Italien 2013 · 131 min. · FSK: ab 6 Regie: Giuseppe Tornatore Drehbuch: Giuseppe Tornatore Kamera: Fabio Zamarion Darsteller: Geoffrey Rush, Jim Sturgess, Sylvia Hoeks, Donald Sutherland, Philip Jackson u.a. |
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Überdurchschnittliches Arthouse-Wellness-Kino |
Ein sprechender Name: Virgil Oldman ist ein älterer Herr. Finanziell überaus wohlsituiert arbeitet der 63-jährigen als leitender Angestellter eines Kunstauktionshauses; privat lebt er in anscheinend bewusst und freiwillig gewählter klösterlicher Einsamkeit. Seine Freunde und Gesprächspartner im Geiste sind nicht etwa Menschen aus Fleisch und Blut, sondern die kostbaren Gemälde seiner Privatsammlung, die er vor seinen Mitmenschen allerdings wie manch anderes geheim hält. Aus gutem Grund: Unter den Bildern befinden sich Gemälde von Rafael, Tizian, Dürer und Renoir. Auf Außenstehende wie auf die Kinozuschauer mag er zunächst vor allem exzentrisch wirken. Zu seinen Schrullen gehört etwa eine fetischistische Faszination für Lederhandschuhe. Oldmans Kollektion ist derart umfangreich, dass er für sie eine eigene Sammlung benötigt. Die Handschuhe dienen dazu, das psychologische Hauptmotiv bei der Zeichnung dieses Charakters zu betonen: Die Scheu Oldmans vor direkten Berührungen und noch mehr: Vor dem Berührtwerden.
Wenn eine Figur derart kühl und autistisch gezeichnet wird, liegt es auf der Hand, dass die folgende Handlung vor allem aus emotionalen Lockerungsübungen besteht, darin, ihn seelisch auftauen zu lassen, und das Berührungsverbot aufzuheben. Doch dies ist nur der eine Erzählstrang. Guiseppe Tornatores neuer Film schlägt sich andererseits sehr wohl auf die Seite seiner Hauptfigur, und bleibt ihr treu, als das er ihre Spleens nicht denunziert, sondern mit Respekt und Liebe behandelt. In Oldman verteidigt Tornatore nicht nur das Recht auf Selbstbestimmung, sondern auch Eigenwert, Bedeutung und lebensspendende Kraft des Ästhetischen, in diesem Fall der Malerei.
Cinema Paradiso, sein Welterfolg und Oscargewinner aus dem Jahr 1989 ist für den Italiener Guiseppe Tornatore auch ein Vierteljahrhundert später Fluch und Segen zugleich: Im Gegensatz zu anderen Kollegen kann er Filme mit angemessener Finanzausstattung machen, weltbekannte Stars haben Lust, mit ihm zu drehen. Doch zugleich wird immer wieder Ähnliches erwartet: Sentimentale Nostalgieschnulzen aus dem armen Süden des Nachkriegsitalien, erzählt aus der Perspektive kleiner hellwacher Jungen, die mit großen Knopfaugen auf die Welt blicken. In Malèna (2000) und Baaria (2009) versuchte Tornatore sich an dies Rezept zu halten – und scheiterte überall, außer beim italienischen Publikum. Mit La migliore offerta betritt er neues Terrain.
Die Handlung kommt in Gang, als der reiche Kunstauktionator per Telefon von einer jungen Frau namens Claire kontaktiert wird. Sie stellt sich als junge Erbin heraus, deren Erbschaft Oldman schätzen soll. Direkt kennen lernt er sie nicht – die Frau hält sich immer für ihn unsichtbar hinter einer Wand verborgen, beobachtet ihn aber durchs Schlüsselloch. Gerade diese Distanz fasziniert ihn, scheint sie doch seiner eigenen so sehr zu entsprechen. Irgendwann stellt sich heraus,
dass Claire an Agoraphobie leidet, einer »Raumangst«, die in ihrem Fall dazu führt, dass sie ihre Wohnung nicht verlassen kann.
