USA 1997 · 95 min. · FSK: ab 12 Regie: Paul Anderson Drehbuch: Philip Eisner Kamera: Adrian Biddle Darsteller: Sam Neill, Laurence Fishburne, Kathleen Quinlan, Joely Richardson u.a. |
Östlich der Sonne und westlich des Mondes liegt das Schloß der bösen Königin. Wer auszieht, um den verwunschenen Prinzen zu retten, muß allerlei Gefahren trotzen. Sind diese allerdings bestanden, leben Prinz und Prinzessin glücklich und, wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Zwar handelt es sich hier um ein schwedisches Märchen, doch sind gewisse Grundelemente durchaus wiederzufinden in dem modernen SciFi/Horror Epos Event Horizon. Das Unbekannte liegt jenseits des Kartografierten, jenseits der abgesteckten Grenzen der erschlossenen Zivilisation. Dieser Raum des nicht oder noch nicht Vermessenen ist zunächst angstbesetzt.
Ob ein schwarzes Loch das Raumschiff Event Horizon tatsächlich an einen Ort östlich der Sonne und westlich des Mondes gebracht hat, ist ungewiß. Sieben ganze Jahre jedenfalls war es verschollen, bevor es wieder auftaucht am Rande des Universums. Ein Rettungsteam unter Leitung von Captain Miller (Laurence Fishburn) macht sich auf den Weg hart an die Grenzen zum Unerforschten. Assistiert wird der Mannschaft von Dr. Weir (Sam Neil), der das Schiff erbaut hat und dem zum telling name nur das D am Ende fehlt. Weird, seltsam also, ist vor allem die Tatsache, daß sich der Physiker in bester Tradition der mad scientists ganz und gar zuhause fühlt auf der Event Horizon. Ein Gefühl, daß wohl keines der übrigen Crew-Mitglieder so recht nachzuvollziehen vermag. Die Event Horizon nämlich hat sich in eine Art Vorhölle verwandelt, blutbesudelt, ein Nährboden für schlimmste Alpträume.
Event Horizon bedient sich in seinen Bildern bei Alien, Flatliners, The Thing, Hellraiser und anderen Zelluloidreisen in geografische und geistige Grenzbereiche. Eine einfallslose Kopie also? Keineswegs. Die Zitatflut sattsam bekannter Bilder hat System.
»The map is not the territory« lautet ein mehr oder weniger Imperialismus-kritisches Credo. Die Grenzlinien auf der Landkarte, das Ordnungssystem also, ist nicht identisch mit dem was es zu ordnen gilt. Was auch nicht notwendig ist, denn ein Ordnungssystem soll nichts anderes als Beruhigung verschaffen und Identitäten stabilisieren.
Die Bilder zur Erschließung des Nichts müssen sich notgedrungen aus dem bekannten Repertoire rekrutieren. »Hell is just a word« stellt Dr. Weir zwar richtig fest, aber das Bildsystem Hölle scheint der einzige Referenzrahmen zu sein, der noch zur Verfügung steht. Horizont bedeutet Grenzlinie, auch Gesichtskreis. Die Illustration des Jenseitigen funktioniert nur über die Bildsprache des Diesseits.
Frontier nennen die Amerikaner jene Grenzlinie zwischen Zivilisation und Wildnis, die den Pioneer auf die letzte Bewährungsprobe stellt. Der Gründungsmythos vom Wilden Westen allerdings verspricht Erneuerung. So konnte noch John F. Kennedy von der New Frontier des Weltraums sprechen und damit nichts als Euphorie auslösen.
Diese scheint mittlerweile verflogen zu sein. Event Horizon beweist auf schaurig-eindringliche Weise, daß jenseits der Grenze nur mehr das Grauen vorstellbar ist. Der Versuch der Erforschung, Urbarmachung, schließlich der Kartografierung, wird gar nicht erst angestrebt.
Flucht ist die einzige Option. Falls man überlebt.
Darum nämlich geht es vor allem. Allen intellektuell-verkopften Interpretationen zum Trotz. Event Horizon ist ein Film in bester Genretradition. Spannend, unheimlich, unterhaltsam. Und für alle, die sich die ersten cineastischen Sporen mit den Jack Arnold Filmen der Fünfziger verdient haben oder im John Carpenter Doublefeature, damals als das Cinema am Stiegelmaierplatz noch Programmkino war.