Kinos in München – Late Night Film Lecture
Wer mitsingt, fliegt raus! |
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»Ein übermütiges Farbfilm-Lustspiel« und andere Raritäten der Filmgeschichte sind ab heute im Münchner Eldorado-Kino zu sehen. Damit es noch mal seinem Namen alle Ehre macht, bevor es schließt. |
Von Dunja Bialas
Die letzten Wochen des Eldorado brechen an.
Wir empfehlen: hingehen, hingehen, hingehen! Denn voraussichtlich im Dezember fällt im Eldorado für immer der Vorhang. Grund ist das immer gleiche Münchner Trauerspiel: die Miete wird zu hoch, das Kino lohnt sich nicht mehr. Es weicht, bitter, bitter, dem Lager eines Drogeriemarktes, der das Traditionshaus Schlieben im Erdgeschoss verdrängen wird. Gut, dass wenigstens Schlecker auch dichtmachen musste.
Leider blieb die artechock-Empfehlung ungehört, das Eldorado als neues OmU-Kino zu etablieren, um aus ihm eine Pilgerstätte für junge Leute wie das einstige untergegangene Atlantis-Kino zu machen. Moment mal, »untergegangenes Atlantis«: Nomen est omen? Das Eldorado hat leider in den letzten Jahren den Gegenbeweis geliefert. Statt ein paradiesischer Ort für cineastische Goldgräber zu sein, wurde die einstmals erhabene Spielstätte zur Filmgruft, in der sich die zunehmend älter werdenden Besucher die schummrige Treppe zu den deutschen Synchronfassungen hinuntermühten.
Aber! In seinen letzten Atemzügen zeigt dieses wunderbare 70er-Jahre-Kino noch einmal cineastische Perlen, und dies in einem ganz besonderem Format: An drei Donnerstagen werden als vergnügliche Late Night Film Lecture ausgefallene Kino-Lektionen erteilt. Organisiert hat die Reihe Ulrich Mannes, artechock-Autor und Herausgeber des auf den deutschen Erotik-Film der 70er Jahre spezialiserten »SigiGötz-Entertainment«.
Den Aufschlag macht am heutigen Donnerstag Konrad Hirsch mit einer Lecture zum Produzenten Boris von Borresholm. Konrad Hirsch ist ein Spezialist des deutschen Films der 70er Jahre, der mit seiner Schamoni Film & Medien GmbH das Erbe der vier Schamoni-Brüder pflegt und zugleich Wahrer einer ganz speziellen Münchner Filmgeschichte ist. Peter Schamoni wiederum widmete sich ab den 90er Jahren um den Erhalt des filmschöpferischen Werks seines Kollegen (und wie er Mitunterzeichner des Oberhausener Manifests) Boris von Borresholm. Dieser produzierte mit seiner in München ansässigen Firma LUX-Film Kurzfilme und Animationen, darunter auch Marionetten (1964), das mit brachialer 60er-Jahre-Ironie den Konflikt zwischen Caesar und Brutus als versiertes Polit-Marionetten-Spiel inszeniert. Hirsch zeigt eine Auswahl der satirischen Trickfilme, die von Borresholm von den 50er bis in die 90er Jahre produziert hat. Eine absolute Rarität, direkt aus dem Archiv des Spezialisten! (Donnerstag, 10.11. 22:30 Uhr)
Weiter geht es eine Woche später mit Christoph Draxtra, Nürnberger Filmafficionado und Mitbegründer des auf den italienischen Genrefilm spezialisierten Terza Visione Festivals. Draxtra spürt dem italienischen Regisseur Riccardo Freda nach, einem Meister des bizarren Genrekinos, das bei ihm niemals zur Rein-, jedoch immer zur Höchstform fand. Horror-, Sandalen- und Vampirfilme zählen zu seinen Lieblingsgenres, und beim populären Italowestern zeigte er sich mit seiner lustvollen Beimischung von Surrealitäten als Bruder im Geiste des Chilenen Alejandro Jodorowsky. Außerdem gilt Freda als Mentor des Giallo-Meisters Mario Bava, den er einige seiner eigenen Filme beenden ließ. Ein filmdurchfluteter Gang durch das Oeuvre des in Deutschland nahezu unbekannten Trivialfilm-Großmeisters. (Donnerstag, 17.11., 22:30 Uhr)
Am letzten Novemberdonnerstag schließlich bringt Ulrich Mannes mit »hinreißend sinnfreie Songsequenzen« noch mal Stimmung in die Abriss-Bude. Seine Lecture zum deutschen Schlagerfilm der 50er und 60er Jahre folgt ganz dem Motto »Tausend Takte Übermut«, wie die entsprechende Retro im Berliner Zeughaus-Kino hieß. Der Schlagerfilm war neben dem Heimatfilm das Erfolgsrezept überhaupt von Papas Kino, das die Oberhausener so leidenschaftlich bekämpften. Mit zahlreichen Filmausschnitten und Schlagern von und mit Peter Alexander, Caterina Valente, Conny Froboess, Rex Gildo und Roy Black. Übrigens: Wer mitsingt, fliegt raus! (Donnerstag, 24.11., 22:30 Uhr)