USA 2009 · 123 min. · FSK: ab 0 Regie: Nora Ephron Drehbuch: Nora Ephron Kamera: Stephen Goldblatt Darsteller: Meryl Streep, Amy Adams, Stanley Tucci, Chris Messina, Linda Edmond u.a. |
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Gleich wird serviert! – Meryl Streep und Stanley Tucci vor dem Essen |
1949: Julia Child ist eine große Erscheinung, die man nicht so schnell vergisst. Sie überragt ihren Mann Paul (Stanley Tucci) nicht nur durch ihre Körpergröße, sondern bleibt auch durch ihr freundlich-extrovertiertes Wesen im Gedächtnis. Das Paar zieht nach Paris, weil Paul dort eine Stelle in der amerikanischen Botschaft antritt. Julias Leidenschaft ist das Essen und das Kochen. Obwohl man ihr unterstellt, kein Talent zu haben, meldet sie sich voller Ehrgeiz zu einem Kochkurs an, auch wenn der eigentlich nur für Männer bestimmt ist. Julias Ziel: die französische Küche beherrschen. Und da es kein Kochbuch gibt, das französische Gerichte in englischer Sprache erläutert, nimmt sich Julia mit zwei Freundinnen erfolgreich dieser Aufgabe an. Ihr Buch Mastering the Art of French Cooking wird zum Bestseller und revolutioniert die amerikanische Kochkultur. Die begeisterte Köchin gibt ihr Wissen später sogar in einer der ersten Kochshows im amerikanischen Fernsehen weiter. Julia Child wird dargestellt von Meryl Streep.
Parallel wird die ebenfalls wahre Geschichte von Julie Powell aus dem Jahr 2002 erzählt. Julie steht kurz vor ihrem 30. Geburtstag, hat keinen Ehrgeiz mehr in ihrem Job und will eigentlich Schriftstellerin werden. Aber das Buch, an dem sie gearbeitet hat, ist nie fertig geworden. Sie möchte ihrem Leben eine neue Richtung geben und entschließt sich eines Tages, die 524 Rezepte aus Julia Childs Kochbuch innerhalb eines Jahres nachzukochen. Wie es ihr bei diesem selbsternannten Julie/Julia-Projekt geht, teilt sie einer stets wachsenden Fangemeinde per Blog im Internet mit. Obwohl Julies Ehe mit Eric (Chris Messina) fast an diesem Mammutvorhaben zerbricht, gibt sie nicht auf. Auch sie wird später ihre Erfahrungen in einem Buch niederschreiben. Julie Powell wird dargestellt von Amy Adams.
Zusammengefasst geht es bei Julie & Julia also um zwei Frauen, die gerne kochen. Ihre Geschichten basieren auf realen Begebenheiten und echten Figuren. Das hat alles seine Berechtigung, klingt aber trotzdem erstmal nicht sonderlich spannend. Erfolgsgeschichten können je nach Inszenierung packend und interessant erzählt sein, laufen aber eigentlich immer nach einem bekannten Schema ab. Hier bekommt man gleich zwei dieser Geschichten in Kombination serviert. Was soll man also von diesem Film erwarten? Wie soll man ihn einordnen? Und vor allem: warum sollte man sich Julie & Julia anschauen? Schließlich lässt ein flüchtiger Blick auf den Inhalt im schlimmsten Fall sofort an eine der zahllosen Kochshows im Fernsehen denken, bei denen man immer öfter wegschaltet.
Auf die Frage, wie interessant Julie & Julia sein kann, gibt der schlichte Filmtitel keine weiteren Antworten. Eine Filmlänge von 123 Minuten wirkt ebenfalls eher abschreckend. Die Tatsache, dass Nora Ephron das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, ist trotz des Wissens um ihr exzellentes Script für Harry & Sally und die positive Erinnerung an Schlaflos In Seattle kein wirklicher Qualitätsgarant mehr. Viel zu sehr assoziiert man sie mittlerweile mit seichten Komödien wie E-mail Für Dich oder der Neuverfilmung von Verliebt in eine Hexe. Erst ein Blick auf die Besetzung von Julie & Julia liefert dann einen großen Pluspunkt für den Film, denn Meryl Streep ist immer einen Blick wert. Außerdem lässt die erneute Zusammenarbeit mit Amy Adams sofort an Glaubensfrage denken, für den beide Schauspielerinnen jeweils eine Oscarnominierung erhalten haben.
