Das unsichtbare deutsche Kino |
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Man muss suchen, um zu finden, etwa: Totem |
Von Andreas Beilharz
Ende Februar lieferte das 50-jährige Jubiläum des Oberhausener Manifests und jetzt, Ende April, die alljährliche Verleihung des Deutschen Filmpreises vielerorts Anlass, über den Status quo des deutschen Kinos, der Branche und der Filmförderungslandschaft zu reflektieren. Schlecht steht es darum, war oft zu vernehmen. Aus vielen Gründen gut nachvollziehen kann man das und der Furor mancher Wortmeldung scheint auch dringend nötig. Und doch gerät bei manchem Rundumschlag das eine oder andere durcheinander oder wird auf einen zu kurzgeschlossenen Nenner gezwängt. Beim Oberhausener-Bashing wird oft übersehen, dass es neben den späteren Verwässerungen der Ideen und den selbst im einst bekämpften muffigem Filmbürokratentum stecken gebliebenen Vertretern zunächst durchaus einschneidende Impulse davon ausgingen und es nicht wenige, heute aber überwiegend völlig vergessene Innovatoren gab, die mal streng, mal spielerisch neue ästhetische Formen erprobten. Beim Filmförderungs-Bashing wird oft übersehen, dass der Schrei nach monetärem Eigeneinsatz und die Forderung nach sich am Markt zu bewähren habenden Werken die Vielfalt des Kinoschaffens beschneidet und dabei ausklammert, dass es schlichtweg filmische Visionen gibt, deren Konsequenz oder Radikalität nicht (oder nur in glücklichen Konstellationen) marktförmig sind und die gerade daraus eine künstlerische Kraft und kulturelle Legitimation schöpfen, deren Förderung unbedingt wünschenswert ist, weil ihr Wert in Geld nicht aufzuwiegen ist. Umgekehrt lauert freilich die längst Realität gewordene Gefahr, dass Filme nicht um ihrer künstlerischen Selbst willen entstehen, sondern in einer perversen Verdrehung einzig als Selbstzweck der Förderung, die zuvorderst nach dem verlangt, was respektabel, relevant, repräsentativ und refinanzierend ist.
Viel beklagt wird sehr zu Recht das Gesamtbild dessen, was dann tatsächlich an deutschem Filmoutput die Multiplex- und Arthouse-Säle erreicht. Der hiesige Mainstream ist im Wesentlichen stecken geblieben in tristen Romantikkomödien- und Klamauk-Klamottenkisten-Konventionen, einfallslosen Hollywood-Anbiederungen, Historien- und Literatur-Verwurstungen sowie harmlosen tragikomischen Betulichkeiten. Ausnahmen gibt es zum Glück, leider aber weit am Rand (dazu später mehr). Lebendiges Unterhaltungs- und Genrekino hingegen scheint verschwunden oder als Ruine ins Fernsehen abgeschoben. Als brach liegendes Potenzial harren all die Mythen, Schauergeschichten und Schauplätze ihrer Ausschöpfung. Entstanden etwa noch in den 80er Jahren originär deutsche Horrorfilme wie Ralf Huettners Der Fluch, Robert Sigls Laurin, Eckhart Schmidts Loft, Georg Tresslers Sukkubus, Dominik Grafs Das zweite Gesicht oder als singuläre Underground-Erscheinung Jörg Buttgereits Nekromantik, scheint der Gedanke daran heute ähnlich abseitig wie an Karl May oder Edgar Wallace, an St.-Pauli-Reißer oder Werner Herzogs längst in die USA ausgewanderten Bilderdrang. Müßig und doch faszinierend die Spekulation, ob vielleicht alles anders gekommen wäre, wenn Anfang der 90er Jahre Filme wie Huettners Babylon oder Grafs Die Sieger an der Kasse nicht gefloppt, sondern Sensationserfolge gefeiert hätten? Wäre ernstgemeintes deutsches Genrekino von großem Zuschnitt kinofähig geblieben?
