GB/F/B/USA 2017 · 124 min. · FSK: ab 16 Regie: Tommy Wirkola Drehbuch: Max Botkin, Kerry Williamson Kamera: José David Montero Darsteller: Noomi Rapace, Glenn Close, Willem Dafoe, Marwan Kenzari, Christian Rubeck u.a. |
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Dystopischer Spiegel der Welt |
»Schön Hühnchen,
Schön Hähnchen
Und du schöne, bunte Kuh,
Was sagst du dazu?«
– Gebrüder Grimm, Das Waldhaus
Eigentlich nicht verwunderlich, dass Tommy Wirkola es nach seinem Gebrüder Grimm-Remix Hansel & Gretel: Witch Hunters (2013) nicht bei einer Grimm-Adaption belassen konnte. Doch anders als in seiner vergrimmten Fantasy-Action-Horror-Komödie, die es trotz vernichtender Kritiken inzwischen zu Kultstatus gebracht hat, lässt Wirkola in What Happened to Monday? nicht nur das Fantasy-Genre hinter sich und tauscht es gegen dystopischen Science Fiction ein, er tilgt auch sonst noch alles, was an Grimm erinnern könnte.
Doch wer seinen Grimm kennt, sieht in What Happened to Monday? schon nach zehn Minuten einen der besten alten Stoffe der Grimms hindurchschimmern, das Waldhaus, in dem es nur zahlenmäßig – und natürlich genremäßig – ein wenig anders zugeht als in Wirkolas neuem Film. Arm sind die Menschen zwar immer noch, doch die Armut der Zukunft im Jahre 2043 ist eine andere. Weil die Überbevölkerung nicht in den Griff zu kriegen ist, schiebt ein von der Regierung eingesetztes »Child Allocation Bureau« den zunehmenden Zwillingsgeburten einen Riegel vor. Nur das älteste Kind darf leben, die anderen werden in einen innovativen Tiefschlaf versetzt, der erst dann beendet werden soll, wenn es der darbenden Welt wieder besser geht. Diese an alte maoistische Zeiten erinnernde, mit Gewalt realisierte Einkindpolitik trifft nur vereinzelt auf Widerstand. Doch 2073 wird klar, dass zumindest eine Familie es geschafft hat, ihre sieben Zwillinge an den Kontrollen vorbei zu schleusen. Zur Unterscheidung und um die Arbeits- und Ausgehtage klar zu reglementieren hat ihr Großvater die sieben Mädchen nach den Wochentagen benannt. Doch was Jahre gut ging, wird 2073 plötzlich zum Problem, als ein Mädchen nach dem anderen nach dem üblichen Arbeitstag nicht wieder nach Hause kommt.
Schon an dieser Stelle wird klar, dass Wirkola es in seiner thematischen Antipode zu Alfonso Cuaróns Children of Men diesmal Ernst meint und der Humor aus Hänsel und Gretel – Hexenjäger passé ist. Er taucht seine Zukunft in Dreck und Elend, und es ist gerade im Vergleich zu Denis Villeneuves aseptischer Dystopie in Blade Runner 2049, der ja nur ein paar Jahre später spielt, eine wirkliche Wohltat, den Dreck endlich auch wieder zu spüren und bei den zahlreichen Action-Szenen keinem Ballett zusehen zu müssen, sondern Körpern, die es Ernst meinen, die aufeinanderkrachen, die bluten und die schreien und wiederauferstehen und nicht im Nebel verschwinden – und vor allem das Replikantenthema einmal völlig anders variiert zu sehen. Wirkola schert sich nicht um Kunst, ihm scheint es egal zu sein, ob sein Film wie schon die Grimms »nur« ein besseres B-Film-Rating erhält. Es gibt Plotbrüche und fragwürdige Momente und immer wieder einen Kampf, der auch kürzer hätte ausfallen können. Aber Wirkolas Geschichte, die er zu erzählen hat, ist zu gut, um daran zu zerbrechen und sein Plot läuft zum Ende des Films tatsächlich schwindelerregend heiß.
Und dann ist da noch Noomi Rapaces, die durch ihre Rolle als Lisbeth Salander in der Millennium Series (The Girl with the Dragon Tattoo) bekannt wurde, hier aber, flankiert von Glen Close und Willem Dafoe, in der Rolle der Monday-Sunday gleich sieben Charaktere verkörpert, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Rapace spielt nicht nur siebenfachen Alltag und eine siebenfache Sozialisierung, sie verkörpert sie und schafft es dabei, auch noch als dystopischer Spiegel die Welt zu reflektieren, die Wirkola um sie gebaut hat. Eine Welt, die am Ende tatsächlich vibriert und so aus einem Märchen dann doch eine Geschichte des Widerstands in einem totalitären System wird.