USA 2000 · 129 min. · FSK: ab 16 Regie: Robert Zemeckis Drehbuch: Sarah Kernochan, Clark Gregg Kamera: Don Burgess Darsteller: Harrison Ford, Michelle Pfeiffer, Diana Scarwid, Joe Morton u.a. |
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Rear Window |
Vorbemerkung: Es ist kaum möglich, über diesen Film zu schreiben, ohne dabei potentiellem Publikum die eine oder andere Überraschung zu verderben. Ich werde mich jedoch bemühen, in dieser Hinsicht zumindest mit mehr Fingerspitzengefühl zu Werke zu gehen als der gnadenlos verräterische Trailer.
Die Oberfläche ist trügerisch: Ein wunderschönes Haus in Neu England, an einem malerischen See gelegen. Sorgloser Wohlstand, eine glückliche Ehe, in der es trotz der vorgerückten Jahre erotisch noch immer funkt. Der Mann erfolgreich im Dienste der Wissenschaft, ein Genforscher. Die Frau eine stolze, (schon fast zu sehr) fürsorgliche Mutter, die ihr vielversprechendes Musiker-Talent für Mann und Tochter geopfert hat.
What Lies Beneath, was unter der idyllischen Oberfläche liegt, was am Grund des stillen Sees treibt, ist weniger friedlich. Es scheint zu spuken im Haus der Spencers (das vom Vater Mark Spencers geerbt ist, der seine eigene düstere Geschichte hat). Die schöne Fassade – das wird Claire mit wachsendem Grauen klar – ist erkauft um den Preis eines dreckigen Geheimnisses, das nicht stumm in seinem Grab verharren will.
Die Oberfläche ist trügerisch: Kaum eine Gelegenheit lässt Robert Zemeckis in What Lies Beneath aus, um als seinen offensichtlichen Referenzpunkt Hitchcock zu etablieren. Den (vermeintlichen) Mord im Nachbarhaus kennt man aus Rear Window und gleich mehreren Episoden von Alfred Hitchcock Presents. Die im (möglicherweise eingebildeten) Spukhaus gefangene Ehefrau ist aus Rebecca und Under Capricorn vertraut. Die gelähmte, nur zum Schauen fähige Filmfigur als Reflektion der Zuschauersituation ist ein Hitchcock-Topos, der bei Zemeckis in einer gelungenen Suspense-Sequenz mit einer sich unaufhaltsam füllenden Badewanne seine Re-Inkarnation findet. Und bis in Details geht die Anlehnung: Eine Einstellung, in der die Kamera einer Person durch eine Tür folgt, welche von der Person dabei unsichtbar quasi hinter der Kamera geschlossen wird, gibt es in zwei, drei Hitchcock-Filmen (z.B. The Wrong Man) – und meines Wissens nach zuerst und fast ausschließlich nur dort.
Dennoch ist What Lies Beneath denkbar weit davon entfernt, ein Film im Geiste Hitchcocks zu sein. Sei’s die Montage, die deutlich weniger analytisch ist als die des Meisters, sei’s das reichhaltige Angebot an Schockeffekten (bei Sir Alfred weitaus dünner gesät, als man gemeinhin annimmt), sei’s der ungebrochen zentrale Platz, den das Übersinnliche hier einnimmt, oder sein’s die falschen Fährten und (mehr oder minder) überraschenden Wendungen der Handlung – von denen What Lies Beneath gelegentlich fast mehr zur Auswahl hat, als ihm idealerweise gut täte.
Was What Lies Beneath, hinter seiner faux-Hitchcockschen Fassade tatsächlich ist, ist ein in jeder Hinsicht – von Schauspielern über Kamera und Licht bis zur Ausstattung – enorm gediegener, trügerisch ruhiger, bewusst klassischer Thriller. Ist eine gutgeölte Gruselmaschine, die sich vielleicht ein wenig speist vom kollektiven Unbehagen an unserer schönen neuen, neoliberalen Welt des Wohlstands und des Triumphs von Ratio und Technologie. (Auf seine Weise gehört auch Mark Spencer in die ehrwürdige Reihe der mad scientists, der Jeckylls und Frankensteins.) Und ist ein Film, der so lange mit Finten und irreführenden Möglichkeiten spielt – war’s der Nachbar?; sieht Claire Gespenster, die gar nicht da sind?; haben wir’s mit einem verkappten Remake von Carnival of Souls zu tun? – dass die Erklärung, für die er sich schließlich entscheidet, dass das letzliche Abdriften in Action und Tempo, ein wenig als Enttäuschung anmuten mag. Bis der Oberflächenreiz, die pure Kraft und Schönheit der Bilder dann doch wieder versöhnt: so viel schauerromantischer Kitsch sei vergönnt; effektvoll inszenierte Wasserleichen verfehlen ihre Wirkung nicht.