Die schon lange andauernde Erlahmung des Pop- und Genrekinos ist nicht das einzige Problem, aber womöglich symptomatisch, wenn man die Rahmenbedingungen in den Blick rückt. Man muss sich vielleicht ganz grundsätzlich über vieles gar nicht wundern in einem Land, in dem Filmkultur noch nie groß geschrieben wurde. Einem Land, das mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) noch immer stolz unter dem Deckmantel des Jugendschutzes eine erwachsenenbevormundende Zensurbehörde hat, deren Unwesen weltweit in Demokratien einmalig ist und aus fadenscheinigen Gründen für mehrere Tausend teils renommierte fiktionale Spielfilme einzig die Unterbringung im Giftschrank vorsieht. Einem Land, in dem die Synchronisationswut so verbreitet wie kaum irgendwo ist, so dass noch heute O-Ton-Kinofreunde jenseits der Großstädte buchstäblich in die Röhre schauen. Einem Land, das sich um seine filmische Vergangenheit so wenig schert wie kaum ein anderes. Wo nur ein Bruchteil der eigenen Filmgeschichte bislang den Sprung ins DVD-Zeitalter geschafft hat, vieles in Film-, Fernseh- und Privatsammlerarchiven verrottet oder nur einzelnen Aufführungen auf Festivals und in Kinematheken vorbehalten bleibt. Weshalb auch der aktivste Cineast nur vage Ahnungen von der ungeheuren Fülle und Vielfalt deutscher Filmgeschichte hat, wie sie sich selbst dem Interessierten nur andeutungsvoll als imposanter Schattenriss abzeichnet, während das öffentliche Bewusstsein und der Kanon nur einen immer gleichen fahlen kleinen Ausschnitt davon wahrzunehmen bereit ist. Was dann immer wieder zur absurd verdrehten, vergifteten Lobes-Phrase „für einen deutschen Film nicht schlecht“ führt. Man kann es aufgrund der geschilderten Umstände den sich derart Äußernden wohl noch nicht einmal zum Vorwurf machen.
Kann man tatsächlich das Fazit ziehen, dass die deutsche Filmhistorie reich, aber weithin vergessen, die Gegenwart hingegen kahl und mager ist? So einfach ist es dann doch nicht. Die gute Nachricht: Wer fündig werden will, wird durchaus noch immer fündig, mitunter sogar reichlich. Auch das gegenwärtige deutsche Kino hält trotz und manchmal auch wegen aller Widerstände viele Entdeckungen parat für diejenigen, die bereit sind, gezielt danach Ausschau zu halten. Aber man muss tatsächlich viel genauer suchen, und die Produktions- und Vermarktungsbedingungen haben sich ins Beengende gewendet. Waren sowohl Genre-Abseitigkeiten als auch radikale Autorenfilme früher durchaus nennenswerter Bestandteil der kommerziellen Auswertung und fanden ihre Zuschauer, sind ihre Nachfolger zur Unsichtbarkeit in engen Nischen verbannt. Die größte davon ist längst das Fernsehen, wo allerdings die spannenderen (Kino-Co-)Produktionen oft erst auf mitternächtlichen Kleines-Fernsehspiel-Programmplätzen versendet werden. Es gibt erfreulicherweise auch Beispiele, wie man sich in Nischen produktiv einrichten und das System ästhetisch ambitioniert unterwandern kann, und dabei dennoch zum Schreck des auf bieder inszenierte Erzählschablonen konditionierten Krimiserienpublikums regelmäßig in der Primetime landet: Gleich vier neue Filme hat Dominik Graf zwischen der Berlinale 2011 und der Berlinale 2012 vorgestellt (Drei Leben: Komm mir nicht nach, Polizeiruf 110: Cassandras Warnung, Das unsichtbare Mädchen, Lawinen der Erinnerung), jeder davon auf seine Weise – und dabei gar nicht unähnlich wie kürzlich Christian Petzolds verdientermaßen gefeierter Barbara – beseelt vom Geist längst verdrängter filmgeschichtlicher Form- und Spurenelemente und einer Sehnsucht nach ihrer vitalen Wiederkehr im Gegenwartskino. Genre wird hier nicht als Beschränkung begriffen, sondern als Chance, mit Konventionen zu spielen, sie zu dehnen oder umzukehren. Der Reichtum liegt nicht in ausgestellter Bedeutung, sondern in scheinbar beiläufigen Details, in kleinen inszenatorischen Vignetten, einer versteckten Geste, einem schnellen Zoom, einem gepfefferten Dialog, einem andeutungsvollen Schlaglicht. Auch Klaus Lemke nutzt die Sicherheit seiner zuverlässig einkaufenden ZDF-Nische produktiv. Der letzten Herbst in Hof und Wien vorgestellte und noch auf einen Ausstrahlungstermin wartende Drei Kreuze für einen Bestseller ist sein schönster Film seit Jahren, ein angenehm selbstironisch und wunderbar leichthändig improvisierter Inselfilm, der bisweilen fast an den spanischen Regie-Erotomanen Jess Franco denken lässt.
