USA 2009 · 105 min. · FSK: ab 12 Regie: John Hamburg Drehbuch: John Hamburg, Larry Levin Kamera: Lawrence Sher Darsteller: Paul Rudd, Jason Segel, Rashida Jones, Andy Samberg, J.K. Simmons u.a. |
||
I love it, man! |
Deutsche Verleihtitel besitzen auffallend häufig die Eigenschaft, viele potentiell interessierte Menschen vom Kinobesuch abzuhalten. Diese Hypothese stelle ich einfach mal auf, kann sie weder durch Statistiken noch sonstige empirische Befunde unterstreichen, wäre aber bereit, viel Geld, das ich nicht habe, darauf zu wetten. Der im Vorjahr gelaufene Tödliche Entscheidung beispielsweise, das ist so ein Fall. »Was will er denn? Ist doch ein guter Titel!«, werden Sie jetzt sagen. Nur so lange Sie den poetischen Originaltitel von Sidney Lumets letztem Film nicht kennen.
Besonders häufig betroffen von diesem Phänomen scheinen bedauerlicherweise Werke aus dem Umfeld des neuen amerikanischen Komödiengurus Judd Apatow zu sein. Man muss nicht besonders snobistisch veranlagt sein um sich von Filmtiteln wie Nie wieder Sex mit der Ex oder Beim ersten Mal nicht angesprochen zu fühlen. Nun ist seit ein paar Wochen Trauzeuge gesucht! in den deutschen Kinos. Durch meine Gehirnwindungen schießt zuerst einmal ein Wort: Romantic Comedy. Ein Wort, das mich an uninspirierte Hollywood-Stangenware erinnert. Welche Bilder beginnen im Kopf zu schwirren? Reiche Gegend, Frauen in Kleidern und Männer in Anzügen, Heiratsanträge, Hochzeiten, Dinners… Die Ironie ist, dass alle diese Dinge tatsächlich vorkommen in Trauzeuge gesucht!. Und der Titel im Gegensatz zum amerikanischen Original I Love You, Man trotzdem fehl am Platz ist.
Gleich in der ersten Szene des Films macht Immobilienmakler Peter (Paul Rudd) seiner Freundin Zooey (Rashida Jones) einen Heiratsantrag, den sie überglücklich annimmt. Im Laufe der Vorbereitungen zur Hochzeit stellt sich aber ein Problem. Während Zooey rund sieben Freundinnen als Brautjungfern begleiten werden, wüsste Peter niemanden, den er bitten könnte, sein Trauzeuge zu sein. Er hat keinen einzigen männlichen Freund. Um das zu ändern lässt er sich auf so genannte man dates ein, bei denen er sich mit Männern „verkuppeln“ lässt, die er noch nie zuvor getroffen hat. Als er das schon fast aufgegeben hat, trifft er auf einer Verkaufsparty den offenherzigen Sydney Fife (Jason Segel). Die beiden kommen sofort gut miteinander aus und tatsächlich entwickelt sich langsam eine richtig enge Freundschaft.
Das klingt nicht besonders außergewöhnlich und auch aus gutem Grund, denn die Story ist es nicht. Die weiteren Wendungen der Geschichte sind genau so wenig überraschend, wirken wie aus dem kleinen Einmaleins für Drehbuchautoren. Auch visuell betritt der Film kein Neuland und die Sets wirken häufig wie aus O.C. California. Wie bei vielen aktuellen US-amerikanischen Komödien liegt das Geheimnis des Erfolgs auch bei I Love You, Man an den Charakteren. Sie stehen im Zentrum, erhalten viel Raum, uns mit ihren Eigenheiten zum Lachen zu bringen. Das gilt vor allem für Peter und Sydney, sie stehen hier im Scheinwerferlicht, denn sie verkörpern das Thema, das Regisseur und Autor John Hamburg offensichtlich beschäftigt: Männerfreundschaft.
Freundschaft zwischen Männern ist ein heikles Thema, erst recht für Peter. Er kann nicht pokern, nicht richtig saufen, interessiert sich nicht für Fußball. Das ist ein Hemmschuh, denn über diese Dinge funktionieren Männerfreundschaften nun mal oft. Zum Glück gibt’s da die Musik, die Sydney und Peter vereint. Da können sie sich stundenlang in ihrer „Männerhütte“ verschanzen und auch schnell mal vergessen, was das Wort „kultiviert“ eigentlich bedeuten soll. Sie erleichtert es auch den beiden, sich anzunähern, vor allem Peter, der mit seiner Verlobten über alles reden kann, aber eben nur mit ihr. Musik ist eines dieser Elemente einer Freundschaft, die nicht unterschätzt werden dürfen. Man kann Musik getrost durch Fußball, Literatur oder Segelfliegen ersetzen. Das Gemeinsame ebnet den Boden für Intimität.
Jetzt ist das Wort gefallen – Intimität. Wie soll das überhaupt gehen – zwischen Männern? Man ist ja nicht schwul… Wie zeigt man denn seinem Freund, dass man ihn mag? Wie kann man lernen, offen über seine Gefühle zu sprechen? Im Fall von Peter übernimmt das Sydney. Der ist die pure Verkörperung von Lockerheit – nahe am reinen Klischee, aber von Jason Segel mit Leben erfüllt – ein Casanova, wie er im Buche steht, erklärt Peter offen seine jack-off station, gibt einen Dreck darauf, wer in seinem Hundedreck landet (der eine magische Anziehung auf Sportler ausüben dürfte), er scheut weder den Hulk noch kurze philosophische Einschübe über Beschränkungen, die uns die Gesellschaft auferlegt. Und natürlich ist er sattelfest, was männliche Freundschaftsregeln betrifft.
Können Männer sich umarmen? Natürlich! Kann man sagen I Love You, Man? Na klar. Wenn Peter immer wieder versucht, wie einer der anderen Jungs zu sprechen und dabei von Mal zu Mal scheitert, gehört das zum Herzerweichendsten und Komischsten, das eine Romantic Comedy, die eigentlich keine ist, uns bescheren kann. Wie sehr hab ich mich gefreut, als Peter beim Biersaufen einmal der Schnellere war. Die Freude währte nur kurz – aber was soll’s, er ist einfach mehr der girlfriend guy.
Paul Rudd und Jason Segel spielen das ungleiche, in pubertärem Leichtsinn vereinte Freundespaar mit einer natürlichen Chemie, die seinesgleichen sucht. Sie hauchen dem Film Leben ein. Man könnte hier natürlich die etwas gar glatte Oberfläche des Films kritisieren oder die Schema F-Story. Das würde aber, genau wie der deutsche Titel Trauzeuge gesucht!, an der Oberfläche picken bleiben. Worum es hier geht, sind Unsicherheiten der Männer im Umgang miteinander. Wer in diesem Film viel lacht, wird auch viel Wahres eben darüber herausgefiltert haben. I Love it, Man!