Junimond

Deutschland 2002 · 92 min. · FSK: ab 6
Regie: Hanno Hackfort
Drehbuch:
Kamera: Frank Grunert
Darsteller: Oliver Mommsen, Laura Tonke, Stephan Kampwirth, Teresa Harder u.a.

Happy – oder End?

Paul hat sich in die Provinz zurück­ge­zogen. Berlin ist ihm zu unruhig, und seinen Job als Sicher­heits­ex­perte für online-Anbieter kann er genauso gut von Paderborn aus erledigen. Hier hat er die Ruhe, seine Erleb­nisse als KFOR-Soldat im Kosovo zu verar­beiten und das, was mit seinem besten Freund dort passiert ist...
Doch schon bald fühlt er sich nicht mehr allein in der fremden Stadt: allabend­lich beob­achtet er im gegenüber­lie­genden Fenster eine junge Frau, und nach kurzer Zeit beginnen sie, mitein­ander zu kommu­ni­zieren. Nele arbeitet als Kinder-Thera­peutin. Und leidet sehr unter der schei­ternden Ehe ihrer Eltern.
Rasch freunden sich die beiden an, doch ihre schlechten Erfah­rungen lassen sie vor einer Liebes­be­zie­hung zurück­schre­cken. Eine ärztliche Diagnose zwingt sie jedoch, die heim­li­chen Gefühle zuzu­lassen.

Große Themen sind es, die Hanno Hackfort in seinem ersten Langfilm da behandelt: Leben und Tod, Liebe und Einsam­keit, Mensch­lich­keit und Resi­gna­tion. Welchen Sinn hat es, sich einem anderen Menschen zu öffnen, wenn »jeder Anfang der Beginn vom Ende« ist? Paul scheut Verpflich­tungen, sei es beim Orgel­spiel oder im Zwischen­mensch­li­chen, und wünscht sich doch nichts mehr, als jemandem verbunden zu sein. Und Nele fürchtet nach dem Zusam­men­bruch der elter­li­chen Ehe, das jede Beziehung eine eben­solche Lüge sei.
Das Mittel, das Hackfort gegen die Angst vor der Liebe findet, ist die Angst vor dem Tod. Um den Moment ohne Rücksicht auf die Zukunft auskosten zu können, brauchen seine Prot­ago­nisten das Wissen um die Endlich­keit. Und das Glück wird nur möglich, weil es ein Ende gibt. Zart und poetisch führt die Erzählung schließ­lich zur Erfüllung von Pauls Lebens­traum – und zu einem Neuanfang für Nele.

Geschickt gelingt es, die Balance zwischen Nähe zu den Prot­ago­nisten und Distanz zum Geschehen zu halten. Die Kamera, die zu Beginn fast indiskret in Umzugs­kisten schnüf­felt, zieht sich in den intimsten Momenten auf die Totale zurück und zeigt das, was geschieht, reser­vierter als das, was nach der Phantasie der Prot­ago­nisten geschehen sollte. Auch auf der Tonebene mischen sich Wahr­neh­mung der Prot­ago­nisten und Atmo­s­phäre: das Knistern der Single auf dem Plat­ten­teller verschwindet, als das Stück zur Musik im Kopf wird.
Neles Flucht vor der Liebe spiegelt sich äußerlich in der freund­lich distan­zierten Abwehr der schüch­ternen Werbung, die der Vater eines von ihr betreuten Kindes versucht, und in ihrem Auswei­chen in Gesprächen mit der Kollegin. Von Pauls Innen­leben erfährt man dagegen, mehr als durch seine off-Erzählung, durch die Erin­ne­rung: Aus körnigen Rück­blenden erschließen sich seine Angst, seine Trauer und die Schuld­ge­fühle, die der Kriegs­ein­satz bei ihm hinter­ließen, weil er seinem besten Freund nicht helfen konnte.
Da erscheint die plötz­liche Dramatik der Entfüh­rung aus dem Kran­ken­haus fast unan­ge­messen. Die sorg­fäl­tige filmische Vorbe­rei­tung auf diesen Moment durch die Einfüh­rung des verspon­nenen Nach­bars­jungen scheint verschenkt, da die Behut­sam­keit der Erzählung in dieser Szene jäh gestört wird. Doch »all’s well that ends well« – durch die Enthül­lung der Erzäh­ler­po­si­tion am Ende gewinnt der Film mühelos seine Märchen­haf­tig­keit zurück.