Japan 1997 · 82 min. · FSK: ab 16 Regie: Satoshi Kon Drehbuch: Sadayuki Murai Kamera: Hisao Shirai Darsteller: Junko Iwao, Rica Matsumoto, Shinpachi Tsuji, Masaaki Ôkura u.a. |
Ein Zeichentrickfilm der sich zu einem großen Teil mit der Schauspielerei befaßt, zeigt die Unterlegenheit des mit Darstellern arbeitenden Mediums auf besonders hinterfotzige Weise. Jede Regung auf die es ankommt ist auch an der gezeichneten Figur zu sehen. Aber nirgends in Perfect Blue gibt es unglaubwürdige Übertreibungen oder hölzerne Soap-Opera-Gefühlsausbrüche. Wer sich Little Girl Who Lives Down The Lane von 1976 mit Jodie Foster ansieht, der weiß, wie gute Schauspielerei ein schlechtes Drehbuch retten kann. Seitdem habe ich so etwas nicht mehr erlebt. Aber ich habe viele gute Zeichentrickfilme gesehen.
Perfect Blue beginnt mit einem Auftritt der Popgruppe Cham. Die Kostüme erinnern an die Sailor-Kriegerinnen aus der klassischen Anime-Serie Sailor Moon. Fans unterhalten sich über Mima, eines der drei Mitglieder von Cham. Die Otakus bieten Filmmaterial der Gruppe feil und unterhalten sich über noch unbestimmte Gerüchte über das Mitglied Mima. Beim Auftritt schließlich sehen wir ein Mitglied des Sicherheitsdienstes in seltsamer Haltung vor den Bühnenabsperrungen kauern. Ein Wechsel zur subjektiven Kamera zeigt uns, daß er Mima vor seinem Auge auf seiner Hand tanzen läßt. Erst durch eingeschobene Gesprächsszenen mit Mima und ihren beiden Agenten Rumi und Tadokoro erfahren wir, daß Mima in die Schauspielerei wechseln wird. Das ist weniger ihre Entscheidung als die ihres Agenten. Mima erhält eine Rolle in der Fernsehserie »Double Bind«, die erst nur aus einem Satz besteht, auf Drängen von Tadokoro aber vom Drehbuchautor ausgebaut wird. Die ausgebaute Rolle aber steht ihrem bei Cham geschaffenen Image diametral entgegen: Sie spielt nun eine Stripperin die auf der Bühne vergewaltigt wird. Die oben genannte Jodie Foster ist die einzige Schauspielerin die in Perfect Blue genannt wird – was mehrerlei Gründe hat: Die Nennung verweist einmal auf die Vergewaltigungsszene. Eine solche Szene hat Jodie Foster in Accused auch nicht geschadet, suggeriert Tadokoro. Gleichzeitig schwingt das Attentat auf Ronald Reagan durch einen fanatischen Anhänger mit – ein Motiv daß sich im Laufe von Perfect Blue noch verfestigen wird. Wir erfahren, daß Mimas Managerin Rumi selbst ehemals in einer Girl Group sang und Mimas Imagewechsel weniger positiv beurteilt als Tadokoro. Währenddessen hat Mima eine von einem Fan geschaffene Homepage entdeckt auf der ihr Leben genau beschrieben wird. Die Homepage enthält Texte aus der Sicht des Idols Mima, die jedoch nicht von ihr geschrieben sind. Sie liest ihre öffentlich zugänglichen und nicht von ihr selbst verfassten Gedanken über das Elend ihrer Schauspielertätigkeit. Gleichzeitig beginnt eine Serie von Morden an Personen die an Mimas Imagewechsel beteiligt sind. Der Film wechselt in dieser Phase zwischen Beurteilungen von Fans, subjektiven Eindrücken von Mima beim Drehen, Dialogen der Schauspielerin Mima mit dem imaginierten Popidol Mima und einer objektiven Perspektive hin und her. Weiter aufgehoben werden diese konkurrierenden Ebenen von Realität durch den Ausbau des von ihr gespielten Charakters in »Double Bind«: Die Stripperin begeht Morde im Zustand der Schizophrenie. Perfect Blue hält hier, was The Matrix versprach und nicht einlöste: Ständige Wechsel der Realitätsebenen die wie ein Teppich unter dem doppelten und dreifachen Boden weggezogen werden. Erst gegen Schluß merkt der Zuschauer, daß das Ganze eine Drehung mehr hat als vermutet.
Perfect Blue hinterläßt in doppelter Hinsicht den Eindruck daß die Schauspielerei eine barbarische, unmenschliche und unzeitgemäße Form von entfremdeter Arbeit ist, die man in Zeiten entwickelter Produktionsmittel besser dem Computer überläßt. Auch dem Zuschauer zuliebe.