Dies alles verstärkt noch Oldmans Faszination, und so verliebt er sich in sie – und wir Kinozuschauer wissen, dass die Rätselhafte nicht nur klug und gebildet ist, sondern schön.
In seinen guten Momenten ist The Best Offer ein Psychothriller mit Hitchcockanklängen auch jenseits des Motivs einer psychisch schwer gestörten jungen Frau. In den schwächeren mündet alles wieder in Tornatores Lieblingsmotiv männlicher Bewunderung unerreichbarer und sexuell attraktiver Weiblichkeit. Dies wird in diesem Fall noch durch den Alterunterunterschied der Figuren verstärkt: Die 27-jährige Claire könnte Oldmans Tochter sein, und so wird das Kino hier einmal mehr zum Ort einer eher unsubtil präsentierten Männerphantasie.
Seine Stärken hat der stilistisch gediegene, insgesamt ein wenig altväterliche Film bis zum vorhersehbaren Happy-End in seinem Drehbuch und in der überdurchschnittlich guten Besetzung. Geoffrey Rush spielt die Hauptfigur, Sylvia Hoeks das obskure Objekt der Begierde, Jim Sturgess Oldmans Helferlein und Donald Sutherland einen Kollegen, mit dem Oldman auch gelegentliche illegale Deals verabredet. Sie zusammen heben diesen Film über den Durchschnitt des üblichen Arthouse-Wellness-Kinos. Dem gehört der Film trotzdem an, dafür ist er filmisch zu gediegen und konservativ. Die eigene Filmsprache Tornatores bestand schon immer in der Konstruktion von Gefühl durch Rührseligkeit, Sentimentalität und kontrollierte Pathoseinsätze. Dies ist kein Autorenkino, allenfalls noch zum italienischen 50er Jahre-Kino lassen sich Verbindungen erkennen, sondern ästhetisch weit mehr am klassischen Hollywood-Melo orientiert, aufgepeppt mit den Mitteln der 90er Jahre.
Bezeichnend für eine – bei allen Schauwerten – gewisse innere Leere des Films ist auch die Ortlosigkeit der Handlung. Dass die Stadt, ja das Land, in dem dies alles spielt, namenlos bleibt – gedreht wurde vor allem in Triest –, könnte auch bewusster Verfremdungseffekt sein, mit dem eine Geschichte und ihre Figuren – wie etwa in Werner Schroeters letztem Film Diese Nacht nach Onetti – ins Universale gehoben wird. Hier markiert es eher eine gewisse Ratlosigkeit des Regisseurs, der seinen gewohnten Schauplatz Süditalien hier einmal verlassen hat.
Als Portrait der Kunstammlerszene mit ihrer eigenwilligen Verbindung aus feingeistigem, hochgebildetem Kunstsinn und gröbstem Kapitalismus – ob Gemälde oder Schlachtvieh macht für die Anarchie der Auktionen, bei denen nur die »best offer« siegt, keinen Unterschied – funktioniert der Film gut. Auch nimmt man Tornmatore jederzeit die Meditation über die lebensspendende Kraft der Kunst ab, wie die Überzeugung, dass man Kunstwerke nicht weniger lieben kann, als Menschen aus Fleisch und Blut.
So ganz entkommt Tornatore dem Schatten seines berühmtesten Films aber auch nicht in diesem Fall: Ennio Morricone komponierte den Soundtrack und am Ende tischt einem der Film ein paar schlichte, sehr billige, sehr brave Merksätze auf, die man als »Lebensweisheit« nehmen soll. So gelingt Guiseppe Tornatore mit The Best Offer jetzt ein elegisches Filmmärchen für Erwachsene, Wohlfühlkino für das Bildungsbürgertum und eine Ode an die Macht der Kunst wie die der Liebe, uns zu erschüttern und große Gefühle zu wecken.