Nun sind wir mittendrin, im Advent, der Zeit des Lärmes und
der Wirrnis, grauses Vorweihnachten, die wehe Phase des geistfernen
Shoppertums und der ziellosen Rumdekorierei. Und obwohl viele
sich wacker vorgenommen haben, das leidige Phänomen Weihnachten
mit all seinen üblen Wurmfortsätzen auf das Sturste zu ignorieren,
werden sie dennoch genötigt durch die dunklen Machenschaften
des Schicksals, dem praktizierten Christentum ins triefende
Auge zu blicken, wenn sie zum Beispiel den Marienplatz überqueren
wollen und dabei einer Sauerei von einem Weihnachtsmarkt gegenüberstehen.
Übelriechende oder penetrant glitzernde religiöse Praktiken
unterliegen hierzulande ja nach wie vor noch nicht den entsprechend
ausreichenden Verboten. Die erweiterten Ladenöffnungszeiten,
- verflucht der Schoß, der sie gebar - haben in diesem Jahr
die Lage in unserer Innenstadt noch zusätzlich verschlimmert,
so daß die Trubel-Vermeidung für den edelmütigen Weihnachtsgegner
drastisch erschwert wurde.
Abhilfe schaffen da die zahlreichen Filmtheater, in die man
sich retten kann, bis die Geschäfte wieder zu sind.
In guten Kinos hängen keine Weihnachtssterne, ist
keine Weihnachtsmusik zu hören, gibt es auch keine Feiertagsextras
zu kaufen, zu deutsch, es herrschen menschenwürdigere Umstände
als draußen in der bunten und dennoch grauenhaften Einkaufswelt.
Der kriegerische Radau der shoppenden Horden in den Straßen
macht den friedlichen Kulturgenuß im warmen, heimeligen Kino
zu einem meditativen Prozeß, der den Menschen erhebt über
so krummbeinige Existenzen, wie die Ameise, den Seeigel oder
den Imobilienmakler. Der maßlose Einkäufer in seiner sabbernden
Freude am Rumschenken ist und bleibt der bucklige Knecht und
Kettensklave der jeweiligen Saison, ihn wollen wir im Kino
gar nicht haben, wär er doch eh nur erblindet durch all den
Feiertagsglitzer, der Verblendete. Soll er nur sehen, wie
er das mit seinem Seelenhaushalt vereinbart, wenn am heiligen
Abend der Magen gefüllt ist, das Hirn aber immer nochunwiederbringlich
leer ist.
Laßet uns also eilen, Brüder und Schwestern, in möglichst
kaufhausferne Stätten der Kunst, z.B. ins 'Isabella' oder
ins 'Neue Arena', um dort tunlichst lange zu verweilen, bis
die Dreikönigsglocken künden vom Ende der gottgewollten Feierei.
Ab Februar kann man sich ja dann vielleicht schon wieder den
einen oder anderen Weihnachtsfilm ansehen.
Richard Oehmann
|