Frankreich 1998 · 111 min. · FSK: ab 6 Regie: Oliver Assayas Drehbuch: Oliver Assayas Kamera: Denis Lenoir Darsteller: Matthieu Amalric, Vigginie Ledoyen, François Cluzet, Jeanne Balibar u.a. |
Ein französischer Film, einer der Filme, wie wir sie kennen, aus der neuen Generation, ganz im Erbe von Eric Rohmer. Ein Plauderfilm, in dem es um Freundschaft und Liebe geht. Eine Gruppe nicht mehr ganz junger, literarischer Menschen, ihre Beziehungen und Nicht-mehr-Beziehungen zueinander. Die alte Suche nach dem Glück, in die hinein der Tod des befreundeten Schriftstellers Adrien platzt. Der Film wird nachdenklich – fast schon rührselig, es ist eine Vorahnung an ein erwachsenes Leben und an das was kommen wird, aber das Ausleben der Trauer ist noch ganz kindlich, ungezähmt.
Schön ist es, in Gabriel, dem Freund des Schriftstellers, Mathieu Amalric wiederzusehen, den vertäumt-trotteligen shooting-star des Neuen französischen Kinos, dem die Rolle des Frauenlieblings zukommt. Wer möchte sich nicht seinem sanften Blick fügen, in seinen unordentlichen Haaren wuscheln? Dennoch: Er hat in so vielen Filmen mitgespielt, sie tragen alle sein Gesicht, und sie auseinanderzuhalten, ist unmöglich. Sie sind in Vergessenheit geraten.
Das Gesicht von
Amairic jedoch ist zum Markenzeichen einer ganz bestimmten Filmtonalität, vielleicht sogar einer Filmgeneration geworden: die Erzählungen vom Leben junger Menschen, von ihren Schwierigkeit, ihrem Zögern und Verweigerung, ein erwachsenes, bürgerliches Leben zu beginnen, immer noch ado(leszent), Joint-rauchend und in Geldproblemen, weil man keine Lust hat, jeden Tag zu arbeiten. Auch hier, in Ende August, Anfang September, spielt sich das Leben vor
allem in der Clique ab, stille Veränderungen werden registriert, die Zeit macht sich bemerkbar durch die auseinandergehenden und sich schließenden Beziehungen. Und nie steht hinter dem ganzen die Endgültigkeit, immer trägt es ein Zeichen des »Jetzt ist es so – aber wer weiß wie lange das andauern wird?«
In dieses ewige Zusammenschustern eines möglichen Lebens platzt der Tod von Adrien. Die Strukturen beginnen sich zu festigen, aber nicht aus Angst vor der Vergänglichkeit des Lebens, sondern weil die Trauer die Clique zusammengeschweißt hat, weil die Sorglosigkeit der Ernsthaftigkeit gewichen ist. Der Mut ist da, die Dinge zu sagen, wie man sie meint, große Gesten zu machen, die echte Handlungen sind. Gabriel wird die Geschichte von Adrien niederschreiben, seine Zuneigung zu einer Fünfzehnjährigen, die seine Liebe war.
Grandios sind die Bilder, die der Film findet: ganz konventionelle, ruhige, geordnete, »normale« Bilder, so wie die Figuren immer wieder aufs neue aufeinander zukommen, Kontakt aufnehmen, die Gespräche Klärung verschaffen wollen. Und dann: das hereinbrechende Chaos, die blindgewordene Kamera, die Auflösung der Wirklichkeit zu verschwommenen Farbformen und Lichtpunkten. Dort, wo die Kamera nichts mehr sieht, wo sie nichts mehr einfängt, wo sie in freie Bewegung kommt: dort ist das reine Gefühl des Losgelassenseins, des Unkontrollierbaren.
Ende August, Anfang September: das ist der Moment der Schwelle, den die Freundesclique überschreitet. Nicht mehr ganz im Sommer, aber noch nicht im Herbst, nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht erwachsen. Unentschieden dazwischen, mit einer Ahnung an das, was kommen wird. Und mit dem Willen, es zu akzeptieren.