Dem Schuster seine Leisten |
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Uschi Obermeier an einem der fünf Seen und der Roten Sonne entgegen |
Von Axel Timo Purr
Wem das gerade zu Ende gegangene Münchner Filmfest wegen seiner ständigen Identitätsfindungskrisen als ewiger Zweiter in der Filmfestlandschaft Deutschlands nicht so recht behagt, hat nun zum sechsten Mal die Chance, sich nicht weit vom Krisenherd ein wenig Klarheit zu verschaffen. Dass dies ausgerechnet beim ewigen Zweiten der bayerischen Filmfestlandschaft möglich ist, mag vielleicht nicht mehr als eine schöne ironische Note sein, aber dass »local goes global« an den Fünf Seen gegenüber »global goes local« in München zumindest charakterlich besteht, sollte doch nachdenklich stimmen.
Auch in diesem Jahr liegt der Schwerpunkt des Fünf Seen Filmfestivals südlich von München dediziert bei Filmen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Alpenraum. Dementsprechend entsteht eine dichte Melange unterschiedlichsten deutschsprachigen Lokalkolorits: diesjähriger Ehrengast ist der Schauspieler Ulrich Tukur (Der Stellvertreter, Das Leben der Anderen, Das weiße Band), der das Festival am vom 26.7. – 29.7 im Rahmen einer Retroperspektive seiner Filme besucht. Martina Gedeck (Das Leben der Anderen, Der Baader Meinhof Komplex) wird als Special Guest am 29.07. zum Screening von Geliebte Clara und Bella Martha anwesend sein. Und dem Schweizer Regisseur Fredi Murer (Vitus, Höhenfeuer) ist vom 28.7. – 31.7. eine kleine Werkschau gewidmet. Aber auch in der historischen Sektion entfernt sich das Fünf Seen Festival konsequent nicht von seinen Ursprüngen und bleibt vernünftigerweise bei seinen Leisten: Zum 100-jährigen Stadtjubiläum seiner Hauptspielstätte Starnberg präsentiert das Fünf Seen Filmfestival einen Streifzug durch 100 Jahre Kino-Geschichte der Seegemeinde Starnberg; von der Stummfilmzeit (König Ludwig II oder Das Schweigen am Starnberger See (1920)) über Rudolf Thomes Rote Sonne aus dem Jahr 1970 (allein schon wegen Uschi Obermeier als Peggy, die im VW Käfer ans Ufer des Starnberger Sees und der Sonne entgegen fährt, sehenswert und dazu noch auf großer Leinwand!) bis zu Achternbusch.
Und da nicht nur die Welt nichts wäre ohne ständiges Wachstum, wächst sie auch an den fünf Seen. Zu den bereits bestehenden Spielstätten in Starnberg, Schloss Seefeld, Herrsching, Wörthsee und Wessling kommt in diesem Jahr mit dem Kinosaal im Augustinum in Diessen am Ammersee eine weitere hinzu. Andere Dinge bleiben, so wie sie sind, etwa das Open-Air-Screening und die Prämierung des besten Kurzfilms auf der nächtlichen Dampferfahrt rund um den Starnberger See am 02.08.2012. Und eine zaghafte Ausrichtung in die ständig wachsende internationale Welt des Kinos ist nicht nur an den drei Weltpremieren, acht Deutschlandpremieren und einer Bayernpremiere ablesbar – insgesamt sind mehr als 140 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 20 Ländern gelistet.
Aber ohne Nachwuchs kein Wachstum. Erst recht nicht in der so zarten, fragilen regionalen Kinolandschaft. Um das junge Publikum näher an die Festival- und Kinoszene heranzuführen wird ein mit einem Gymnasium erarbeiteter Young-Generation-Award ausgelobt und pünktlich zu Beginn der Sommerferien ein ausgedehntes Kinderfilmprogramm mit prämierten Kinderfilmen, unentdeckten Neuheiten und einer Retrospektive zum deutschen Kinderfilm-Regisseur Arend Agthe (Flußfahrt mit Huhn) angeboten.
Ob dies letztlich dazu beiträgt, dem Vergessen gerade bezüglich Film und Kino vorzubeugen, ist zweifelhaft. In einer vor kurzem vorgenommenen Befragung in einem Filmseminar an einer deutschen Universität war den Studenten nur ein Regisseur von dreien, die zur Auswahl standen, ein Begriff: Alfred Hitchcock. Sowohl Peter Greenaway als auch Michelangelo Antonioni waren ihnen völlig unbekannt. Zumindest für Antonioni stehen die Chancen im Fünf Seen Gebiet ein wenig besser – sein großartiger Film L’avventura (1961) wird im Rahmen der Sektion Fokus Drehbuch auf großer Leinwand gezeigt.
6. Fünf Seen Festival
26.7. – 5.8.2012