In der Rolle der überdrehten Julia Child läuft Meryl Streep tatsächlich zu sprichwörtlicher Höchstform auf. Sie beweist erneut, wie wandlungsfähig sie als Schauspielerin ist. Davon profitiert der etwas zu lang geratene Film enorm. Streeps Präsenz und Charakterisierung wecken nämlich nicht nur sofort das Interesse des Zuschauers, sondern halten ihn im Verlauf von Julie & Julia auch dauerhaft bei der Stange. Egal ob Julia Child nun vor einem Riesenberg geschnittener Zwiebeln steht oder versucht, sich wenig erfolgreich in französischer Sprache zu verständigen – es ist einfach faszinierend, ihr zuzuschauen. Meryl Streep drückt der Figur dabei von Anfang an einen sehr persönlichen Stempel auf und versinkt ganz in einer Rolle, die leicht ins Karikaturhafte hätte abstürzen können.
Julie & Julia lebt also vor allem von seiner Hauptdarstellerin und ist origineller, als man vermutet hätte. Nora Ephron verknüpft die parallel verlaufenden und in unterschiedlichen Zeitebenen spielenden Handlungsstränge mit angenehmer Leichtigkeit. Am Anfang des Films beziehen beide Frauen mit ihren Männern ihre neue Bleibe. Julia liebt das neue Haus in Paris, während Julie sich kaum mit dem neuen Appartement und der winzigen Küche anfreunden kann. Verbunden sind die beiden Frauen immer durch ihre Liebe zum Kochen. Diese Leidenschaft ist das zentrale Filmthema und wird auf unterhaltsame Art und Weise inszeniert. Obwohl der Film an einigen Stellen zu lang ist und Julias Episoden immer ein bisschen origineller wirken als Julies Erlebnisse, geht der Rezeptorgie niemals wirklich die Luft aus. Ein Highlight des Films ist mit Sicherheit der Besuch von Julia Childs Schwester Dorothy (Jane Lynch), die noch größer als Julia ist und sich gerade nach dem Mann fürs Leben umschaut. Obwohl Amy Adams in vielen amüsanten Szenen zu sehen ist, gehen alle wirklich vergnüglichen Filmmomente auf das Konto von Meryl Streep. Obwohl die ihr komödiantisches Potential schon mehrfach unter Beweis stellen konnte (zum Beispiel in Die Teufelin), ist man immer wieder überrascht, wie witzig sie sein kann.
Erscheinung und Auftreten der echten Julia Child wurden oft parodiert. Auch Dan Aykroyd schlüpfte in Saturday Night Live bereits in die Rolle der TV-Köchin. Im Film schauen sich Julie und Eric Dan Aykroyds überdrehte Parodie an und lachen Tränen. Diesen Ausschnitt im Film zu integrieren ist ein mutiger Schritt von Regisseurin Nora Ephron und gleichzeitig eine Verbeugung vor ihrer Hauptdarstellerin. Man sieht nämlich genau, in welchen Grenzen sich Meryl Streep bewegen muss, um ihre Figur ernstzunehmend und dennoch authentisch darzustellen, ohne dabei parodistisch wie Aykroyd zu wirken. Typisch für Julia Child war beispielsweise ihre seltsam hohe Stimme. Mit dem Wissen um die Parodie werden Tragweite und Zwischentöne von Meryl Streeps Performance dann vollständig bewusst. Sie liefert eine sensationelle Leistung ab, so dass einem nicht viel bleibt als respektvoll den Hut vor dieser Ausnahmedarstellerin zu ziehen.