Deutschland 2023 · 101 min. · FSK: ab 12 Regie: Sobo Swobodnik Drehbuch: Margarita Breitkreiz, Sobo Swobodnik Kamera: Sobo Swobodnik Schnitt: Manuel Stettner, Julia Milz Darsteller: Margarita Breitkreiz, Daniel Zillmann, Artemis Chalkidou u.a. |
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Auf dem T-Shirt steht übrigens »KINO« | ||
(Foto: Filmgalerie 451) |
»Wer ist der Beste, um den Widerstand der Dinge zu übersteigen, die Unbeweglichkeit der Natur? Wer ist der Beste, um die Welt zu bearbeiten, sie den Menschen allen Menschen zu geben?
Das ist es, was der Sport zu sagen hat.
Manchmal möchte man ihn andere Dinge sagen lassen. Aber dafür ist der Sport nicht gemacht.«
– Roland Barthes, »Der Sport und die Menschen«
Virtuos fängt der Film an: Mit einem Boxkampf der Hauptfigur gegen sich selbst, dazu ein Monolog – »Das Ich ist eine andere. Eine, die im Kampf Erfüllung findet, eine, die sich im Angriff der Verteidigung verschreibt. Das Ich ist auf der Suche nach dem, was in einem selbst als Geheimnis verborgen scheint.« Vielleicht ist dies ja schon das ästhetische Konzept des Films? Ziemlich militant das alles. Machismo pur. Wie schön, dass so etwas mal von einer Frau kommt! Boxen, kämpfen..., das haben schließlich Brecht und Hemingway und Barthes und viele andere auch schon gemacht und gepriesen; es ist nicht nur deswegen erlaubt. Etwas antiquiert vielleicht, aber besser als krampfhaft originell werden.
Dann Schnitt und Musik von Maike Rosa Vogel, ein Song, der frech und wild ist, in dem es unter anderem heißt: »Ich wollte singen, wollte frei sein, wollte fühlen, wollte kämpfen, im Club der tollen Menschen nicht nur Wasserträger sein. Ich bin ein Abbild Eurer Sehnsucht, aber ich fühle mich nicht da. Ich habe einen Teil von mir verraten, damit ich mitspielen darf.«
Dazu ein Gang über den Potsdamer Platz, der nach wie vor eine Wüste ist, doch nun nicht mehr die kreative Wüste der Vor-Mauerfall-Zeit der 80er, sondern die Architekturwüste einer gescheiterten Stadt.
Virtuos das alles.
Dieser Film spielt heute, aber er beamt uns atmosphärisch zurück in diese Übergangszeit der Achtziger und Neunziger, als Berlin hip und wild war und nicht das Paradies für die Spießer der Bionade-Bohème.
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Es gibt für alles einen Preis. Und dieser Film bilanziert den Preis, den wir alle zahlen, jeden Tag, für Sicherheit, Bürgerlichkeit, Moralismus, Verfassungsschutz. Er besteht unter anderem im Verzicht auf Utopien. Nichts könnte noch anders sein. Oder?
Dies ist auch der Preis, den das deutsche Kino in diesen Jahren ganz teuer bezahlt mit seiner durchgeförderten perfekten Langeweile, die noch nicht mal zu einer langweiligen Perfektion führt, sondern nur zu schalem »guten Durchschnitt«. Dann in jedem Fall besser unperfekt.
Nichts ist perfekt an »Geschlechterkampf«. Der Film macht Fehler und nervt, aber er empört die Richtigen. Die Sachwalterinnen des neuesten Filmerbes, die Gruppen wie die Regisseure der »Berliner Schule« und Einzelkämpferinnen wie die leider viel zu früh verstorbene Tatjana Turanskyj, die selbst mal neu waren, es aber nun mal leider nicht mehr sind, heute nun gegen alles jetzige Neue ausspielen, das seinen Kopf zur Tür raus streckt.
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Die Form ist rauh. Leidenschaftlich. Bei aller Fiktion und Handlung wird vor allem dokumentarisch und essayistisch erzählt. Voller Energie und Haltung. Nicht nur beim Regisseur, auch bei der Hauptdarstellerin und Co-Autorin Margarita Breitkreiz und den vielen anderen, die mitmachen.
Es sei, schreibt die Schauspielerin und Co-Autorin Margarita Breitkreiz zu diesem Film »an der Zeit, aus der uns Frauen zugeschriebenen Opferecke, still mit dem Kopf an der Wand, herauszutreten und den Mund aufzumachen«. Sie will – hier zitiert sie die Filmregisseurin Jutta Brückner – »Banden bilden!«.
Eine hat sich schon gebildet. Sie hat diesen Film gemacht: Geschlechterkampf – Das Ende des Patriarchats heißt er, in dem Breitkreiz die Hauptrolle spielt: Eine Schauspielerin im Theater-Berlin, die arbeitslos geworden ist und beschließt, gegen die Resignation anzukämpfen. Anhand dieser Biografie versucht der Film in einer virtuosen Mischung aus Fiktion, Dokumentation und Essay die Geschlechterfragen vor allem in der Kunst, Kultur und beim Film zu erkunden.
