USA 1997 · 150 min. · FSK: ab 12 Regie: Robert Zemeckis Drehbuch: Carl Sagan, Ann Druyan, Michael Goldenberg Kamera: Don Burgess Darsteller: Jodie Foster, Matthew McConaughey, James Woods, John Hurt u.a. |
Populärwissenschaft heißt wie sie heißt, weil es sich eben nicht um richtige Wissenschaft handelt. Pseudowissenschaftlich und quasidokumentarisch ist auch Contact – er sieht sich an, wie sich der Readers Digest liest. Klar, wir haben es eigentlich schon lange gewußt: Wir sind nicht allein. Die Aliens sind unter uns, Roswell ist überall – diese simple Botschaft ist das eine, was Contact verkünden will. Das andere: Glauben ist besser als wissen.
Der Auftakt von Contact ist ein psychedelisches Vorspiel mit Bildern des Sonnensytems und Erd-Geräuschen. Die Planeten wirbeln, Farben hallen, und die Frequenzen laufen zusammen. In den Kommunikationssystemen überlagern sich die Klänge von Dean Martins Song »Volaré«, das Bellen von Hitler-Reden, die Rücktrittserklärung Richard Nixons und Ansprachen Martin Luther Kings. Dieser Beginn soll uns – Aufgepaßt liebe Kinder!! – zeigen, wie klein
wir sind im Verhältnis zum Universum.
Als wir das begriffen haben, darf die Geschichte richtig anfangen, mit der jungen (und kleinen) Ellie Arroway (Jodie Foster) die mit ihrem Vater am Kurzwellen-Radio sitzt. Schon die kleine Ellie grübelt nach über außerirdisches Leben (Aliens und ihre verstorbene Mutter, die natürlich im Himmel sitzt), und so haben wir die psychologische Erklärung für ihren weiteren Weg als Wissenschaftlerin auch gleich zur Hand: Aliensuche als
Muttersuche.
Ellie wird eine brillante Astronomin, die zugleich erfüllt ist vom Grundvertrauen in eine Existenz out there. Das ist der große Nachteil. Denn Miss Ellie ist dermaßen selbstgewiß und von der Existenz der Außerirdischen im Grunde ihres Herzens so tief überzeugt, daß sie von den Signalen, die sie aus dem All empfängt, niemals wirklich überrrascht ist. So vermittelt sie uns keine Ahnung von der Großartigkeit ihrer Entdeckungen. Sehnsüchtig denken wir -dieser großen
Darstellerin durchaus wohlgewogen- zurück an jene Agentin Clarice Sterling, die mit groß aufgerissenen Augen, neugierig und entsetzt im Schweigen der Lämmer eine ihr ganz unbekannte Welt entdeckte. Clarice war die Stellvertreterin der Zuschauer. Ellie agiert wie eine Scientology-Anhängerin, autistisch, selbstgewiß und arrogant ob der Torheit der Regierenden.
Der Psycho-Subtext, um den es hier geht, ist ein klassischer: Nicht Mütter, sondern wieder mal Vätersuche. So wie schon James Stewart in Capra-Filmen immer wieder die nicht vorhandene Liebe des Vater-Staat und Vater-US-Gesellschaft einfordert, und viele Frauen in vielen Filmen in vielen Männern immer auf der Suche nach dem verlorenen Papa sind, so sucht auch Ellie, ob in den Wissenschaftlerkollegen, Regierungsbeamten, oder schließlich im Priester (was sonst) Joss Palmer
(Matthew McConaughey). Die Hauptfigur kämpft dann im Folgenden gegen ungläubige und skeptische Reaktionen, gegen die Eigendynamik der Medien. Im Schlepptau hat sie den Priester.
Gegen Ende begibt sie sich auf eine bizarre Reise, kehrt wieder, und ist dann, wird uns suggeriert, durch die Begegnung mit dem ganz-Anderen verändert und selbst eine Andere geworden. Grenzerfahrung erst macht offenbar fähig, auf der Erde zu leben. Ein derartiges Bemühen um Sinn und Sinnstiftung ist
heutzutage in Mainstream-Hollywood-Filmen selten geworden.
Mainstream ist Contact trotzdem, und zwar viel mehr, als seine Macher wahrhaben möchten. Denn Contact ist ein durch und durch naiver Film, der aber kein Märchen erzählt, sondern einen Realitätsanspruch hat, allen abstrusen Fakten des Plots zum Trotz. Das ist noch kein Argument gegen den Film – er könnte dennoch gut, spannend, unterhaltsam sein. Er ist das aber nicht, weil
er sich selbst ernst nimmt, im Predigergestus daherkommt. Grandios ist die Humorlosigkeit dieser 147 Kinominuten.
Das Auftauchen des sich selbst spielenden Bill Clintons wird dann zum unfreiwilligen Beispiel des Brechtschen Verfremdungseffekts: wir werden auf unsere Realität als Filmzuschauer, die im Kino sitzen, zurückgeworfen, und lachen gemeinsam über die plumpen Tricks des Regisseurs. Denn im Kino können Bill Pullmann oder sogar Jack Nicholson den Präsidenten spielen, Bill Clinton ist zu unglaubwürdig.
Es fällt schwer, aus dem Kino zu kommen, und sich nicht zu fühlen wie der von
James Wood gespielte Sicherheitsberater: ein augenrollender, hämisch grinsender, schnaufender Zyniker.
Denn obwohl er gute Momente hat, nervt der Film mit der Betonung seiner eigenen Bedeutung, mit seiner Schwere und Gedankenfülle und langweilt durch seine überladene Anstrengung.
Und so wird der Erfolg oder Mißerfolg dieses Filmes in hiesigen Landen (mehr als jedes Schwarzenegger-Epos) vor allem eines zeigen: wieweit die Amerikanisierung des europäischen
Publikumsgeschmacks bereits fortgeschritten ist.