27.04.2011

Das Wildcard-Gemau­schel

Der ganz große Traum
Geht mit fetter Staatsknete nach Hause:
Senator-Film Der ganz große Traum

Von Rüdiger Suchsland

Alle Jahre wieder ändern sich die Nomi­nie­rungs-Verfah­rens-Regeln beim Bundes­film­preis – besser wird nichts. Ein Rückblick

Klar: Einer wird gewinnen. Aber nicht irgendwer bitte­schön.

Man kann von den Film­kri­ti­kern wirklich eine Menge lernen. Aber bitte nicht gerade, jedes Jahr die Verfahren zu ändern, wie beim »Preis der Deutschen Film­kritik«. Das Ergebnis, über das wir an dieser Stelle schamhaft geschwiegen haben, war der Kriti­ker­ge­ne­ral­ver­samm­lung auf der letzten Berlinale immerhin (und sehr zu Recht!!!) derart peinlich, dass man prompt – zum vierten Mal in acht Jahren – das Verga­be­ver­fahren änderte.

Es gibt jedes Jahr wieder Menschen, die sich von der Vorno­mi­nie­rung unter die »besten 20 Spiel­filme« des Jahrgangs derart blenden lassen, dass sie den kleinen Finger für die Hand nehmen, und ernsthaft glauben, sie hätten eine seriöse Preis­chance. Diesmal aller­dings – ausge­rechnet in einem der schwächsten deutschen Filmjahre seit langem –, kam überhaupt keiner der kleinen frechen Inde­pen­dent-Filme durch, die in den vergan­genen Jahren immer unter den Endno­mi­nierten aufge­taucht sind.

Das Filmpreis-Abstim­mungs­pro­ze­dere der Vorjahre war so angelegt, dass man einfach sechs Filme ankreuzen musste, die nominiert werden sollten. Da schaffte es immer Halbkunst wie in diesem Jahr der Tom Tykwer-Film Drei, aber kaum echter Main­stream-Blödsinn.

Dieses Jahr wurde nun alles anders.... Es gab wieder ein ganz neues Auszäh­lungs­ver­fahren, das angeblich noch gerechter und noch besser wäre, gerade für kleine Filme. Von wegen: Denn nun wählt man keine Filme mehr aus, sondern vergibt »Zensuren«: Für »schlecht« einen Punkt, für »gut« fünf Punkte. So wurde dann aus den Voten, die man für jeden vorno­mi­nierten Film abgab, ein Mittel­wert errechnet. Mit dem Ergebnis: Der Filmpreis funk­tio­niert wie jeder Publi­kums­preis bei einem Festival, der schönes braves Mittelmaß auszeichnet. Wer mit seinem Film nicht aneckt, bekommt die Nomi­nie­rung, aber bitte nicht kontro­vers sein oder schwierig, sonst gibt es schlechte Noten. Am besten man hat einen großen Etat, schöne Werbung und hatte gerade erst bei der Berlinale Premiere, dann kommt man weiter. Und natürlich auch dann, wenn man viele Freunde und Mitglieder aus dem eigenen Team in der Film­aka­demie hat – die votieren dann nämlich brav für alle anderen Filmen mit einer schlechten Note ab... man gibt sich also selber den Preis: je 250.000 Euro Nomi­nie­rungs­prämie aus dem Haushalt des BKM, der soge­nannten Branche zur Selbst­be­die­nung über­lassen.

Für zusätz­li­ches Chaos und Unfair­ness sorgt die soge­nannte Wildcard-Regelung, die Möglich­keit, am gängigen Auswahl­ver­fahren vorbei Filme in die Nomi­nie­rungs­liste zu hieven. In diesem Jahr zeigte sich das am Beispiel des Films Der ganz grosse Traum. Eine hunds­mi­se­rable, peinlich gemachte Scheiße, die völlig zu recht an der Kinokasse floppte, und ebenso völlig zurecht von der Akademie in keiner Kategorie vorno­mi­niert wurde. Der aber einen starken Verleih hinter sich hat: Senator, bei dem man sich schon lange fragt, warum sie immer noch am Tropf der Film­för­de­rung weiter­ve­ge­tieren dürfen.

