USA 1984/99 · 95 min. Regie: Joel Coen Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen Kamera: Barry Sonnenfeld Darsteller: John Getz, Frances McDormand, Dan Hedaya, M. Emmet Walsh, Samm-Art Williams u.a. |
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Ist dies alles, was übrig bleibt? |
Eine Geschichte der Mißverständnisse, von betrogenen Betrügern und der Tücke des Objekts. Dabei steht am Anfang so etwas wie die reine Liebe. Ray (John Getz), der Barmann, fängt ein Verhältnis mit Abby (Frances McDormand) an. Die ist die Frau seines Chefs, und das ist der Grund, warum diese Liebe nicht lange rein bleibt. Ein schrecklicher Gewitterregen prasselt auf das Paar hernieder, unheilschwanger, und am Morgen nach der gemeinsamen Nacht im Motel klingelt das Telefon. Nur ein lautes Atmen ist zu hören, aber beide wissen sofort: Julian (Dan Hedaya) ist dran, Abbys Ehemann.
Nun nimmt eine Geschichte ihren Lauf, wie man sie in ihren ständig neuen Wendungen, falschen Informationen der Zuschauer, ihrer verwirrenden Steigerung und ständigen Spannungszunahme nur ganz selten und nur von den ganz Großen im Kino zu sehen bekommt. Andere könnten sich einen solchen Plot gar nicht leisten: Der eifersüchtige Gatte heuert einen Privatdetektiv »Spezialität Scheidungsfragen« – als Killer an, um den Ehebruch blutig zu rächen. Der geht den vermeintlich leichteren Weg, und tötet seinen Auftraggeber. Ray findet die Leiche, und im Glauben, seine Geliebte sei die Mörderinwill sie beseitigen. Auf dem Weg zu einem sicheren Versteck merkt er: der Corpus ist noch allzu lebendig. Daraufhin vollendet er die Tat. Nur bei Hitchcock ist im Kino je einer so schwer gestorben wie hier. Seine nichtsahnende Geliebte kommt dahinter, und gibt Ray die Schuld. Und dann ist da noch jener Killer, der glaubt, das Paar sei eigentlich ihm auf der Spur...
Blood Simple, der neue Film der genialen Regie-Brüder Joel und Ethan Coen (Miller´s crossing, Barton Fink) ist zugleich ihr allererster. Gedreht bereits 1984, war er ein Jahr später in deutschen Kinos zu sehen. Der jetzige »Directors Cut«
unterscheidet sich kaum von der Vorlage, unwesentlich gestrafft ist er noch vier Minuten kürzer geworden. Das meisterliche Debüt legte den Grundstein zur Welt-Karriere der Coens, die heute neben Scorsese, Lynch und Tarantino die führenden Unabhängigen der USA sind. Mit einem Minimum an Aufwand erzählen sie eine Geschichte, die in ihrer Mischung aus Thriller-Spannung und bizarr-absurdem, tiefschwarzem Humor an ihren Oscar-Erfolg Fargo erinnert. Wie dieser ist Blood Simple – ein Film der Gewalt, der Angst und der Verwirrung – auch ein Heimatfilm, der, in Texas angesiedelt, ein Stück Amerika mit seinen Mythen aufs Korn nimmt. Alles, was zunächst vertraut scheint, wird hier gebrochen. Zum Schluß weiß man nur, dass man sich auf kaum etwas noch verlassen kann.
Schon in ihrem ersten Filmen
spielen die Coens souverän mit den Regeln des Kinos und deren Verletzung. Indem sie die Perspektive des Zuschauers verwirren, erweitern sie sie. Es gibt zwei, drei Szenen in diesem Film, die man nie wieder vergißt. Und vielleicht hat keiner mehr von Blood Simple gelernt als David Lynch. Manchmal sieht man diesen Film, und hat ein deja vue aus dessen späteren, nicht weniger bizarren Heimatfilmen.
Am Ende des Albtraums bleibt wenig übrig, aber vielleichtdas fragt der Film – ist dies alles, was übrig bleiben kann: Verwirrte Alltagsmenschen und eine Freiheit, die nur ein anderes Wort ist für eine Barbarei, die sich selbst nicht versteht. Blutig einfach.