Diesen Geist, der sich auch mal einem aufreizend nutz- und absichtslosen filmischen Flanieren hingibt, würde man sich freilich auch im deutschen Kino-Mainstream häufiger wünschen. Doch gerade dort ist er besonders eklatant, der Mangel an Esprit, Witz, Charme und Phantasie. Kaum noch vorstellbar, dass sich einst ein Millionenpublikum für die unbeschwerten „Schwabing-Filme“ der 60er Jahre von Rudolf Thome, Klaus Lemke, May Spils, Roger Fritz, Eckhart Schmidt oder Marran Gosov begeistern konnte. Der noch immer fast jährlich einen Film drehende Thome ist es auch, der sich jenen spielerischen Zugang und schöpferischen Eigensinn bewahren konnte, was ihn heutzutage mit starken jüngsten Werken wie Das rote Zimmer oder Ins Blaue längst in eine völlige Außenseiterposition im Kino gebracht hat. Verdrängt von der Dominanz des sich gewichtig gebenden Relevanz- und Themenkinos, das Dominik Graf kürzlich in der „Zeit“ aus guten Gründen heftig beklagt hat. Das »gewissenlosere, lustbetontere, schmutzigere Filmen«, das er als Alternative fordert, sucht man in einzelnen Aufreger-Szenen und unzähligen Retorten-Komödien des gegenwärtigen Kino-Mainstreams letztlich jedoch vergeblich. Selbst das jahrzehntelange Feindbild von proklamierten Autorenfilmern, Kulturpolitikern und Filmkritikern, der deutsche Sex-, Report- und Lederhosenfilm der 70er Jahre, mutet dagegen heute trotz allem inhärenten Mief geradewegs erfrischend an. Wo seinerzeit zuweilen immerhin mit unverhohlen kommerzieller Offenherzigkeit und sich am Rande des Irrwitzigen bewegender schmierig-schmuddeliger Fabulierlust unterdrückte Wunschgebilde ausgebreitet wurden, an denen man sich wahlweise reiben oder erfreuen konnte, muss man auf solcherlei Wucherungen bei heutigen Entsprechungen wie den kleingeistig abgezirkelten, neokonservativen Spießer-Phantasien Glück oder Der letzte schöne Herbsttag zumeist gänzlich verzichten.
Die Suche nach besagter Alternative treibt einen zwangsläufig ganz an die Ränder. Dann begegnet einem plötzlich Eckhart Schmidt, der mittlerweile nicht mehr in Schwabing sondern in L.A. vormacht, wie radikales Filmemachen ohne Budget funktioniert. Einen Mann mit der Kamera (Hauptfigur in Kamera-Subjektive und One-Man-Filmcrew zugleich), ein Mädchen vor der Kamera und eine voyeuristisch-fetischistisch aufgeladene cinephile Vision – mehr braucht er nicht er bei Hollywood Fling, um tatsächlich einmal das allzu oft unerfüllt bleibende Versprechen der digitalen Revolution als schmutzig-experimentelles Serienkillermovie einzulösen, wie es wohl nur einem von Obsessionen getriebenen Regisseur möglich ist, der an Respektabilität keine Gedanken mehr verschwendet. Der FSK ging das freilich zu weit, ihre Freigabeverweigerung beschränkte den DVD-Verkauf hierzulande prompt auf den Amazon-Marketplace. Man kann auch an einen Film wie Marian Doras Reise nach Agatis geraten, der dem kümmerlich vor sich hinsiechenden deutschen Low-Budget-Splatterfilm erfrischende formale Einfälle abgewinnt. Der Regisseur verausgabte sich jedoch mit eigenem finanziellem Einsatz beim vorherigen Film so, dass er vorerst das Handtuch ganz hinschmeißt – auch so kann das Arbeiten jenseits von zahlungskräftigen Unterstützern und Förderzusammenhängen ausgehen.
