Filmstart 17.10. war versprochen. Was haben wir uns alle
gefreut. Pamela Anderson, die heilige Johanna der plastischen
Chirurgie, wollte pünktlich zur einkehrenden Herbstlangeweile
wonnig auf uns niederprallen und uns mit segensreichen Gaben
großzügig eindecken in Form von einem abendfüllenden Farbfilm
namens "Barb Wire", einem wahren Meilenstein der medizinalen
Geschichte. Das pathologische Museum in Wien hatte bereits
Sondervorführungen angekündigt, um dem Ereignischarakter dieses
Filmes gerecht zu werden, denn wahrhaft Gigantisches war zu
erwarten: Detailgenaue Großaufnahmen, geöffnete Lippen,
nervenzerrüttendes Wimpernaufschlagen, Zellklumpengewabbel im
THX-Sound, all dies wurde auch spannend erwartet von den
traditionell kunstsinnigen Münchnern. So manchem aufgeschlossenem
Politologiestudenten ließ es schon das Wasser im Munde gerinnen,
der Ford Escort-Club war schon seit Wochen tagungsunfähig, in den
Bundeswehrkasernen erigierte sich die Vorfreude in nie gekannte
Rekordhöhen hinein. Der FC Bayern geriet im Vor feld in eine neue
Krise aufgrund eines Kinoverbots durch Präsident Beckenbauer, der
um die Kondition seiner Spieler bangte ("Freunde, da geht’s ihr mir
nicht hin!"), worauf Assistenztrainer Augenthaler sich von dem
Verein verabschiedete. Jürgen Klinsmann geriet in ein neuerliches
undurchschaubares Formtief, Christian Ziege und Mehmet Scholl
wurden aus noch ungeklärten Gründen von Freundin bzw. Frau
verlassen. Der bayrische Ministerpräsident Edmund, genannt "Bay
Watch", Stoiber sag te alle Termine zur Startwoche ab, und erhielt
zur Strafe von seiner Gattin (Beim Sex nennt er sie Pamela!)
nurmehr Schinkennudeln als Abendessen.
Doch Fassungslosigkeit war das Resultat, als sich herausstellte:
Der Starttermin wird verschoben. Ausgerechnet bei uns! In
der Filmstadt! In MÜNCHEN!
Blicken wir doch einmal zurück: Sybille Rauch, Ingrid Steeger,
Margot Mahler u.v.a., die unterschiedlichsten Größen konnten schon
bestaunt werden in der bayrischen Landeshauptstadt, viele erotische
Meister haben im hiesigen Filmbusineß ihr berufliches Handwerkszeug
gelernt, von Uschi Glas über Uschi Buchfellner und Uschi Obermeier
bis hin zu Konstantin "Uschi" Wecker. War es die Angst vor der
Überfrachtung des kulturellen Lebens, die keinerlei Raum mehr
lassen könnte für kleiner geratene Events, oder vor den Protesten
der immer noch mächtigen kirchlichen Gruppen oder vor dem
sagenhaften Fischgeruch, den die Sogwirkung Pamelas in den
Kinosälen hinterlassen könnte? Warum haben die Kinobetreiber
zurückgeschreckt vor einer der ganz, ganz Großen am amerikanischen
Filmhimmel?
Doch, Gott sei Dank, ein paar wackere Individualisten der
Münchner Kinoszene haben sich zusammengetan, das Werk den Münchnern
zugänglich zu machen. Das schmucke "Stachus-Kino-Center", das
engagierte "Marmorhaus" und der gepflegte, charmante
"Mathäser-Palast" retten ab Donnerstag, den 24.10. wieder einmal
Münchens Ruf als Kulturmetropole; und das ist gut so: Ein Ort aus
dem ein Frank Wedekind, ein Oskar Maria Graf, ein Patrick Süskind
oder ein Florian Stieglbauer hervorgegange n sind, darf nicht
einfach die Augen verschließen vor den dicken Plastktitten einer
Pamela Anderson.
Richard Oehmann
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