»Es macht mir unendliches Vergnügen, mit Christoph Waltz zu arbeiten.« |
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Quentin Tarantinos Lieblingsschauspieler Christopher Waltz (l.) | ||
(Foto: Sony Pictures) |
»Schade, dass ich nur einen Tag bleiben kann.« rief Tarantino in den Saal »Ich habe so viele Freunde hier, und hab' gar keine Zeit. Aber ich werde im Sommer wieder kommen und euch alle besuchen!« Am Dienstag vor einer Woche, bei der festlichen Europapremiere seines neuesten Films am Berliner Potsdamer Platz, gab sich Quentin Tarantino nicht nur von seiner charmantesten Seite, man konnte sich auch hautnah überzeugen: Der Regisseur liebt Berlin und er liebt Deutschland. Schon in Inglourious Basterds portraitierte er in seinem unverwechselbaren Stil ja nicht nur die Grausamkeiten der Nazi-Diktatur, Tarantino schuf auch großartige Figuren deutscher Antifaschisten und Widerständler und gab ihnen die glamourösen Gesichter von Diane Krüger und Til Schweiger.
Auch in Django Unchained gibt es wieder einen heldenhaften Deutschen: Christoph Waltz spielt jenen Doktor King Schultz, ein Zahnarzt, der mit der Pistole schneller ist, als mit der Diagnose, ein Kopfgeldjäger, der sich zum Sklavenbefreier mausert. Schultz ist eine Gestalt, wie sie aus einem Karl-May-Roman stammen könnte, und tatsächlich rief er kurz darauf auch noch laut: »Viva Karl May – die besten Spaghetti-Western kommen aus Deutschland.,
Viva Lex Barker und Piere Brice«. Den Namen des Franzosen spricht Tarantino zwar wie »Reis« aus, aber Kleinigkeiten interessieren nur Kleingeister. Dafür war Tarantino trotz des Premierenstress und der Tatsache, dass man ihm sein Alter – er wird im März 50 – allmählich ansieht, bester Laune: In schwarzer Lederjacke mit roter »Kill Bill«-Aufschrift präsentierte er sich – die Arbeit am eigenen Mythos war schon immer ein Teil von Tarantinos Selbstinszenierung. In
Deutschland startet Django Unchained diese Woche, in den USA lief er vor Weihnachten an, spielte schon über 110 Mio Dollar ein, und gilt als heißer Favorit auf die Oscars.
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.
artechock: In Ihrem Film gibt es alle möglichen Referenzen auf Deutschland: Wagner kommt vor, Beethoven, das Nibelungenlied und ein deutscher Held. Und Karl May scheinen Sie auch zu kennen..
Quentin Tarantino: Ja, beim Dreh von Inglourious Basterds war ich schließlich insgesamt ein ganzes Jahr in Berlin. Eine tolle Stadt. ich werde die Zeit nie vergessen. Und da haben mir deutsche Freunde ein paar dieser Karl-May-Filme aus den 60-er Jahren gezeigt, und von Karl-May erzählt, diesem Fantasy-Wild-West, das er erfunden hat. Das finde ich wunderbar – genau so ist ja auch mein Zugang zur Wirklichkeit.
artechock: In Ihrem Film kommt auch das Nibelungenlied vor. Sie mögen deutsches Kulturgut?
Tarantino: Ich mag Marlene Dietrich und Fritz Lang, und ich hatte auch vor dem Film schon etwas von dem Siegfried-Mythos gehört und von Wagner-Opern – zum Beispiel durch Fritz Langs Nibelungen-Filme.
artechock: Mir scheint die Figur des Dr. Schultz die heimliche Hauptfigur Ihres Films zu sein – und mit Christoph Waltz haben Sie offenbar den ultimativen Darsteller für Ihre Figuren und Ihren speziellen Humor gefunden. Liege ich da richtig?
Tarantino: Eine schöne Beschreibung. Ich bewundere ihn, und es macht mir ein unendliches Vergnügen, mit Christoph zu arbeiten. Er ist für einen ästhetischen Trip, wie das jeder Film ist, der beste Reisebegleiter, den man sich vorstellen kann. Zugleich ist er natürlich ein sehr sehr ernsthafter Schauspieler. Er überlässt nichts dem Zufall: Er macht seine Hausaufgaben, er kennt seine Dialogzeilen perfekt – und glauben Sie mir: Es ist nicht immer leicht mit den von mir geschriebenen Dialogen zu arbeiten. Ich habe, während ich das Drehbuch schrieb immer an ihn gedacht, und ich glaube es wird mir in Zukunft sehr schwerfallen, ein Drehbuch zu schreiben, ohne auch an Christoph zu denken.
artechock: Was hat Sie zu Django Unchained inspiriert?