Weitere Nischen sind Filmfestivals und minimale reguläre Starttermine, die zumindest die kleineren Kinos größerer Städte erreichen. Die Angebotsmenge macht zwar selbst Cineasten die Orientierung nicht immer einfach, sorgt aber dafür, dass es neben den mit Marktmacht und Werbetrommel in die Säle gedrückten Filmen immer auch Alternativen gibt, nach denen man sich umschauen kann und sollte. Da wären Filme wie die ohne falsche Vereinnahmung das Fremde als fremd respektierenden Schlafkrankheit (Ulrich Köhler) und Sonnensystem (Thomas Heise). Die weiblichen Außenseiter-Versuchsanordnungen Im Alter von Ellen (Pia Marais) und Die Räuberin (Markus Busch). Die bittere, grandios gespielte Komödie Unten Mitte Kinn (Nicolas Wackerbarth) oder der von Ahnungen eines Lebensalltags-Horror durchzogene Totem (Jessica Krummacher). Ambitionierte modernistisch-artifizielle Entwürfe wie in Unter dir die Stadt (Christoph Hochhäusler) oder Headshots (Lawrence Tooley). Die Künstler-Reflexion Das schlafende Mädchen (Rainer Kirberg) oder die Repräsentanz- und Kunstlegitimierungs-Demaskierung Führung (René Frölke). Auch herausragende deutsch co-produzierte bzw. geförderte Werke wie Brownian Movement (Nanouk Leopold), Whores' Glory (Michael Glawogger) oder Mein Glück (Sergei Loznitsa) können einem in den Sinn kommen.
Auffällig im aktuellen Jahrgang auch die Anzahl lohnenswerter Dokumentarfilme, die statt bloßer Themen-Bebilderung einen spannenden formalen Zugang suchen. Etwa der Atomkraft-Utopie-Abgesang Unter Kontrolle (Volker Sattel), die menschenleere Lebensumfeld-Evokation Portraits deutscher Alkoholiker (Carolin Schmitz), der Beiträge zu System- und Gesellschaftsfragen versammelnde Angriff auf die Demokratie (Romuald Karmakar), der skandalöse Justizpraxis am konkreten Einzelfall durchleuchtende Revision (Philip Scheffner), die Heinz-Emigholz-Essay- und Architektur-Filme Eine Serie von Gedanken und Parabeton, die von persönlichem Bezug motivierten Rosa-von-Praunheim-Investigationen Die Jungs vom Bahnhof Zoo und König des Comics, der von Lebens- und Zeitgeschichten und dem Glamour der Ausschweifung zehrende The Big Eden (Peter Dörfler), der von lebendiger Unmittelbarkeit angetriebene Noise & Resistance (Francesca Araiza Andrade, Julia Ostertag) oder die realsatirische, erhellende Paranoia- und Esoterik-Entlarvung Die Mondverschwörung (Thomas Frickel).
Die genannten Titel sind nur ein Ausschnitt, subjektiv und von Sichtungszufällen beeinflusst, weil es sich nur um auch tatsächlich selbst gesehene Werke handelt, die in den letzten 12 bis 15 Monaten auf deutschen Festivals, in Kinos, bei TV-Sendern oder DVD-Anbietern auftauchten. Auf die Vorab-Nominierungsliste des Deutschen Filmpreises schafften es die allerwenigsten, von der finalen Nominierten-Endauswahl ganz zu schweigen, und im Kino kam fast keiner über ein paar Tausend Zuschauer hinaus. Geld von Filmförderung oder Fernsehen half zwar den meisten bei der Entstehung, an einem Etat für eine halbwegs publikumswirksame Auswertung fehlte es jedoch fast durchweg. Das ist nicht nur schade, sondern es wirkt sich auch insofern aus, als dass zumeist nur Schule machen kann, was auch tatsächlich gesehen wird und nicht in der Unsichtbarkeit verbleibt.
