Spanien 1996 · 123 min. · FSK: ab 12 Regie: Julio Medem Drehbuch: Julio Medem Kamera: Javier Aguirressarobe Darsteller: Carmelo Gómez, Emma Suárez, Karra Elejalde, Silke Hornillos Klein u.a. |
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Himmlisch und erdverbunden |
Nomen est omen: Ángel, der Name der Hauptfigur, bedeutet auf Spanisch Engel. Ob es wirklich ein Engel ist, was ihn da seit einiger Zeit begleitet, bleibt offen – vielleicht ist der junge Mann auch einfach psychisch krank. Man erfährt jedenfalls, dass Ángel schon einmal in entsprechender Behandlung war. Jetzt kommt er, der als Schädlingsbekämpfer arbeitet, in ein kleines Dorf, wo mit seiner Anwesenheit bald das soziale Gefüge gehörig durcheinander gebracht wird. Ángel (Carmelo Gómez) verliebt sich überdies in zwei Frauen, in die bodenständig-rebellische Mari (Silke Hornillos Klein) und in die ätherische Ángela (Emma Suárez), die womöglich auch ein Engel ist. Und weil diese beide seine Liebe erwidern, muss er einen Ausweg aus dem Dilemma finden.
Neben Pedro Almodóvar ist der 38jährige Julio Medem der international bedeutendste und für nicht wenige Beobachter sogar der bessere spanische Gegenwartsregisseur: Drei seiner bisher fünf Spielfilme (zuletzt Lucia und der Sex) liefen erfolgreich auch in Deutschland. Tierra, der jetzt in die Kinos kommt, ist sein dritter Film und entstand bereits 1996. Medems Filme sind Märchen für Erwachsene, komplexe, psychologisch tiefschürfende und dabei poetische Traumspiele die ebenso an Traditionen des katholischen Mittelalters und der spanischen Barockliteratur anknüpfen, wie an den in Medems Heimat besonders einflussreichen Surrealismus. Gerade in Tierra bewegt sich Medem direkt auf den Spuren Bunuels. Mehr als einmal kommen einem dessen Filme in den Sinn, vor allem Dieses obskure Objekt der Begierde. Dort wurde die Frau, in die sich die Hauptfigur verliebte, je nach deren innerem Zustand von zwei verschiedenen Darstellerinnen gespielt. Hier nun ist der Mann womöglich zweigeteilt und nur halb von dieser Welt. Und die beiden Frauen verkörpern die zwei Möglichkeiten der Liebe: dezente Anbetung und sexuelles Begehren.
Was in dieser Beschreibung ein wenig konstruiert klingt, ist im Kino ein Feuerwerk der Sinne: Mitreißend, stellenweise atemberaubend, immer romantisch. Dabei beweist der Regisseur, dass das Kino selbst dort, wo es kitschig wird, noch klug sein kann: Medems Filme sind Erscheinung gewordene Philosophie mit einer ganz eigenen, sehr spanischen Note; doppelbödige Vexierspiele voller Einfallsreichtum, Energie und Zauber. Denn auch das weiß Medem von Bunuel: Die Wahrheit, so es überhaupt eine gibt, ist jedenfalls schön.