichtigsten von ihnen. Sie entstanden nach Eichingers Drehbuch. Daneben produzierte er Filme mit Caroline Link, Tom Tykwer und Oskar Roehler. Oft waren es Bestseller wie die Bücher, auf denen sie basierten, wie Das Parfum und Elementarteilchen.
Er produzierte aber auch Manta Manta, Werner – Beinhart, Das Superweib, Ballermann 6, Nackt, Der Schuh des Manitu, Zeiten ändern Dich, Die Superbullen. Wegen solcher Filme, und andere, für die er indirekt mitverantwortlich war, wie Harte Jungs und Mädchen Mädchen gab es auch immer wieder Verachtung durch die Kritik – um die er ja andererseits gebuhlt hat. Das gerade sollte man nicht vergessen: Im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen und Epigonen wusste Eichinger immer, was Film-Kunst ist, dass das Kino immer auch Kunst sein muss. Darum hat er die Kritik geschätzt, hat, wenn ein neuer Film von ihm herauskam am Morgen am Münchner Hauptbahnhof gestanden, um auf die ersten Zeitungen zu warten und dann als erstes nachzulesen, was Ponkie in der »AZ« geschrieben hatte – und zu wissen, dass er etwas falsch gemacht hatte, wenn sie den Film nicht gut fand.
Nicht allen seiner Kumpels hat er das, hat er diesen Respekt vor der Kunst vermittelt, und manche werden erst jetzt merken, wie sehr ihnen sein Rat und seine Unterstützung, seine Gunst auch, fehlen werden: Solchen Knalltüten wie Til Schweiger fehlt der Ratgeber, und für solche irgendwie doch gnadenlos Überschätzten wie einem Dennis Gansel, wird das Eis jedenfalls dünner werden.
Eichinger, ein »man’s man«, der trank, rauchte und auch andere Genüsse nicht verschmähte, ein begeisterungsfähiger ewiger Junge, auch mit 60 noch gern Jeans und Turnschuhe trug, stand vor allem für Industriekino, das im Film vor allem ein Geschäft sieht. Für einen sogenannten »starken« Produzenten, der den Regisseuren viel reinredet, und letztlich der ist, der die Entscheidungen trifft. Er stand für die Gründung der Deutschen Filmakademie, die in der Branche umstritten ist, weil viele in ihr nur eine Lobby für die Großen sehen, und fürchten, das unabhängige Kino geriete mit ihr nun endgültig unter die Räder. Man sollte aber nicht vergessen, dass Eichinger der seltene Fall eines kreativen Produzenten war, der in seinen Filmen eigene Visionen verwirklichte. Und gerade durch die Konsequenz, mit der er seine Visionen verfolgte, provozierte er umgekehrt auch die deutschen Autorenfilmer, dagegen zu halten, und es ihm zu zeigen.
Man tut Eichinger Unrecht, mit diesen weichgespülten Lobeshymnen, die jetzt leider oft zu lesen sind, in denen nur Schönes zu lesen ist, und alles unter den Tisch fällt, was manchen anstößig war, womit er die Leute auch geärgert hat. Das hätte er selbst nicht gewollt, und das hat er auch nicht verdient. Zum Respekt gehört auch die Kritik, Eichinger wusste das viel viel besser, als all seine Epigonen. Wenn man ihm jetzt den Respekt nicht verweigern will, sollte man auch nichts unterschlagen.
So ist manches, was jetzt geschrieben wird, natürlich einfach maßlos übertrieben. So ist es Unsinn, wenn Berlinale-Chef Dieter Kosslick im Deutschlandfunk erklärt, Eichinger habe »den deutschen Filmpreis erfunden«, denn den gab es schon lange vor Eichinger. Oder wenn es heißt, Eichinger habe »dem deutschen Film wieder ein Gesicht gegeben«. Das ist alles Legendenbildung – der deutsche Film hatte auch vor Eichinger viele Gesichter, und wird die auch danach haben.
Seine zweite Regiearbeit, nach dem SAT-1-»German Classics«-Film Das Mädchen Rosemarie, bei dem er Nina Hoss entdeckte, war die Helmut Krausser-Verfilmung Der grosse Bagarozy. Der erzählt von einem faustischen Teufelspakt. Das war es wohl. Bernd Eichinger, der letzte Tycoon des deutschen Kinos, wird diesem fehlen.