USA 2007 · 120 min. · FSK: ab 12 Regie: Tony Gilroy Drehbuch: Tony Gilroy Kamera: Robert Elswit Darsteller: George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton, Sydney Pollack, Michael O'Keefe u.a. |
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Dunkelblau, fast grau: wunderbare One-Man-Show von George Clooney |
»I am Shiva, the god of death.« – wenn es George Clooney ist, der sie ausspricht, etwas nachlässig rasiert und gekleidet in einen schicken blaugrauen Designer-Businessanzug der kapitalistischen upper middle class, dann entfalten solche Sätze einen einmaligen, ganz besonderen Charme. Zuvor hat man so allerhand gesehen: Eine Frau, gespielt von Tilda Swinton, auf dem Damenklo, schwitzend. Kaputt. Clooney fertig, müde, älter als sonst, an einem Spieltisch. Dann im Auto aus der Stadt aufs Land fahrend. Fern, auf einem grünen, morgenfrischen Hügel, sieht er drei prächtige Pferde stehen. Er steigt aus, läuft auf sie zu, sieht sie lange an. Guckt. Denkt. Sucht Frieden. Toll. Ein großartiges Bild für den Seelenzustand dieses Mannes, das wir noch nicht richtig verstehen, das uns nun aber über den weiteren Film begleitet. Denn jetzt geht es erst richtig los.
Vier Tage früher. Ein New Yorker Top-Anwalt (Tom Wilkinson) erleidet einen Nervenzusammenbruch, und seine Firma Kenner, Bach & Ledeen droht dadurch einen milliardenschweren Wirtschaftsprozeß zu verlieren. Michael Clayton (Clooney), der »Wundermann« und »Fixer« der Anwaltskanzlei, soll – einer muss schließlich den Dreck wegmachen – eingreifen und das Schlimmste verhindern. Doch bald gerät er dabei in die Mühlen einer komplizierten Intrige, in der ein weltweit tätiger Konzern für Nahrungsmittel & Chemie – das ist nicht nur in den USA dasselbe (krankgewordene Bauern, zwei tolle blonde Bad Guys, die wie ein Paar schwedischer Albino-Zwillinge wirken) und eine Drei-Milliarden-Dollar-Klage die Hauptrollen spielen.
Michael Clayton ist einerseits eine hinreißende One-Man-Show von George Clooney, der den Film auch produziert hat und als frustrierter Rechtsanwalt zwar cool, aber zugleich ständig genervt und missgelaunt, müde und älter denn je erscheint. Vor allem aber ist dies nach längerer Zeit – und jenseits der Irakkriegs-fixierten Politthriller Hollywoods – wieder einmal ein spannender Wirtschaftsthriller, der klar am Politkino der Siebziger, an Pakula und Lumet, orientiert ist.
Damals war die Zeit Nixons. Das politische Amerika war moralisch am Boden, noch mehr als durch die mysteriösen Morde an beiden Kennedy-Brüdern, am Schwarzenführer Martin Luther King, durch Napalmflächenbombardements und My-Lai-Massaker in Vietnam, durch die abgrundtiefe Korruption der obersten Spitze, durch Lügen und Paranoia im Herz des Staates. In dieser Zeit, als alles wankte, entdeckte »New Hollywood« die Analyse der Verhältnisse, nahm die Machthaber in Wirtschaft und Politik in den Blick.
In den moralischen Thrillern von Alan J. Pakula und Sidney Lumet waren es junge, schöne, idealistische Männer wie Robert Redford, Dustin Hoffman und Warren Beatty, die als investigative Reporter, Polizisten und Anwälte hinter die Lügenfassaden der Macht, hinter Spiegelglas und Rhetorik blicken, gegen das System angehen. Und dabei Abgründe auftun.
Am abgründigsten ist wohl Sidney Pollacks Die drei Tage des Condor von 1975: ein CIA-Agent, von der CIA selbst gejagt. Nie wieder hat man Robert Redford so gesehen. Frierend, ängstlich. Ein gehetzter Mensch. Gehetzt und müde begegnet einem jetzt George Clooney, und auch sonst schließt Michael Clayton an Pollack an.
Es ist die Zeit Bushs. Korruption, Lügen und Paranoia im Herz des Staates sind wieder da, und Hollywood kämpft wieder: gegen den Krieg, gegen die Verkommenheit Amerikas, in Filmen wie Syriana, Von Löwen und Lämmern, Der Krieg des Charlie Wilson und jetzt Michael Clayton.
Stilistisch ist der Film zwischen Oliver Stones Wall Street und Michael Manns Insider angesiedelt, und erscheint damit auch als eine Komödie über die Realität des Lebens in der globalisierten Marktgesellschaft: Alle stehen hier permanent unter Hochdruck, wirken gestresst, alle sind in irgendeiner Weise süchtig oder wahnsinnig oder beides. Neben Clooney glänzt auch Tilda Swinton als eiskalte Zwangsneurotikerin, die Karriere macht, weil sie kein Leben neben der Arbeit hat und im Wortsinn über Leichen geht. Filmisch betritt Michael Clayton zwar kein Neuland, doch gefallen an dem Film die überaus gut geschrieben Dialoge, und das präzise Portrait einer Geschäftswelt aus blaugrauen Anzügen, Arroganz und Ritualen, in der sich Kapitalismus und Paranoia paaren.
Gilroys Film ist fern vom Kreuzzugs-Moralismus a la Erin Brockovich wie von der Leere übertünchenten Hektik der letzten Bourne-Filme, zu denen Gilroy auch das Drehbuch schrieb. Selten hatte Clooney bessere Sätze. Und selten gab es einen Film, der besser zeigt, wie gut dieser Darsteller ist.
Michael Clayton ist das Porträt eines Angestellten in einer kalten, entfremdeten Arbeitswelt. Alles hat eine doppelte Bedeutung: Wenn Clayton Mercedes fährt. Wenn hier einer das Buch »Realm and Conquest« liest. Wenn Menschen etwas sagen. Alle drei Hauptfiguren versuchen hier etwas zu beschützen und riskieren dafür viel. Und alle drei müssen ihre Erntscheidung revidieren. Michael Clayton ist nicht nur ein schöner, unterhaltsamer, gut gemachter Film, er ist auch ernst. Ein Film über unser aller Leben.