Kino Asyl – Komm und sieh' |
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Ein Film, der das Leben feiert, obwohl der Tod von der ersten Sekunde an alles bestimmt: Aujourd'hui |
Von Natascha Gerold
Der Titel ist durchaus doppeldeutig. „Kino Asyl“ ist im engeren Sinn eine erstmalig stattfindende Veranstaltung, bei der Menschen, die in München eine neue Heimat suchen oder sie bereits gefunden haben, als „Festival-Programmer“ fungieren und Filme aus Ländern zeigen, die ihre erste Heimat waren, die sie nicht vergessen wollen und können. Im weiteren Sinn könnte man in „Kino Asyl“ auch die kulturelle Darstellungsform des Filmemachens als Möglichkeit der Zuflucht sehen: Das, was schwer zu erklären ist, findet nicht selten im bewegten Bild den passenden Ort. Hier wird verstanden.
Das Jahr geht zu Ende – und unser Land ist um circa eine Million Neubürger reicher. „Integration ist eine Frage der Fantasie“, so die Forderung des Journalisten Heribert Prantl an die politischen Parteien in unserem Land. Doch das gilt nicht allein für sie, sondern für die gesamte Gesellschaft. Und wo ist es wichtiger, bisher Ungedachtes zu denken und ungeahnte M öglichkeiten zu finden als beim Filmemachen?
In drei Kinos – Import Export, Kino Maxim und Gasteig – präsentiert jeder der 15 in München lebenden Jugendlichen jeweils einen Film, der ihm oder ihr besonders am Herzen liegt, den sie mit ihrem Leben vor der Flucht verbinden, der besser und präziser über ihre Herkunft Auskunft gibt als Schlagzeilen oder Vorträge. Tatkräftig unterstützt von einem eigens gegründeten „Kino Asyl Team“, dem Günther Anfang und Thomas Kupser (beide Medienzentrum München des JFF), Max Kratzer und Verena Wilkesmann (beide Mitgliedern des Vereins Icoya), Sarah Bomkampre Kamara und Mohammed Koroma (beide Sonne Magazin) sowie Caroline Bader, Marei Bauer und Tobias Rehm angehören, ist dieser internationalen Gruppe ein erstaunliches und abwechslungsreiches Festival-Programm gelungen, das mit dem senegalesischen Kurzfilm Deweneti (6.12., 19 Uhr, Import Export; 7.12., 21 Uhr, Kino Maxim) von Dyana Gaye beginnt. Ein gewitzter kleiner Koranschüler erbettelt auf originelle Weise auf den Straßen Dakars Almosen und zeigt, dass Wünsche wahr werden können – ein wunderbar hoffnungsvoller und zugleich unsentimentaler Auftakt.
Das Genre Kurzfilm wurde öfter von den Festivalmachern gewählt: So entschied sich Ameen Nasir aus Syrien für Raqqah, Ba'athism to the Caliphate (7.12., 21 Uhr, Kino Maxim) von Taher Moqresh und Mhanad Mansour. Sie setzen vor allem den Bewohnern der Stadt ein Denkmal, die einst friedlich für Menschenrechte in den Straßen demonstriert haben und die heute für den Traum vom
Leben in Freiheit permanent in Lebensgefahr schweben. »Ich will den Film zeigen, weil die Auswahl in Syrien nicht zwischen Al Assad und IS sein sollte, sondern für Demokratie und Frieden«, begründet der junge Festivalmacher seine Wahl. Ein Serienhit aus Mali ist Die Könige Von Ségou, mit dem der erfolgreiche malische Regisseur Boubacar Sidibé Aufstieg und Niedergang des großen mächtigen Königreichs von Ségou erzählt, das vom 17. bis 19. Jahrhundert zu einem
Großteil im heutigen Mali lag. Die Saga ist nicht nur mindestens genauso spannend wie Game of Thrones, sondern hat noch einen weiteren Hintergrund. Es sei ihm daran gelegen, seinen Landsleuten die eigene Geschichte näher zu bringen, so Sidibé. Die Welt sei alt, aber die Zukunft in der Vergangenheit vorbestimmt. Eine 26-minütige Folge von die könige von Ségou ist am 6.12. um 19.30 Uhr im Import Export zu sehen.
Kein Filmfestival ohne richtige Premiere – das gilt auch für KINO
ASYL. So präsentiert Eunice Tulia Binti Mabuka den Film Mein Geliebtes Land (7.12., 21 Uhr, Kino Maxim). Das Besondere: Dieses fünfminütige Dokumentar-Porträt ist das Werk der Kongolesin selbst, die seit neun Monaten in Deutschland lebt.
Ein Spielfilm, der das Leben feiert, obwohl der Tod von der ersten Sekunde an alles bestimmt: Aujourd'hui‘ (7.12., 19 Uhr, Kino Maxim) von Alain Gomis ist die Geschichte der letzten Stunden im Leben von Satché (gespielt vom amerikanischen Poetry Slammer Saul Williams), einem jungen Mann, der aus Amerika nach Hause zurückkommt und der um sein Schicksal weiß. Poetischer und trostreicher kann ein „Memento mori“ nicht sein. Aujourd'hui‘ ist ein weiterer Film, den der Senegalese Lamin Kinteh neben Deweneti präsentiert und empfiehlt.
Gleich an zwei Tagen von Kino Asyl findet jeweils um 10 Uhr eine Matinee statt: Im Vortragssaal der Bibliothek im Gasteig ist am 7.12. die israelische Tragikomödie Mein Herz tanzt zu sehen, in der es laut Regisseur Eran Riklis nicht um Politik geht, sondern darum, wie sie das Leben der Menschen beeinflusst – in seinem Fall das des jungen israelischen Palästinensers Eyad, der mit Köpfchen und großem Herzen alle Hindernisse überwindet – das höchste jedoch steht ihm noch bevor, als er seiner ersten große Liebe begegnet. Am 8.12. gehört der Vortragssaal Sayed Sayedy und Abid Amin, wenn sie Samira Makhmalbafs Fünf Uhr am Nachmittag präsentieren. Die Iranerin erzählt darin den steinigen Weg einer jungen Afghanin, die sich in ihrem Hunger nach Wissen und Bildung von niemanden aufhalten lässt – Ein Wille, der an die Afghanin Shirin-Gol erinnert, die Siba Shakib, ebenfalls iranische Filmemacherin, vor 14 Jahren ergreifend in ihrer Biografie „Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen“ porträtierte. In solch einer prekären Lage befinden sich Millionen Frauen auf der Welt – eine Tatsache, auf die KINO ASYL bei seiner Filmauswahl eindringlich hinweist, nicht zuletzt mit Aminata (9. Dezember, 19 Uhr, Kino Maxim) von Jimmy Bagura. Auch seine Heldin, die 14-jährige Aminata, erduldet unsagbares Leid, ohne ihren Wunsch nach Bildung aufzugeben. Mit diesem Spielfilm aus Sierra Leone endet das Festival der besonderen Art. Seine Wirkung wird es nicht verfehlen
KINO ASYL findet vom 6. Bis 9. Dezember im Import Export, Kino Maxim und dem Vortragssaal der Bibliothek im Gasteig statt.