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vortrag
friedemann malsch
jenseits der euphorie.
was vom mythos video bleibt

vortragsreihe der fachschaft kunstgeschichte im januar und februar


Die Videokunst hat heute weitestgehend die Anerkennung als künstlerische Gattung, die in öffentlichen Sammlungen und Galerien vertreten ist, erlangt. Doch die allgemeinen Akzeptanz ist, ähnlich wie bei der Fotografie, erst mit einer großen zeitlichen Verzögerung eingetreten.

Man kann bei Lucio Fontana, der 1952 mit seinem Manifest einen Ausgleich der Positionen Marinettis und Brechts herbeigeführt hatte, eine Wurzel der Videokunst sehen. Der Futurist Marinetti hatte schon in den frühen 30er Jahren die Möglichkeiten der auf Sendetechnik beruhenden Medien als Kunst erkannt und formuliert, während Brecht große Bedenken gegen die Technisierung der Gesellschaft geäußert hatte.
Doch erst nachdem das Fernsehen als nicht mehr neuartiges Medium vollständig ins Leben integriert war und so eine Fernseh-Realität entstand, mit der die Künstler arbeiten konnten, entwickelte sich eine genuine Fernseh- und Videokunst.

Die Ausstellung Nam June Paiks 1963 in Wuppertal gilt traditionellerweise als Geburtsstunde des Künstlervideos. Die vom Künstler technisch manipulierten Bildröhren wurden bei der Ausstrahlung des normalen Fernsehprogramms sowohl von dem zappenden" Besucher als auch durch den Zufall gelenkt.'Interaktivität' war also nur begrenzt möglich. In der Folgezeit erlebte die Videokunst einen kometenhaften Aufstieg. Von der ersten 'Medien'-Dokumenta 1977 bis hin zu der 1989 (und der 1996?). Für die Etablierung im Kunstmarkt war die Ausstellung "Videoskulptur" im Kölner Kunstverein von Wolf Herzogenrath organisiert bedeutsam. Diese Ausstellung, die den Begriff der Videoinstallation prägte, war wegweisend für die heutige Position der Videokunst.
Für diesen Erfolg sind wohl dieselben Leute verantwortlich, die heute die Videokunst totsagen und sich neueren Technologien wie zum Beispiel dem Internet zuwenden. Diese Bewunderer waren in ihrer Fixierung auf den Modernismus und die Doktrin des Neuen als fundamentale avantgardistische Kategorie von der neuen Kunst begeistert. Doch im Schatten dieser Begeisterung wurde weiterhin die Diskussion über die Kunstwürdigkeit von Technik geführt, so daß sich ein Graben zwischen den Hardlinern des Modernismus und den der neuen Technologie skeptisch gegenüberstehenden Kunstfreunden und -experten bildete.
Die Bemühungen der Videoverteidiger um dieses Medium endeten in dem Versuch, die Videokunst als eine neue Gattung zu formulieren. Nachdem nun die Videokünstler aber aus den unterschiedlichsten Richtungen kamen, Paik beipielsweise von der experimentellen Musik und Les Levine von der Minimal und der Concept Art, ließ sich keine gemeinsame inhaltliche Basis dieser verschiedenen Ansätze der Videokunst finden, so daß man sie rein vom Video als Medium und nicht von der Kunst her anging.
Das führte natürlich zu einem Erlahmen des Interesses, das sich nun wieder auf die heutzutage neuen Technologien, die das Video als Neues ablösten, konzentriert. Und dieses Hinwenden zu den aktuellen Medien löst wiederum viele derjenigen, die Ressentiments gegenüber der Videokunst haben, diese als Modeerscheinung abtun und ihr jegliche Kunstwürdigkeit absprechen. Der formalistische Ansatz der ehemaligen Bewunderer konnte die Videokunst nur oberflächlich berühren.

Blickt man auf die von Walter Benjamin ins Spiel gebrachte kontextuelle Dimension, also eine veränderte Rezeption durch ein verändertes Publikum, so eröffnen sich neue Perspektiven bei der Betrachtung der Videokunst. Die Fernsehgeneration mit ihrer individualisierten, oberflächlichen en passant-Rezeption des Gesehenen stellt einen fundamentalen Unterschied zum Kinopublikum dar, das in der ersten Jahrhunderthälfte Filme im Kinosaal wie bei einem Ritual aufnahm. Dieser Wandel der Rezeption muß in seiner spezifischen Signifikanz erfaßt werden, um die zeitgenössische Kunst und auch das Video unvoreingenommen betrachtenen zu können.

Dadurch, daß in den 90er Jahren Video nicht mehr "neu", sondern als Kunst akzeptiert ist, kann eine qualitative Bewertung der Videos im Zusammenhang mit der breiten Diskussion um Kunst ermöglicht werden.
Die intermediäre Struktur der Videokunst ist zwar durch die traditionellen Verfahrensweisen der Kunstwissenschaft nicht faßbar, bietet aber ein weites Feld für ideengeschichtliche Verfahren und ist Ausdruck unserer heutigen Cross-Kultur.

Dietlind von Pfeffer und Rasmus Kleine

Um Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge wird gebeten.





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