USA 1998 · 133 min. · FSK: ab 6 Regie: Bille August Drehbuchvorlage: Victor Hugo Drehbuch: Rafael Yglesias Kamera: Jörgen Persson Darsteller: Liam Neeson, Geoffrey Rush, Uma Thurman, Claire Danes u.a. |
Über 1000 Seiten dick ist Victor Hugos Roman »Les Misérables«, der rund 40 Jahre im französischen Revolutionszeitalter schildert; den Stoff umfassend verfilmen zu wollen, wäre ein unmögliches Unterfangen. Doch gerade diese Unmöglichkeit zwingt einen Filmregisseur zur Konzentration auf bestimmte Aspekte, dazu, einen bestimmten Teilerzählstrang herauszuarbeiten. Schon der Beginn von Bille Augusts Verfilmung, (der XYten des Stoffes, darunter einiger atemberaubender: der von 1935, in der Charles Loughton in jeder Hinsicht brilliant den Bösewicht gibt, und Claude Leloushs Film von 1995, in dem er die Handlung in die Zeit des Zweiten Weltkriegs hineinversetzt) zeigt, wie Bille August vorgeht: Ein langer, ruhiger Kameraflug über eine bewaldete Flußlandschaft, begleitet von sehr dominanter Musik dies exponiert den epischen Grundton des Romans, dem sich Augusts Verfilmung konsequent anschließt.
Dann, im folgenden Auftritt der Hauptfigur Jean Valjean (Liam Neeson) kommt es gleich zu einem der entscheidenden Wendepunkte der Geschichte, und wer den Roman kennt, merkt, daß der Film erst einsetzt, als bereits der erste große Zeitblock des Romans vorüber ist: Valjean wurde 19 Jahre nach dem Diebstahl eines Laib Brot aus der Haft entlassen, morgen wird er ein neues Leben beginnen.
Bille August, schon durch seinen ersten internationalen Erfolg mit Pelle der Eroberer ein Spezialist für Literaturverfilmungen, konzentriert sich in Les Misérables auf entscheidende Momente und Situationen, in denen sich starre Verhältnisse plötzlich verändern. Knapp und gedrängt erscheint die Zeit, ruhelos die Charaktere, und gäbe es nicht Zwischentitel, die uns erinnern, daß es nun »10 Jahre später« ist, könnte man glauben, die dramatischen Ereignisse spielten sich innerhalb weniger Monate ab.
Im Mittelpunkt von Roman und Film steht die schicksalhafte Verkettung zweier Personen: Einerseits des geläuterten Kriminellen Valjean, der sich nach seinem persönlichen Damaskuserlebnis zu einem tugendhaften Menschen wandelt, der als Bürgermeister und Fabrikbesitzer zum Wohltäter aller Erniedrigten und Beleidigten wird. Einmal mehr spielt ihn Liam Neeson, der seit seiner Titelrolle in Schindlers Liste vom Fach des vorbildlich führerhaften Gutmenschen offenbar nicht mehr loskommt. (Nach dem geläuterten Deutschen und dem positiven IRA-Terroristen jetzt also ein Proletarier. Wetten das Neeson irgendwann noch als Jude ins KZ kommt, und -in ca. 24 Jahren- die Titelrolle in Bille Augusts Ghandi-Remake ?)
Sein Gegenspieler ist Inspektor Javert (herausragend und intensiv: Geoffrey Rush), ein
Gerechtigkeitsfanatiker, der Valjeans verschwiegene Vergangenheit kennt, und nicht an dessen Charakterwandel glaubt. Er verfolgt Valjean über Jahrzehnte.
Hugos Romandrama spielt mit Nähe wie Ferne dieser Figuren: Einerseits könnten beide gegensätzlicher nicht sein, repräsentieren die Unvereinbarkeit von verzeihender Humanität und strengem Paragraphenglauben. Andererseits teilen beide den Eifer für das, was ihnen als »gerechte Sache« gilt, ihren Glauben an »höhere Werte« und Ideen, für die es sich zu sterben lohnt. Sie sind zwei Alter Egos, und doch so verschiedenen wie Danton und Robespierre.
Während bei Hugo mehr und mehr die Ähnlichkeit von Valjean und Javert in den Vordergrund tritt, und er auch die Schattenseiten von Valjeanseine moralisierende Furcht vor »schlechten Einflüssen« auf »seine« Arbeiter und später auf seine Adoptivtochter Cosette, die in ihrer Übertriebenheit pschologisch genau den bekehrten Sünder verrrät ungeschminkt zeigt, wirkt Bille Augusts Verfilmung vergleichsweise puritanisch, statt katholischem Sowohl-als-auch erlebt man ein protestantisch entschiedenes Entweder-Oder: Ein Kampf zwischen Gut und Böse findet statt, der keine Zwischentöne zuläßt. Wie ein Ben Hur des 19.Jahrhunderts ist »convict« Valjean in Bille Augusts Version so entsetzlich christlich, barmherzig und übermenschlich, daß es schwerfällt, ihn als »Held« zu akzeptieren. Vielmehr ist er moralische Nervensäge bei dem das Gleiche unangenehm auffällt, daß einst schon Old Shatterhand verdorben hat: »Schlag doch zu« denkt man, aber er guckt nur triefäugig und fängt an zu predigen.
