Großbritannien 1997 · 101 min. · FSK: ab 6 Regie: Ian Softley Drehbuchvorlage: Henry James Drehbuch: Hossein Amini Kamera: Eduardo Serra Darsteller: Helena Bonham Carter, Linus Roache, Alison Elliott, Charlotte Rampling u.a. |
Die Dinosaurier kehren zurück. Godzilla läßt sich wieder sehen, Star Wars wird fortgesetzt, und auch das 19.Jahrhundert ist einfach nicht totzukriegen. Irgendwie war die Klassengesellschaft halt doch geil, mit ihren vielen Dienstboten, mit Pferdchenkutschen und Glaspalästen, und Venedig war viel sauberer als heute, und ganz japanerfrei.
Henry James Novelle The Wings of the dove, die diesem Film zugrundeliegt, erschien 1902, Regisseur Ian Softley versetzt sie aus unerfindlichen Gründen ins Jahr 1910, aber so oder so funktioniert noch alles ganz nach dem Muster der »guten alten Zeit«. Geld ist das Maß der Dinge, und darum schaut die Zukunft für Kate (Helena Bonham-Carter, einfach saugut) nicht gerade blendend aus. Denn die hat außer ihrem guten Namen nur noch einen opiumsüchtigen Penner zum Vater und eine ehrgeizige Tante (Charlotte Rampling, deren alterbedingte Verkniffenheit hier einmal dramaturgischen Sinn erhält), die ihr Lebensziel darin sieht, für Kate eine »gute Partie« zu organisieren. Zu allem Überfluß trifft sich die intelligente, selbstbewußte Kate auch noch in verdreckten Hotelzimmern mit dem sozialistischen Journalisten Merton Densher, wahrscheinlich nur zu gemeinsamer Marx-Lektüre.
Dieser Plot ist interessant. Nicht, weil es hier zum X-ten Mal um die Emanzipation einer Frau usf. gegen die Zwänge ihrer Zeit blabla geht (was ja auch nicht weiter schlimm wäre), sondern, weil Henry James nicht Hedwig Courths-Mahler war. Hinter der Maske des Herz-Schmerz erzählt er von der Kommerzialisierung der Gefühle in einer Gesellschaft, in der Kapital und »Stellung« alles sind, und zeigt wie Geld den Charakter verdirbt. Denn obwohl Kate Densher liebt, versucht sie dessen Heirat mit einer todkranken aber reichen Freundin zu organisieren, um Densher in einen reichen und daher heiratsfähigen Witwer zu verwandeln.
Leider aber ist Ian Softley nomen est omen- der legitime Enkel von »Courths-Malheur«, und wandelt nach starkem Anfang den harten Realismus der Story in ein »Geld oder Liebe«-Lehrstück. Kate wird von Softley moralisch abgewatscht, wo sie James voller Mitleid in auswegloser Lage zeigt, in der sie nur falsch handeln kann. Und diese subtile Veränderung des Stoffes lehrt uns, daß wir heute vielleicht in verlogeneren Verhältnissen leben, als vor 100 Jahren, wo zwar unser Charakter
verdorben war, aber die Umstände ehrlich.
Edward Sheamours Klimperklamper-Musik tut den Rest dazu, aus der zweiten Hälfte des Films ein unerträgliches, vorhersehbares Melodram zu machen, das man sich nur deshalb anschauen sollte, weil die allerletzte Szene zwar unrealistisch, aber von derart deprimierender Stärke ist, daß sie uns fast für alle Längen der vorherigen halben Stunde entschädigt. Mehr wird nicht verraten.