USA 2014 · 108 min. · FSK: ab 12 Regie: Mike Cahill Drehbuch: Mike Cahill Kamera: Markus Förderer Darsteller: Michael Pitt, Brit Marling, Astrid Bergès-Frisbey, Steven Yeun, Archie Panjabi u.a. |
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Erkenntnisgewinn trotz multipler Wahrheiten |
Inzwischen gleicht es fast einem Gütesiegel. Filme, an denen die charismatische Drehbuchautorin, Produzentin und Schauspielerin Brit Marling beteiligt ist, können nicht schlecht sein. Vor allem ihrer Zusammenarbeit mit den befreundeten Regisseuren Zal Batmanglij und Mike Cahill sind bislang Filme entsprungen, die das Genre Science Fiction um eine völlig neue Subtilität und emotionale Komponente bereichert haben. Seien es Batmanglijs Sound of my Voice und The East oder Cahills interplanetares Debüt Another Earth. Trotz völlig unterschiedlicher thematischer Ausrichtungen wird stets das menschliche Projekt Zukunft verhandelt. Dabei steht vor allem die fast verzweifelte Suche nach dem »Anderen« im Vordergrund. Wem kann man noch trauen, wenn schon sich selbst nicht; wo und wie zieht man die Grenzen, wenn multiple Wahrheiten Realität sind?
Auch Mike Cahills zweite Regiearbeit I Origins fügt sich nahtlos in diese faszinierend beunruhigende Projektarbeit ein: Der junge Wissenschaftler Ian (Michael Pitt) forscht über die Evolution des Auges, das für Kreationisten gemeinhin als Gottesbeweis gilt, denn keinem Wissenschaftler ist es bislang gelungen, eine lückenlose Evolution des Auges nachzuweisen. Konträr zu seinen wissenschaftlichen Forschungen verliebt er sich in die irrationale Sofie (Astrid Berges-Frisbey), die seine Forschungsgrundlagen zwar anzweifelt, aber dennoch zu einer Beziehung mit Ian bereit ist. Die Beziehung gerät jedoch an ihre Grenzen, als das Forschungsprojekt über seine Mitarbeiterin Karen (Brit Marling) einen völlig unerwarteten Verlauf nimmt.
Wie schon in Another Earth verweigert sich Cahill trotz eines antagonistischen, etliche Reibungspunkte bergenden Plots, diese auf klassische Weise auszuspielen. Stattdessen vertraut Cahill auf sein brillantes Ensemble, dass sich mit jeder Wendung der Geschichte fast meditativ in eine Authentizität hineinspielt, die vielleicht am ehesten mit den Filmen Atom Egoyans und Sarah Polleys zu vergleichen ist, in denen ebenfalls ein thetischer Drang nach Erkenntnisgewinn mit einer pulsierenden empathischer Tiefe verwoben wird.
Cahills Gratwanderung zwischen Wissen und Glauben ist dabei wohl vor allem für europäische Augen nicht leicht zu verdauende Kost. Und vielleicht am ehesten mit dem inzwischen fast unüberwindbaren Graben zu erklären, der sich während der letzten Jahre zwischen amerikanischen Kreationisten und Evolutionisten aufgetan hat. Cahill entzieht sich zwar einem eindeutigen Bekenntnis, doch verwerfen mag er keine der möglichen Wahrheiten. Das aus diesem bizarren Brückenbau dennoch ein enigmatischer, faszinierender, emotionaler und dabei keinesfalls negativ zu bewertender spannungsloser Sog entsteht, ist Cahill hoch anzurechnen und macht I Origins zu einem der bislang aufregendsten filmischen Gedankenspiele dieses Kinojahres.