Tarantino: Am Anfang natürlich das Genre des Italo-Western, oder des »Makkaroni-Western«, wie man es in Japan nennt, unter dem das Django-Original natürlich ein Höhepunkt ist. Ich schätze die Filme von Sergio Corbucci noch mehr, als die von Sergio Leone. Und ob Sie es glauben oder nicht: Tatsächlich war für mich auch Richard Wagners Ring-Tetralogie wichtig. Dieses opernhafte Pathos und die mythische Dimension von Wagner wollte ich aufgreifen.
artechock: Ihre Filme werden immer politischer und ernsthafter – zugleich sind es immer noch Filme voller Referenzen und Zitate. Was ist Ihnen wichtiger?
Tarantino: Es stimmt, die Themen sind viel ernsthafter geworden... [Tarantino macht eine lange Pause, und denkt nach] Beide Filme hängen tatsächlich eng zusammen. Für beide Filme habe ich mich gut vorbereitet: Ich habe viele Bücher über das NS-Regime und jetzt die Sklaverei gelesen, und natürlich noch mehr Filme angeguckt, Dokumentarfilme und Spielfilme.
Ich liebe Hommagen gar nicht so sehr, wie manche das von mir glauben. Es ist eher so, dass ich Techniken benutze: In »Kill Bill« habe ich zum Beispiel ein paar Mal Splitscreen-Techniken verwendet, die ich in den Filmen von Brian De Palma gelernt habe – das ist keine Hommage, sondern De Palma ist einfach der beste Thriller-Regisseur des Universums. Ich kann’s nicht besser. Meine Art zu filmen ist wie Kochkunst: Ich experimentiere gern und wandle Rezepte ab, aber manchmal kann man auch nach Rezept kochen.
artechock: In den USA wird der Film gefeiert, aber auch angegriffen, zum Beispiel, weil im Film das »N-Wort« »nigger« dauernd vorkommt...
Tarantino: Ganz ehrlich: Ich verstehe diese Angriffe nicht, und ich akzeptiere sie auch nicht: Wie soll ich einen Film über Rassismus machen, wenn die Rassisten sich nicht rassistisch benehmen dürfen? Es ist doch sonnenklar, wo ich stehe, was in diesem Film die Haltung des Regisseurs ist. »Django Unchained«. Und im Kino ist sowieso alles erlaubt. Heute sind viele Leute zu brav geworden – diese Feigheit macht die Filme nicht besser. Natürlich gibt es viel Schmerzhaftes in dem Film. Ich will ja schockieren. Andererseits: Hätte ich ganz ehrlich und naturalistisch gezeigt, wie es damals auf einer Südstaatenplantage zuging, wäre der Film unerträglich. Das ist viel schlimmer, als was sie im Film sehen.
Davon abgesehen glaube ich unbedingt an das Recht des Publikums zu lachen. Die Tatsache, dass es um ein ernsthaftes Thema geht, bedeutet nicht, dass man nicht lachen darf. Im Gegenteil, in meinen Filmen heißt der Grundsatz: Komödie, Komödie, Komödie! Und dann: Stop! Hier gibt es nichts mehr zu lachen. Oder: Darf ich hier noch lachen? Solche Effekte liebe ich. [Lacht]
artechock: Hollywood verändert sich – für manche ist es längst wieder in der Krise: Die Filme werden immer teurer, von Digitalisierung und 3-D verspricht man sich das Heil. Ihre Filme dagegen sind 2-D und auf Filmmaterial gedreht. Was denken Sie über die neuesten Entwicklungen?
Tarantino: Wenn ich einen digitalen Film voller Computereffekte angucke, fühle ich kein bisschen Neid. Ich möchte so etwas nicht machen. Sich eine digitale Vorführung anzugucken – das ist für mich wie DVD auf großer Leinwand. Schade, dass manche Leute zu unwissend oder zu unsensibel sind, um den Unterschied zu merken.