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Repräsentiert die Massenkultur eigentlich noch die Masse?

  17.10.1996
 
 
 
 

Letztens lief ich an einem dieser Plakate von "Worlds Apart" vorbei und wunderte mich über die dümmlichen Gesichter, die einem mit dem was sie wahrscheinlich für einen verführerischen Blick halten, entgegengrinsen. Ich frage mich, was das Geheimnis ihres Erfolges ist? Während ich mit meinem Auto durch die Stadt kurve, bin ich mal wieder auf der Suche nach einem erträglichen Radiosender und es fällt mir auf, daß eigentlich niemand den ich kenne die Musik im Radio gerne anhört. Dann sehe ich, daß ein schwachsinniger Film wie Twister wochenlang direkt hinter I.D. Day in den Kinocharts steht. Keiner, kein Einziger, noch nicht mal dem Sohn meiner Nachbarin gefällt dieser Film. (Anm. d. Red.: Doch, ich hab sehr gelacht. Max) Doch jeder redet von Erfolg und erklärt die Zuschauerzahlen mit den aufsehenerregenden Effekten.

Seit wann reagieren Zuschauer auf bloße Effekte und wie kommen diese Zahlen zustande?

Ich sehe ein paar deutsche Jungproduzenten, die sich solche Erfolge als Maßstab nehmen,hörbar in ihren spärlichen Bart nicken und sagen: aber das sind eben die Filme, die die höchsten Besucherzahlen einspielen! Das ist das was die Leute sehen wollen! Wollen sie das wirklich?

Wie wird entschieden, was die Leute ansehen wollen? Möglicherweise ist irgendwas falsch an der Methode! Vielleicht hinkt die Marktforschung auch einfach immer etwas hinterher oder geht von falschen Prämissen aus. Zumindest ist irgendetwas faul!

Bisher sind wir so erzogen, daß das was uns als Massenprodukt vorgesetzt wird das ist, was die anderen wollen. Auch wenn wir es nicht mögen, so ist wahrscheinlich (so nehmen wir an) ein Großteil der Bevölkerung damit einverstanden. Jede Unzufriedenheit bezieht man auf sich selbst und seinen Freundeskreis und kommt nicht im mindesten auf die Idee den Werdegang von dem was wir Massenkultur und Massenprodukte nennen in Frage zu stellen. Filme wie Twister beziehe ich da mit ein.

Im Screenwriters Magazine Creative Screenwriting ( Frühjahr1995) kommt Drehbuchautor Ira Nayman bei seiner Untersuchung, ob Hollywood überhaupt an guten Scripts interessiert sei, zu einem in unserem Zusammenhang interessanten Schluß. Er fängt an mit der Prämisse, daß in Hollywood (ich sehe dies stellvertretend für das was überall passiert) das Gute durch das Schlechte verjagt würde.

Dies führt er auf folgendes zurück: Natürlich hat eine Major Company mehr Geld und steckt auch mehr Geld in PR, als irgendeine kleine unabhängige Produktionsfirma. Daudurch werden manche Produkte so gehyped, daß man sie einfach nicht übersehen kann. Da nun aber die Einspielergebnisse nur durch die Zuschauerzahlen der ersten Wochen ermittelt werden, ist es offensichtlich, das ein Produkt, daß entsprechend beworben wurde oder durch einen Star eine gewisse Menge an Leuten zieht immer besser abschneidet als ein kleinerer, unbekannter Film. Da in einer Milchmädchenrechnung ganz blauäugig der Schluß gemacht wird Einspielergebnis= Das was die Leute sehen wollen, entsteht also ein vollkommen falscher Eindruck. Die Medienmacher leben sozusagen in einer leicht verschobenen Realität. Natürlich ist nicht jede Majorproduktion kompletter Schwachsinn und unansehnlich, jedoch sind viele dabei, die langweilig sind und die man als Zuschauer gerademal so akzeptieren kann. (Das gilt übrigens auch für Musik)

Diese Produktionen als Maßstab zu nehmen hat genau den Effekt, der jetzt eingetreten ist. Es beschert uns leider eine Menge von mittelmäßigen Produkten, die man nur mit einem schalen Gefühl konsumieren kann.

Hinzu kommt, daß viele der Entscheidungsträger im Medienbereich an chronischer Unsicherheit leiden und ihrem eigenen Gechmacksempfinden nicht über den Weg trauen. Wie oft hört man Sätze von Redakteuren oder Musikproduzenten wie: "Mir persönlich gefällt das ja, aber die Leute wollen was anderes sehen/ hören usw." Bzw. umgekehrt: "Ich weiß zwar, was für eine Scheiße das ist, aber genau das ist es was die Leute wollen!"

Wenn sie sich da nicht mal irren! Denn eigentlich sind es die kleinen Überraschungserfolge, bzw. die unabhängigen Produktionen, die ohne viel Werbeaufwand neben den Majors bestehen können, die die Gewinner um die Gunst des Publikums sind. Oft sind diese Filme/Musikstücke überraschend frisch und intelligent.

Könnte das nicht den Schluß bedeuten, daß der Zuschauer nach interessanter und intelligenter Unterhaltung geradezu lechzt und nicht ganz so dumm ist, wie die Medienmacher heutzutage im allgemeinen annehmen? Vielleicht sollten sie (die Medienmacher) auch nicht davon ausgehen, daß sie soviel klüger und brillianter sind als ihre Zuschauer und versuchen wirklich hinter dem zu stehen, was sie da eigentlich auf den Markt werfen.

Oder man setzt einfach andere Maßstäbe an, damit wir (die Masse) in Zukunft von Schwachsinn verschont bleiben!

Als Zusatz wäre noch anzufügen, daß das Zeitalter der Massenkultur wie wir sie kannten, eigentlich schon längst in den letzten Zügen liegt. Die Neuen Medien erlauben zum Glück ein individuelleres Auswählen und Filtern von dem was man sich so vor die Sinne schraubt. Doch es wird wahrscheinlich noch ein wenig dauern, bis die Medienmacher sich darauf einstellen und Konzepte entwerfen, die sie vor dem Ausbleiben von Konsumenten schützt. (Ich meine jetzt nicht irgendwelc he langweiligen und überflüßigen Internetseiten irgendeiner Autovermietung oder so!). Die momentan stattfindende Inflation von Bildern und Tönen kurbelt sich wie eine Endlosspirale in ungeahnte Höhen und verdrängt sowieso die Bedeutung des einzelnen Bildes. Vielleicht rettet uns das ja vor dem tiefen Graben, der sich auftut zwischen Massenprodukten und dem was die Masse wirklich will und den Einzelnen vor den Untiefen eines enttäuschten Konsumentenherzens bewahrt.

Groni

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