Der Reinheit der moralischen Botschaft fällt das psychologisch Interessante ebenso zum Opfer, wie die soziale Anklage des Autors und wie alle weiteren Romangestalten, insbesondere die weiblichen, die hier trotz hochrangiger Besetzung (Uma Thurman, Claire Danes) zur bloßen Staffage geraten.
Dies alles geschieht allerdings so gediegen und glatt, wie man es von Bille August gewohnt ist: Eine gute, abenteuerliche Geschichte über persönliches Leid, soziale Revolution und
übermenschliche Gerechtigkeit wird eins zu eins umgesetzt, unauthentisch und ästhetisiert zwar, aber stringent, kontrolliert, und spannend inszeniert (nur die letzte halbe Stunde ist etwas langatmig geraten). Man könnte viel mehr aus dem Stoff machen, aber es gibt wirklich Schlechteres als diesen Film.
Bille August, Oscar-Preisträger, der in Deutschland durch Filme wie Pelle der Eroberer und Das Geisterhaus bekannt wurde, hat mit Les Misérables einen Film inszeniert, der genau zur Weihnachstzeit angenehme Unterhaltung verspricht. Für alles ist gesorgt: Spiel, Spaß, Spannung, und es ist trotzdem kein Überraschungsei.
Er hat sich auf ein
wesentliches erzählerisches Gerüst konzentriert und den Wälzer von Autor Hugo auf das hollywoodsche Maß reduziert. Leichte Kost wurde aus dem fünf Bücher umfassenden Werk Hugos rausgefiltert.
Liam Neeson ist zum amerikanischen Pendant von Gérard Dépardieu geworden und glänzt in einer facettenreichen Charakterdarstellung. Aber es ist kein historischer Film geworden, denn er nutzt die Epoche nur als Dekor, um die Zeichen der damaligen politischen Zeit anzureißen. Und
warum auch nicht. Kino ist im häufigsten und oft auch im besten Fall Unterhaltung. Und die Vorlage von Hugo liefert alle Elemente, die für Unterhaltung angepaßt werden können. Viele andere Regisseure haben sich vorher an der Geschichte versucht. Bille August ist dabei nichts herausragendes gelugen, aber die Kasse wird klingeln und der Zuschauer ein neues Märchen aus altem Stoff im Kino erleben.
Wenn man es recht überlegt, dann ist es noch gar nicht so lange her, daß Europa in die Moderne eingetreten ist. Die Geschichte von Menschen, die vor dem Zeitalter der Industrialisierung liegen und nach der französischen Revolution sind nichstdestotrotz aktuell. Umso mehr im US-amerikanischen Kino, daß sich jetzt auch gerne wieder der europäischen Geschichte angenommen hat.
Victor Hugo lieferte die Romanvorlage für das Epos Les Misérables und
der dänische Regisseur Bille August hat sich für Hollywood der neuesten filmischen Umsetzung angenommen.
Jean Valjean (Liam Neeson), ein ehemaliger Sträfling bringt es zum Bürgermeister eines kleinen französischen Städtchens. Über seine dunkle, rohe Vergangenheit hat er einen Schlußstrich gezogen bis eines Tages sein ehemaliger Gefängniswärter Javert (Geoffrey Rush) auftaucht und ihn denunziert. Valjean soll sich erneut vor Gericht verantworten. Valjean flieht mit der kleinen Tochter einer von der Gesellschaft verstoßenen junge Frau (Uma Thurman). Die Mutter stirbt und Valjean begibt sich mit der Kleinen nach Paris und hält sich in einem Kloster versteckt. Das Mädchen wächst heran und wird eine hübsche junge Frau, Cosette, die die Welt außerhalb der Klostermauern entdecken möchte. Cosette (Claire Danes) verliebt sich den Anführer einer revolutionären Studentengruppe und wie das Schicksal so spielt, gerät Inspektor Javert über das Liebespaar erneut auf die Spur von Valjean. Die Jagd beginnt von Neuem.
Bille August, Oscar-Preisträger, der in Deutschland durch Filme wie Pelle der Eroberer und Das Geisterhaus bekannt wurde, hat mit Les Misérables einen Film inszeniert, der genau zur Weihnachstzeit angenehme Unterhaltung verspricht. Für alles ist gesorgt: Spiel, Spaß, Spannung, und es ist trotzdem kein Überraschungsei.
Er hat sich auf ein
wesentliches erzählerisches Gerüst konzentriert und den Wälzer von Autor Hugo auf das hollywoodsche Maß reduziert. Leichte Kost wurde aus dem fünf Bücher umfassenden Werk Hugos rausgefiltert.
Liam Neeson ist zum amerikanischen Pendant von Gérard Dépardieu geworden und glänzt in einer facettenreichen Charakterdarstellung. Aber es ist kein historischer Film geworden, denn er nutzt die Epoche nur als Dekor, um die Zeichen der damaligen politischen Zeit anzureißen. Und
warum auch nicht. Kino ist im häufigsten und oft auch im besten Fall Unterhaltung. Und die Vorlage von Hugo liefert alle Elemente, die für Unterhaltung angepaßt werden können. Viele andere Regisseure haben sich vorher an der Geschichte versucht. Bille August ist dabei nichts herausragendes gelugen, aber die Kasse wird klingeln und der Zuschauer ein neues Märchen aus altem Stoff im Kino erleben.