Deutschland 2013 · 102 min. · FSK: ab 16 Regie: Nikolai Müllerschön Drehbuch: Nikolai Müllerschön Kamera: Klaus Merkel Darsteller: Heiner Lauterbach, Friedrich von Thun, Axel Prahl, Martin Brambach, Blerim Destani u.a. |
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Genrekino aus Deutschland, ganz bewusst überraschungsfrei |
Er kommt aus dem Gefängnis. Er kann furchteinflößend sein. Er schlägt auch zu, wenn’s sein muß. Er hat eine tätowierte Träne unter dem Auge und einen verwegenen Schnauzbart. Er hat 13 Jahre gesessen, weil er geschwiegen hat. Er verliert nicht viele Worte über seine Haftzeit. Er verliebt sich in eine Prostituierte. Er will noch einmal ein großes Ding drehen, die eine Chance nützen, die einem Sechser im Lotto gleichkommt. Er muß sich seinem Anstifter beugen. Er hält sich an seinen Ehrenkodex und fügt sich in den Regelkreis von Auftrag und Ausführung. Er sieht sein Scheitern voraus. Er bleibt aufrecht bis zum Showdown.
Harms ist ein grimmiger Einzelgänger und wird von Heiner Lauterbach durchaus mit Hingabe verkörpert. Lauterbach hat sich mit Nikolai Müllerschön zusammengetan und ganz ohne Fördergelder oder Fernsehbeteiligung einen Gangsterfilm gedreht, der sich Anleihen bei den großen Noir-Krimis holt. Nikolai Müllerschön kann auf eine überaus interessante Filmographie zurückblicken.
Seine ersten Regie-Aufträge bekam er in den 80er Jahren, als es um den deutschen Film so trostlos stand wie nie zuvor: Er beteiligte sich an den letzten schludrigen Kino-Abenteuern der deutsch-österreichischen Produktionsgesellschaft Lisa-Film, für die er die Teenie-Klamotten Ein irres Feeling und Schulmädchen ‘84 drehte. Später arbeitete er sich mit den ambitionierten Thrillern Operation Dead End und Im Sog des Bösen am deutschen Genrekino ab. (Erinnert sich überhaupt noch jemand?) Er kooperierte viel mit Wolfgang Büld, Carl Schenkel oder auch Eckhard Schmidt, die alle das Genrekino auf ihre Weise hochhielten und durchaus Einzelerfolge feierten, letztlich aber doch keine großen Spuren hinterließen.
Und so verlor sich Müllerschöns Spur seit den 90ern in den Niederungen des Fernsehens. Ein seltsam-verwegenes Kino-Comeback feierte er vor ein paar Jahren mit der internationalen Produktion Der rote Baron, der den Weltkrieg-1-Helden Manfred von Richthofen mit großzügiger Unterstützung von Schweiger & Schweighöfer zum Pazifisten veredelte. Nun aber schöpft Müllerschön ganz ohne Gremiendruck aus all diesen disperaten Erfahrungen und macht sich mit Lust und Laune an einen stilechten Genrefilm. Mit Stolz erzählen Müllerschön und Lauterbach im Presseheft, gleich über mehrere Seiten, wie sie sich von keinem ihrer Finanziers korrumpieren ließen und ihre liebgewordenen Figuren eben nicht »positiver« gestimmt haben.
Dabei ist Harms ja ein durch und durch regelkonformes Heistmovie, das sich plotmäßig ganz bewußt in einer absehbaren Mechanik fügt, im Grunde also überraschungsfrei bleibt. Andererseits fällt Harms aus allen Registern, weil es weit und breit keinen Kommissar gibt, weil er mit seinen ausgesucht unglamourösen Schauplätzen ein durch und durch schäbiges München hervorkehrt, weil er mit betont klischeebelasteten Figuren aufwartet, was allen Darstellern sichtbar Freude gemacht hat, allen voran Friedrich von Thun, der als schmieriger Strippenzieher genüsslich auftrumpft. Und so sieht man auch darüber hinweg, dass zum blutrünstigen Ende hin die Plotschraube dann doch überdreht wird. Eigentlich müßten Filme wie Harms, dem »es überhaupt nicht peinlich ist, daß er ziemlich schäbig müffelt« (Ulrich Kriest im »Filmdienst«) den Bodensatz unserer Filmindustrie bilden.