Letztens lief ich an einem dieser Plakate von "Worlds Apart"
vorbei und wunderte mich über die dümmlichen Gesichter, die einem
mit dem was sie wahrscheinlich für einen verführerischen Blick
halten, entgegengrinsen. Ich frage mich, was das Geheimnis ihres
Erfolges ist? Während ich mit meinem Auto durch die Stadt kurve,
bin ich mal wieder auf der Suche nach einem erträglichen
Radiosender und es fällt mir auf, daß eigentlich niemand den ich
kenne die Musik im Radio gerne anhört. Dann sehe ich, daß ein
schwachsinniger Film wie Twister wochenlang direkt hinter I.D. Day
in den Kinocharts steht. Keiner, kein Einziger, noch nicht mal dem
Sohn meiner Nachbarin gefällt dieser Film. (Anm. d. Red.: Doch,
ich hab sehr gelacht. Max) Doch jeder redet von Erfolg und
erklärt die Zuschauerzahlen mit den aufsehenerregenden Effekten.
Seit wann reagieren Zuschauer auf bloße Effekte und wie kommen
diese Zahlen zustande?
Ich sehe ein paar deutsche Jungproduzenten, die sich solche
Erfolge als Maßstab nehmen,hörbar in ihren spärlichen Bart nicken
und sagen: aber das sind eben die Filme, die die höchsten
Besucherzahlen einspielen! Das ist das was die Leute sehen wollen!
Wollen sie das wirklich?
Wie wird entschieden, was die Leute ansehen wollen?
Möglicherweise ist irgendwas falsch an der Methode! Vielleicht
hinkt die Marktforschung auch einfach immer etwas hinterher oder
geht von falschen Prämissen aus. Zumindest ist irgendetwas faul!
Bisher sind wir so erzogen, daß das was uns als Massenprodukt
vorgesetzt wird das ist, was die anderen wollen. Auch wenn wir es
nicht mögen, so ist wahrscheinlich (so nehmen wir an) ein Großteil
der Bevölkerung damit einverstanden. Jede Unzufriedenheit bezieht
man auf sich selbst und seinen Freundeskreis und kommt nicht im
mindesten auf die Idee den Werdegang von dem was wir Massenkultur
und Massenprodukte nennen in Frage zu stellen. Filme wie Twister
beziehe ich da mit ein.
Im Screenwriters Magazine Creative Screenwriting ( Frühjahr1995)
kommt Drehbuchautor Ira Nayman bei seiner Untersuchung, ob
Hollywood überhaupt an guten Scripts interessiert sei, zu einem in
unserem Zusammenhang interessanten Schluß. Er fängt an mit der
Prämisse, daß in Hollywood (ich sehe dies stellvertretend für das
was überall passiert) das Gute durch das Schlechte verjagt würde.
Dies führt er auf folgendes zurück: Natürlich hat eine Major
Company mehr Geld und steckt auch mehr Geld in PR, als irgendeine
kleine unabhängige Produktionsfirma. Daudurch werden manche
Produkte so gehyped, daß man sie einfach nicht übersehen kann. Da
nun aber die Einspielergebnisse nur durch die Zuschauerzahlen der
ersten Wochen ermittelt werden, ist es offensichtlich, das ein
Produkt, daß entsprechend beworben wurde oder durch einen Star eine
gewisse Menge an Leuten zieht immer besser abschneidet als ein
kleinerer, unbekannter Film. Da in einer Milchmädchenrechnung ganz
blauäugig der Schluß gemacht wird Einspielergebnis= Das was die
Leute sehen wollen, entsteht also ein vollkommen falscher Eindruck.
Die Medienmacher leben sozusagen in einer leicht verschobenen
Realität. Natürlich ist nicht jede Majorproduktion kompletter
Schwachsinn und unansehnlich, jedoch sind viele dabei, die
langweilig sind und die man als Zuschauer gerademal so akzeptieren
kann. (Das gilt übrigens auch für Musik)
Diese Produktionen als Maßstab zu nehmen hat genau den Effekt,
der jetzt eingetreten ist. Es beschert uns leider eine Menge von
mittelmäßigen Produkten, die man nur mit einem schalen Gefühl
konsumieren kann.
Hinzu kommt, daß viele der Entscheidungsträger im Medienbereich
an chronischer Unsicherheit leiden und ihrem eigenen
Gechmacksempfinden nicht über den Weg trauen. Wie oft hört man
Sätze von Redakteuren oder Musikproduzenten wie: "Mir persönlich
gefällt das ja, aber die Leute wollen was anderes sehen/ hören
usw." Bzw. umgekehrt: "Ich weiß zwar, was für eine Scheiße das ist,
aber genau das ist es was die Leute wollen!"
Wenn sie sich da nicht mal irren! Denn eigentlich sind es die
kleinen Überraschungserfolge, bzw. die unabhängigen Produktionen,
die ohne viel Werbeaufwand neben den Majors bestehen können, die
die Gewinner um die Gunst des Publikums sind. Oft sind diese
Filme/Musikstücke überraschend frisch und intelligent.
Könnte das nicht den Schluß bedeuten, daß der Zuschauer nach
interessanter und intelligenter Unterhaltung geradezu lechzt und
nicht ganz so dumm ist, wie die Medienmacher heutzutage im
allgemeinen annehmen? Vielleicht sollten sie (die Medienmacher)
auch nicht davon ausgehen, daß sie soviel klüger und brillianter
sind als ihre Zuschauer und versuchen wirklich hinter dem zu
stehen, was sie da eigentlich auf den Markt werfen.
Oder man setzt einfach andere Maßstäbe an, damit wir (die Masse)
in Zukunft von Schwachsinn verschont bleiben!
Als Zusatz wäre noch anzufügen, daß das Zeitalter der
Massenkultur wie wir sie kannten, eigentlich schon längst in den
letzten Zügen liegt. Die Neuen Medien erlauben zum Glück ein
individuelleres Auswählen und Filtern von dem was man sich so vor
die Sinne schraubt. Doch es wird wahrscheinlich noch ein wenig
dauern, bis die Medienmacher sich darauf einstellen und Konzepte
entwerfen, die sie vor dem Ausbleiben von Konsumenten schützt. (Ich
meine jetzt nicht irgendwelc he langweiligen und überflüßigen
Internetseiten irgendeiner Autovermietung oder so!). Die momentan
stattfindende Inflation von Bildern und Tönen kurbelt sich wie eine
Endlosspirale in ungeahnte Höhen und verdrängt sowieso die
Bedeutung des einzelnen Bildes. Vielleicht rettet uns das ja vor
dem tiefen Graben, der sich auftut zwischen Massenprodukten und dem
was die Masse wirklich will und den Einzelnen vor den Untiefen
eines enttäuschten Konsumentenherzens bewahrt.
Groni
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