Es sind insofern keine Filme, die einem zufällig an der nächsten Ecke über den Weg laufen, sondern überwiegend eher solche, die nicht nur aktiv rezipiert, sondern überhaupt erst einmal aktiv gefunden werden wollen. Von einem Publikum, das sich nicht einfach alles vorsetzen lässt, sondern die mittlerweile bestehenden Möglichkeiten einer immer größeren Zahl an Filmfestivals, den Umschalttasten der TV-Fernbedienung, dem internationalem Versandhandel oder des Internets nutzt. Zugegeben: Mit dem Wunsch nach Neugierde und cinephiler Entdeckerfreude lassen sich zwar schwerlich Massen mobilisieren. Aber im glücklichen Fall zumindest die Interessierten dazu anregen, nicht einfach das gemeinhin Beklagte hinzunehmen, sondern sich nach Alternativen umzusehen und dabei auch mal Umwege in Kauf zu nehmen. Mit Vorschlägen wie einer Quote für den deutschen Film wird man hingegen kaum weiterkommen, schon weil die Prämissen die falschen sind: Der Gedanke vom verschwommenen Gebilde des „deutschen Films“ verstellt nur den Blick darauf, dass es eher darum gehen sollte, schlichtweg im Einzelnen interessante Filme zu ermöglichen und auch sichtbar zu machen. Man kann das Publikum dabei zu nichts zwingen, auch nicht zu seinem Glück, womit man sich in der Opposition gegen die bürokratischen Oberlehrer ohnehin nur selbst zu ebensolchen machen würde (denn: wer legt fest, was ein „guter Film“ ist, und verhindert ein konsensfähiges Übereinkommen darüber nicht überhaupt erst wirklich aufregendes Kino?).
Verständlich indes, dass man die partielle Unberechenbarkeit der Zuschauer als ernüchternde Undankbarkeit auffassen kann, wenn man sich Beispiele wie Benjamin Heisenbergs Der Räuber ansieht und meinen möchte: Welcher Film, wenn nicht gerade dieser, sollte das Zeug haben, mit der Verbindung von ambitionierter Autorenvision und packend inszenierten Actionthriller-Sequenzen auch ein größeres Publikum zu erreichen? Das Wagnis des Verleihs, den Film verhältnismäßig groß heraus zu bringen und auch in Multiplexen zu platzieren, wurde mit eiskalter Ignoranz der Kundschaft abgestraft. Mit spannendem Kino, gutem Willen und engagiertem Vermarktungseinsatz ist es also nicht getan, und dass Qualität sich leider nicht von allein durchsetzt, dürfte auch eine Binsenweisheit sein. Was dann jedoch wieder ein Argument für die Filmförderung wäre, die gerade solche gleichermaßen ambitionierten wie gewagten Unternehmungen allen Unwägbarkeiten zum Trotz ermöglichen kann. Dass sie diesem Auftrag nicht immer nachkommt, vielmehr allzu oft geradewegs verformend statt unterstützend dagegen arbeitet, provoziert ganz entschieden Fragen der förderpraktischen Ausgestaltung, die wiederum tatsächlich dringend einer grundlegenden Diskussion und Reformierung bedürfen. Ebenso viel gewonnen wäre allerdings, wenn die Zuschauer nicht in der Position der passiven Konsumenten beim nächstgelegenen Angebot verbleiben, sondern sich häufiger zum aktiven Hin- und Umschauen, Suchen und Entdecken ermutigt sehen würden. Was indes das Fehlen bestimmter filmischer Formen ebenso wie die Marginalisierung weiter Teile der Filmgeschichte und des Gegenwartskinos nicht allein ausgleichen kann, und die Frage bleibt, ob es sich dabei nur um ein Akzeptanz- und Vermittlungsproblem, oder eher um ein System- und Strukturproblem handelt.