USA 2015 · 91 min. · FSK: ab 16 Regie: Rob Cohen Drehbuch: Barbara Curry Kamera: Dave McFarland Darsteller: Jennifer Lopez, Ryan Guzman, Ian Nelson, John Corbett, Kristin Chenoweth u.a. |
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Überraschungsfreie Genresituationen |
Eigentlich sind alle Zutaten für ein waschechtes Edeltrash-Vergnügen vorhanden. Gelackte Bilder einer künstlichen Vorstadtwelt, attraktive Hauptdarsteller, deren Reize überdeutlich in Szene gesetzt werden, eine reißerische Geschichte und fragwürdige Dialoge. Allein die Macher des Stalking-Thrillers The Boy Next Door haben nicht den Mut, die Grenzen des guten Geschmacks konsequent zu überschreiten. Parodie-Möglichkeiten bieten sich immer wieder an, werden aber leichtfertig verschenkt, da Regie und Drehbuch den ganzen Nonsens dann doch zu ernst nehmen.
Bestes Beispiel hierfür ist die Zeichnung des 19-jährigen Psycho-Schönlings Noah (Ryan Guzman), der die in Trennung lebende Mittvierzigerin Claire (Jennifer Lopez, gleichzeitig Mitproduzentin) nach einer gemeinsamen Liebesnacht terrorisiert und sich als Held einer griechischen Tragödie zu begreifen scheint. Wiederholt rezitiert er aus Homers „Ilias“, bezirzt auf diese Weise seine Nachbarin, eine Literaturlehrerin, und nutzt das Epos später, um Drohungen auszusprechen, die einen Vorgeschmack auf kommendes Unheil geben. Der Zorn des Achilles greift um sich und soll die reichlich abgedroschene Handlung in ein ambitioniertes Gewand hüllen, bewirkt letztlich aber nur das Gegenteil: Die Unbeholfenheit des Geschehens kommt umso mehr zum Vorschein. In den meisten Fällen wirken die Anspielungen schlichtweg lächerlich und lassen den vermeintlich abgründigen Stalker wie eine billige Kunstfigur erscheinen.
Nicht besser steht es um die verfolgte Protagonistin, die – so verrät uns das Presseheft – von Drehbuchautorin Barbara Curry als starke, moderne Frau konzipiert wurde. Im fertigen Film ist davon allerdings nur wenig zu spüren. Allzu deutlich unterstreicht schon die formelhafte Exposition, dass die betrogene Ehefrau mit ihrem neuen Single-Dasein hadert und ihrem untreuen Gatten am liebsten eine zweite Chance einräumen möchte. Mehr noch: Lässt Noah sein wahres Ich schließlich hervorbrechen, begibt sich Claire erst einmal bereitwillig in die Rolle des scheuen Opfers, obwohl sich mehrfach Möglichkeiten zum Gegensteuern auftun. Die selbstbewusst angedachte Hauptfigur schrumpft so zum passiven weiblichen Objekt der Begierde, das im Thriller-Genre noch immer fest verankert ist. Ironischerweise hebt der Film sogar ganz explizit auf diesen Status ab, wenn Noahs kränklicher Großonkel anfangs betont, dass der junge Mann ein Händchen für kaputte Sachen habe. Gemeint ist hier natürlich nicht nur das defekte Garagentor, sondern auch die nach Halt suchende Highschool-Lehrerin.
Platte, doppeldeutige Äußerungen wie diese finden sich in den Dialogen zuhauf und bieten durchaus ein wenig Unterhaltungspotenzial. Entfalten kann es sich allerdings nur bedingt, da The Boy Next Door einfach zu viele Ärgernisse bereithält: Klischeehafte Genre-Situationen werden recht überraschungsfrei abgehakt. Das Handeln der Figuren ist häufig himmelschreiend dämlich. Zum Ende hin schaltet der Film eher unmotiviert in den Splatter-Modus. Und Rob Cohens Inszenierung fällt, wohlwollend formuliert, höchstens routiniert aus. Immerhin setzt der Hollywood-Veteran zumeist auf Offensichtlichkeit. Bemerkenswert ist auch, dass der Regisseur den nach wie vor makellosen Körper seiner Hauptdarstellerin – Jennifer Lopez feiert nach zweijähriger Leinwandpause ihr Kino-Comeback – bei jeder Gelegenheit prominent zur Geltung bringt, die erotischen Szenen aber bieder und peinlich aussehen lässt.
Um The Boy Next Door richtig einordnen zu können, reicht im Grunde schon ein kurzer Blick auf den 80er-Jahre-Klassiker Eine verhängnisvolle Affäre, der den Machern gewiss als Vorbild diente. Im Vergleich wirkt der spannungsgeladene Reißer mit Michael Douglas und Glenn Close wie ein hochkomplexes, subtiles Psychodrama. Was wohl genug über die „Qualitäten“ des Lopez-Vehikels aussagt.