Australien 2006 · 123 min. · FSK: ab 12 Regie: Ray Lawrence Drehbuch: Beatrix Christian Kamera: David Williamson Darsteller: Laura Linney, Gabriel Byrne, Chris Haywood, Deborra-Lee Furness, John Howard u.a. |
![]() |
Alltagsleben in Australien. Eine Kleinstadt, irgendwo in der weiten, dem US-Westen ähnlichen Wüstenlandschaft von New South Wales. Hier lebt eine Gruppe von Menschen, die wir im Folgenden näher kennenlernen. Sie sind seit Jahren befreundet, gut, aber auch irgendwie lose. Wer genau hinschaut, erkennt kaum sichtbare Trennlinien: Zwischen Ehepaaren, die sich auseinander gelebt haben, oder zwischen Menschen die durch eine heimliche Affaire verbunden sind; zwischen den Rassen, denn manchen sieht man noch ihre Abstammung von den Aborigines an; zwischen Wohlhabenden und Ärmeren. Auch zwischen den Welten der Männer und jenen der Frauen herrscht eine gewisse feine Trennlinie. Trotzdem ist alles grundsätzlich friedlich und wohlgeordnet.
Und doch liegt mindestens ein Schatten über dem Geschehen: Denn durch die harsche, unvermittelte Exposition des Film wissen wir, dass auch ein Mörder in der Gegend sein Unwesen treibt, dem junge Frauen zum Opfer fallen. Die Aufklärung dieser Taten steht nicht im Zentrum. Denn es geht nicht um außergewöhnliche, sondern um ganz normale Schuld, es geht um Feigheit, Bequemlichkeit, Schweigen und deren Folgen: Bei einem Angelausflug findet eine Gruppe von Männern eine Frauenleiche. Doch anstatt die Polizei zu rufen, lässt man sich den lange geplanten Trip nicht verderben, meldet den Fund erst viel später – und kann dies dann später nicht wieder gut machen.
Lantana – so heißt der Film, mit dem der australische Regisseur Ray Lawrence 2001 auch bei uns bekannt wurde, und nach wie vor ist dies ein DVD-Geheimtip für alle, die sich für feinfühlige psychologische Gefühlsthriller interessieren. Auch hier schien es nur um einen Mord zu gehen, auch hier ging es tatsächlich um Menschen, die einander misstrauen und verlernt haben, zu kommunizieren. In Jindabyne hat Lawrence jetzt die Short Story So Much Water So Close to Home von Raymond Carver adaptiert. Manchem wird sie bekannt vorkommen, denn sie ist auch eine der Grundlagen von Robert Altman’s Short Cuts. Weil die junge Tote ein Aborigine ist, erhält die Reaktion der Angler auch einen rassistischen Aspekt. Doch entscheidender ist, dass das zwischenzeitliche Verschweigen der Toten andere verschwiegene Aspekte zutage fördert. Gabriel Byrne und Laura Linney spielen das zentrale Paar, das unter unerfüllten Wünschen leidet. Lawrence Regie setzt auf unaufdringliche Veränderungen und diskrete, distanzierte Beobachtung. Veränderungen geschehen beiläufig, wie im richtigen Leben.
Jindabyne ist ein Film über Beobachtung. Wir Zuschauer beobachten die Personen auf der Leinwand, schauen ihnen beim Leben zu. Aber diese Personen beobachten sich dort auch gegenseitig. Und wir beobachten wiederum dieses Beobachten der Anderen. Lawrence setzt auch auf die Neugier des Betrachters.