Anatol Nitschke, Ex-Punk und Ex-Werk­statt­ki­no­ma­cher, der heute einer Firma mit dem hübsch spre­chenden Namen »deutsch­film«, die eigent­lich Senator gehört, die eigent­lich irgend­wel­chen Heuschre­cken­in­vest­ment­fonds in Übersee gehört, zog eine Wildcard für den Film: Das ist sein gutes Recht. Weniger guter Stil ist es aller­dings, die Konkur­renz zu beschimpfen, und die Akademie gleich mit: Man habe wohl ein »Problem mit populären Filmen«, grantelte er. Das ist schon deswegen eine selten dumme Bemerkung, weil Der ganz grosse Traum keines­wegs ein »populärer Film« ist: In zwei Wochen bekam man nur 100.000 Zuschauer, und verdiente nur 626.837 Euro. Für einen Film mit Daniel Brühl extrem schwach, bei 5,5 Millionen Euro Produk­ti­ons­kosten das übliche Senator-Maß: eine Kata­strophe. Aber die Film­för­de­rung zahlt es ja.

Nun ist die Akademie wie ein Hund, der wenn man ihn tritt, winselt und Unter­wer­fungs­gesten zeigt. So konnten Nitschke und sein Film trotzdem in die Kiste der DVDs kommen und von den Mitglie­dern auf den Abstimm­zettel geschrieben werden. Dummer­weise hatte die Akademie überdies vergessen, ihr Verfahren anzu­glei­chen: Wenn nämlich nach Zensuren für alle abge­stimmt wird, dann hat natürlich ein Film, der sich gar nicht im normalen Verfahren befindet, den Vorteil, dass nur die vielen Freunde und »Verpflich­teten« von Senator die Wildcard-Spalte mit diesem Film besetzen und natürlich dann immer nur gute Zensuren vergeben. Weil ja niemand einem Film, der gar nicht auf der Liste steht, und auch gar nicht angesehen werden muss, frei­willig eine schlechte Note gibt – wozu auch, er ist ja nicht voraus­ge­wählt.

So zog Der ganz grosse Traum in mehreren Kate­go­rien an anderen vorno­mi­nierten Filmen vorbei – und Senator reibt sich die Hände über 250.000 Euro Staats­knete. Der Höhepunkt ist, dass sich Burghardt Klausner, nebenbei ein Haupt­dar­steller von Der ganz grosse Traum, auch noch entblödet hat, nach der Nomi­nie­rung zu sagen, er freue sich für den Film, weil es ja ein Außen­seiter-Film sei!!! Ein Außen­seiter, der 5,5 Millionen Euro gekostet hat. Klausner sagt aller­dings nicht, dass er als Mitglied des Vorstandes der Film­aka­demie diese dumme Ausnah­me­re­ge­lung auch noch aktiv mitbe­stimmt.

Was kann man dagegen tun? Viele deutsche Produ­zenten finden die ganze Abstim­mung und alles Drumherum auch zum Kotzen. Sie sind aber zu müde, um gegen den Koloss Akademie vorzu­gehen... »Eigent­lich müsste die Akademie sich auflösen wegen kollek­tiver Blödheit«, sagte ein Filme­ma­cher, der natur­gemäß ungenannt bleiben wollte. Früher hieß es noch, man wolle die Akademie von innen verändern. Aber wie will man Iris Berben von innen her ändern? Die Akademie ist für viele Mitglieder eigent­lich nur dazu da, dass sie eine schöne Sammlung an DVDs besitzen.

Es bleibt eigent­lich nur, eine zweite Akademie, eine »Indie-Akademie« zu gründen und dann auch einen Batzen Geld vom BKM zu fordern. Oder das Ganze einmal gericht­lich prüfen zu lassen: Wie geht es, dass Staats­gelder, die laut Defi­ni­tion für Kunst und Kultur ausge­geben werden sollen, von einem Privat­verein an sich selber vergeben werden?

PS: Ein kurzer unvoll­s­tän­diger Überblick, dazu, wer alles sein Förder­geld in den sechs für den »besten Film« nomi­nierten Film­preis­filmen stecken hat. Es sind zu viele. Zu viel Geld und zu viel Fern­seh­sender.

Almanya
FFFBayern 400.000 EUR
DFFF 500.000 EUR
FFA
BKM

Drei
MBB 500.000 EUR
DFFF
FFA
Film­stif­tung
NRW
BKM

Der ganz grosse Traum
FFA
DFFF
FF-Hamburg-Schleswig-Holstein
Nordmedia
MBB 350.000 EUR
BKM

Goethe!
MDM
Film­stif­tung NRW
FF-Hamburg-Schleswig-Holstein
MBB 450.000 EUR
FFA
FFFBayern

Vincent will meer
FFFBayern
DFFF
MBB 180.000 EUR
FFA

Wer wenn nicht wir
FFA
BKM
MBB 500.000 EUR
MFG FF-Hamburg-Schleswig-Holstein
Hessen
DFFF