USA 2000 · 113 min. · FSK: ab 6 Regie: Boaz Yakin Drehbuch: Gregory Allen Howard Kamera: Philippe Rousselot Darsteller: Denzel Washington, Will Patten, Wood Harris, Ryan Hurst u.a. |
Die Behauptung, nur in einem gesunden Körper könne auch ein gesunder Geist gedeihen, gehört zu den älteren Lügen sozialen Zusammenlebens. Schon in den Tagen des antiken Olympia war der Sport auch ausgeklügeltes Instrument der Feier einer – zumal männerbündischen – Gemeinschaftsideologie, zugleich aber auch Stätte des zivil gebändigten Duells zwischen Individuen, denen der Erfolg im körperlichen Wettkampf zum Motor sozialen Aufstiegs überhaupt wurde.
Auch in unseren Zeiten hat sich daran wenig geändert. Die modernen Gladiatoren kämpfen in der Arena des Massenspektakels nicht so sehr um Ehre und das wohlig-verlogene Gefühl des »Dabeisein ist alles«, sondern um persönlichen Erfolg. So ist es nur eine fromme Lüge, wenn Sportphilosophen wie Volker Gerhardt behaupten, dass Sport die Moral befördere und den hochstehenden Rang ihres Gegenstandes dadurch belegen möchten, dass sich der wahre Sportler »wirklich den Regeln
entsprechend« verhält.
Doch indem – »einer für alle, alle für einen« – die kleine symbolische Gesellschaft der Individuen zur Gemeinschaft des Teams zusammengeschweißt wird, führt sie zugleich das allgemeine alltägliche Schauspiel sozialer Disziplinierung als Spektakel der Gemeinschaftsbildung stellvertretend vor. Nicht in der Innenansicht, aber für den Zuschauer ergibt sich das schöne Bild der Überwindung von Einzelinteressen. Der Samstag im Stadion
tritt neben den sonntäglichen Kirchgang – beides zeigt, dass man gemeinsam stärker ist als allein.
Dies ungefähr ist auch die These des neuen Films des New Yorkers Boaz Yakin. Die Story selbst spielt, anders als vor Jahresfrist Oliver Stones Any Given Sunday, nicht mutig mit den Genregesetzen, oder benutzt diese, um ganz anderes über die US-Gesellschaft zu erzählen, sondern bewegt sich innerhalb der besonders festen Konventionen der Filme über Sportmannschaften: Das Team in der Krise, der Trainer, der – ehrgeizig im Frühling, alternd im Herbst seiner Karriere – sein Team wieder aufrüsten muss für die bevorstehende Schlacht. Die harte Arbeit auf dem Platz, schwere Spiele und innere Konflikte, und am Ende dann der große Erfolg, der immer auch ein moralischer Sieg ist: Der Trainingsschweiß hat aus den Beteiligten auch noch bessere Menschen gemacht.
Etwas mehr, als nur ein konventioneller Sportler-Film ist Gegen jede Regel aber trotzdem. Bereits in A Price Above Rubies schilderte Yakin der Zusammenprall zweier Kulturen, erzählte von der schwierigen Suche nach Kompromissen, und von der Grenze, die man aus Selbstachtung vermeintlich nicht überschreiten kann. Derartiges greift auch Gegen jede Regel im Mainstream-Stil und per historisch belegter Episode auf: Ein erfolgreiches High-School-Footballteam, dass ausschließlich aus Weißen besteht, bekommt Anfang der 70er vom Ministerium einen schwarzen Coach zugewiesen, überdies muss eine große Menge talentierter schwarzer Schüler integriert werden. Diesen überaus harten Trainer spielt Denzel Washington, einmal mehr als Vertreter amerikanischer Werte, als »good citizen«, der für Team-Spirit eintritt, individualistisch verstandene Führungsqualität beweist – und dabei mit seinen autoritären, alles andere als demokratischen Methoden symbolisch gleich die ganze Nation coached.
Bei aller Macho-Sentimentalität ist das auch ein bisschen gebrochen. Außerhalb des Stadions propagiert der Film keine heile Welt, wo sie nach wie vor nicht besteht. Und auch innerhalb erlebt man, dass die Herstellung gesellschaftlicher Gleichheit harte Arbeit bedeutet, und nicht umsonst zu haben ist. Willensanstrengung und Übungsfleiß allein genügt nicht, und das einmal Erreichte ist hier immer aufs Neue gefährdet. Damit löst Yakins Film nach wie vor bestehende Konflikte nicht mit der Gemeinschaftsideologie, die derzeit die kommunitaristischen US-Philosophen propagieren, sondern als klassisch liberaler, immer wieder neu zu schaffender Kompromiss zwischen Einzelnen.