Dunkelblaufastschwarz

Azuloscurocasinegro

Spanien 2006 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Daniel Sánchez Arévalo
Drehbuch:
Kamera: Juan Carlos Gómez
Darsteller: Quim Gutiérrez, Marta Etura, Raúl Arévalo, Antonio de la Torre, Héctor Colomé u.a.
Alles in der Schwebe bei den Endzwanzigern

Charme der Unentschlossenheit

Gene­ra­tion X in Madrid. Dunkel­blau­fast­schwarz ist das Debüt von Daniel Sánchez Arévalo, der in Spanien als Autor von TV-Filmen bekannt wurde, eine beein­dru­ckend dicht insze­nierte Liebes­ge­schichte, typisch spanisch in Virtuo­sität und Einfalls­reichtum seiner Insze­nie­rung, und in Stil wie Atmo­s­phäre, in der Mischung zwischen Komödie und Tragik an die Melo­dramen seines Lands­manns Almodóvar erinnernd. Zugleich wirkt der Film gelas­sener, etwas weniger überdreht.

Sánchez erzählt vom Erwach­sen­werden, von verwirk­lichten und unver­wirk­lichten Leben­sträumen. Die Story dreht sich um ein paar Spät­zwan­ziger. Ihr größtes Problem ist die Schwie­rig­keit, sich zwischen verschie­denen Lebens­ent­würfen zu entscheiden, und damit auch zwischen Freiheit und Sicher­heit, Loyalität gegenüber den Eltern und Tradition oder Unab­hän­gig­keit zu wählen. Philo­so­phisch-exis­ten­ti­elle Fragen, aber humorvoll und leicht erzählt. Im Zentrum steht Jorge, ein junger Mann, der sein Wirt­schafts­stu­dium abge­schlossen hat, aber einst­weilen keinen Job findet, und als Pförtner in einem Madrider Wohnblock jobbt. »Dunkel­blau, fast schwarz« ist die Farbe der Anzüge, die Jorge gerne tragen würde. Doch es ist auch die Farbe seines derzei­tigen Gemüts­zu­standes, denn Jorge fühlt sich schuldig an der Krankheit seines Vaters. Bei einem heftigen Streit über Jorges Zukunfts­pläne traf ihn der Schlag, jetzt ist er ein Pfle­ge­fall. Auch sonst hat es Jorge mit seiner Familie nicht leicht. Sein Bruder ist ein Tunichtgut, der gerade im Gefängnis sitzt, es aufs väter­liche Erbe abgesehen hat und Jorge um einen außer­ge­wöhn­li­chen Gefallen bittet. Weil er zeugungs­un­fähig ist, soll Jorge seine Freundin Paula schwän­gern – denn diese wünscht sich ein Kind. Nach einigen Zögern tut ihm Jorge den Gefallen – aber natürlich bleibt das auch für ihn nicht ohne Folgen. Zudem gibt es da noch Jorges Kind­heits­freundin, das scheu verehrte Nach­bars­mäd­chen Natalia, und seinen besten Freund Israel, der sich nicht traut, seinen Eltern zu beichten, dass er schwul ist.

Mag sich diese Konstel­la­tion auch konstru­iert lesen, im Kino ist sie sehr schlüssig und unter­haltsam, zudem von einer hoch­e­le­ganten Kamera in schöne, stil­be­wußte, schil­lernde Bilder gefasst. Ein Panorama des Lebens in seinen unter­schied­li­chen Facetten, unsen­ti­mental, suggestiv und klug. Die katho­li­sche Reli­gio­sität mit ihrer spezi­ellen Variante des Schuld­kom­plex spielt in dieser comédie humaine genau so eine Rolle, wie tradi­tio­nelle Männ­lich­keits­ideale und die Vor- und Nachteile der Unent­schlos­sen­heit.