Mit im Boot: Der Independentregisseur Sobo Swobodnik, den manche bestimmt noch aus München kennen. Sobodnik, der auch Schriftsteller ist und von der Schwäbischen Alb stammt, macht seit über zehn Jahren Filme außerhalb des deutschen Film-Systems, gewinnt aber auch mal den Ophühls-Preis. Ansonsten Berliner Off-Werke, schnell, klein und radikal produziert, das, was die Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus früher öfters mal gern als »kleine schmutzige Berlin-Filme« gefördert hat. Und immerhin, das muss man den Entscheidern zugute halten, ist hier nun das Bundeskulturministerium (BKM) für den aufgeklärten Absolutismus des MBB-Intendantenprinzips in die Bresche gesprungen, und hat stattdessen dem Film die entscheidende Geldspritze gegeben. Zwar ein Kleckerbetrag im Vergleich, aber so ist das eben bei kleinen schmutzigen Berlin-Filmen. Und man würde auch Kirsten Niehuus in der Zielgeraden ihrer Amtszeit noch ein bisschen mehr Mut zum Föerder-Maoismus wünschen: Lasst viele bunte schmutzige Berlin-Filme blühen, gebt statt einem Film 10 Millionen, 100 Filmen hunderttausend Euro! Das Ergebnis wird wunderbar und überraschend sein!
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Alles ist ungefügt, wie in einem Film der Sechziger, Siebziger, wie sie in den Achtzigern, Neunzigern immer noch versucht und oft kopiert wurden. Es wird viel improvisiert, ausprobiert, es wird viel geredet. Alles steht vielleicht immer ein bisschen sehr unter Druck.
Denn die Macherinnen und Macher meinen es schon sehr ernst, wenn sie hier Gleichstellung auf allen Ebenen fordern, genderkonforme Sprache und ihre Figuren dauernd von der Vormachtstellung des Patriarchats quasseln.
Davon wird gerade vielleicht ein bisschen viel geredet. Bei diesem Gedanken ertappt sich im Film auch manche Frau.
Im Gespräch zwischen Hauptfigur und ihrem Berater vom Arbeitsamt sagt der zu ihr, als sie behauptet, dass alle Regisseure, Dramaturgen, Produzenten, Intendanten nur »alles weiße, hässliche Männer« seien: »Kommen Sie einfach mal aus der Opferecke raus.«
Man könnte das alles Anti-Kino nennen, denn Meinungen und Didaktik sind hier sehr sehr wichtig.
Humor allerdings auch.
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»Ich kann noch nicht nach Bremerhaven. Ich habe mit Christoph gearbeitet, mit Rene Pollesch, Falk Richter. Ich habe bei Martin Wuttke gespielt, an der Volksbühne, am BE, am Maxim-Gorki-Theater, ich kann doch jetzt nicht mit Hinz und Kunz...«
Marga ist eine Schauspielerin, die mit über 40 langsam den Zenit ihrer Karriere hinter sich hat. Nach den großen Bühnen des Landes wird es immer schwieriger, Rollen zu bekommen. Wenn Rollenangebote, dann sind es ausnahmslos welche, die ihre russischstämmige Herkunft als Klischee bedienen.
So parodiert dieser Film auch die Welt der Jobcenter und Arbeitsagenturen. Und die der Schauspieler.
Dieser Film ist gleichzeitig echt, und ist auch eine Satire über den gegenwärtigen Kunstbetrieb, seine Haltungen, Kategorien und nicht zuletzt Macken. Vor allem aber über unser aller Gegenwart, ihre banalen Themen: Die Umwelt, die Ernährung, das private Wohlbefinden.
Der Film könnte auch »Klassenkampf« heißen, wie das Vorgängerwerk des Regisseurs. Denn es geht auch um den Konflikt zwischen der Kunstszene und ihren akademischen Diskursen, die so gar nichts mit der Welt um sie herum zu tun haben, die man wegen der AfD noch nicht mal mehr normal nennen will.
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Ein bisschen ist es der Mood, die Stimmung der Neunziger, die diesen typischen Berlin-Film durchzieht. Dieser Film ist auch eine Lehrstunde für alle, die ernsthaft glauben, dass Filme wie Barbie »feministische Diskurse rauf und runter deklinieren« würden und irgendetwas mit Feminismus und toxischer Männlichkeit zu tun hätten.
Der Film ist genau deshalb wunderbar und kurzweilig.
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Das Wichtige an diesem Film sind nicht die Antworten, die er immer wieder mal zu geben sucht, und die mitunter ziemlich luzide sind, mitunter mindestens gute Laune machen – »Revolution!« –, mitunter aber auch einfach Stuss und in diffuses Gestammel münden.
Das Wichtige an diesem Film sind die Fragen, ist die Suche.