Deutschland 2001 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Klaus Gietinger Drehbuch: Klaus Gietinger Kamera: Hans Hager Darsteller: Rolf Becker, Meret Becker, Alexander Beyer, Karina Krawczyk u.a. |
Karikatur ist eine Darstellung, die typische Eigenschaften stark überzeichnet – um sie deutlicher sichtbar zu machen, um im Lachen Erkenntnis zu gewinnen. Es ist durchaus edel, wenn Regisseur Klaus Gietinger (kein ganz schlechter, sollte man nach Daheim sterben die Leut' meinen) sich gegen die Stillegung ostdeutscher Bahnstrecken engagiert. Es ist hilfreich, wenn er es, fürs größere Publikumsinteresse, im Komödien-Gewand tut – wenn er überzeichnet, karikiert. Nur gut ist es nicht, denn: Das Wichtigste bei der Karikatur ist erst einmal genaues Hinschauen, treffsicheres Erfassen. Und das verweigert Gietinger rigoros.
Wo immer sie spielt, diese Story vom Bahnbeamten, der nachts der bösen »Kommerzbahn« (ha, ha!) Lücken ins Gleis fräst und dabei heimliche Anerkennung der Region sowie unerwünschte Mittäter findet: Sie spielt gewiss nicht im heutigen Deutschland.
Keiner der am Film Beteiligten scheint je etwas vom wahren Leben gesehen zu haben. Da stimmt kein Dialog, kein Kostüm, kein Dekor, da ist alles furchtbar gewollt und nichts gelungen. Alle Provinzler haben irgendeinen komischen Tick, alle
von der »Kommerzbahn« sind feist und fies, alle Polizisten sind faschistoide Kasperl – und der Politiker von den Grünen fährt im grünen Smart vor mit »Atomkraft – nein danke!«-Sticker: Ein ‘80er-Jahre-Witz, der irgendwie verschlafen hat, dass die Grünen mittlerweile Regierungspartei sind und Ziel für ganz anderen Spott sein müssten. So ein Weltbild hat man aus schlechten Vorabendserien oder aus Supernasen-Filmen, nur mit dem entscheidenden
Unterschied, dass letztere einst wenigsten in Ansätzen Verstand bewiesen für Komik und wie man sie erzeugt.
Nun muss Kino freilich nichts mit wahrem Leben zu tun haben, aber dann doch auf jeden Fall mit wahrem Kino, und davon ist dieser unsägliche Heinrich erst recht Lichtjahre entfernt. Das hat gar nichts damit zu tun, dass das Budget offensichtlich nicht üppig genug war – die wenigen Sekunden, wo in diesem Desaster so etwas aufblinkt wie Charme, sind gerade diejenigen (der herrliche Styropor-Kaktus am Ende ist ein Beispiel), wo der Film seine Künstlichkeit,
seine Handgezimmertheit bewusst zur Schau stellt. Nein, es fehlt der Regie schlicht an allem, was Kino zu etwas anderem machen könnte als unbeholfen imitiertes Fernsehspiel.
Selbst erwiesen wunderbaren Schauspielern wie Rolf und Meret Becker oder Heinz Werner Kraehkamp bleibt da nur, zu Knallchargen zu mutieren – die gute Meret (als blonde Landpomeranze, aaargh!) scheint dabei die Einzige, der irgendwann bewusst wurde, in welches Schlamassel sie hineingeraten war und
die die Flucht nach vorn angetreten hat. Ihre Teresa – von religiösem Fanatismus getrieben, wenn das Drehbuch darauf nicht mal wieder grade vergisst – gibt sie als wirklich gnadenlos hysterische Schmierenkomödiantin.
Der Film will ein Plädoyer sein für zivilen Ungehorsam, und das zumindest gelingt ihm, dass man danach unheiliges Verlangen hat nach gewaltsamem Widerstand – allerdings nur gegen »Kino« solcher Art.