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Deutsche Großproduktionen erinnern immer häufiger an die
italienische Oberliga der Achtziger, nein, noch besser, an
den FC Bayern. Der kauft vor der Saison alle verfügbaren Spitzenspieler
ein, egal ob er sie alle braucht oder nicht. Folglich muß
so mancher glänzende Stürmer auf der Reservebank hocken und
mancher hervorragende Verteidiger wird ständig zu früh ausgewechselt.
Auf dem Feld will dann ein Star dem anderen die Show stehlen,
der Teamgeist leidet erheblich. Eins und Eins ist gar nicht
immer Zwei.
Diese Problematik scheint für Produzent Franz... äh... Bernd
Eichinger nicht sichtbar. "Rossini" ist , wie vorher schon
"das Superweib" und "Der bewegte Mann", vollgestopft mit einem
Dutzend Fressen aus jüngeren und älteren Filmerfolgen, als
da wären: Adorf, George, Lauterbach, Landgrebe, Kr¢l, Milberg,
Ferres, Liefers, .. Die meisten dieser vermeintlichen Besetzungscoups
hätte sich der FC...pardon... Constantin-Filmverleih nicht
nur sparen können, wie die Bayern den Klinsmann, sondern er
vermiest sich außerdem den Spielfluß durch deren Präsenz;
das lenkt ab vom Ballgeschehen und Torestand.
Denn trotz allem Star-Getöse handelt sich es ja immer noch
um einen Film von Helmut Dietl, der ja auch deswegen bekannt
wurde, weil er sowohl renommierten internationalen als auch
nur regional bekannten Schauspielern zu denkwürdigen Rollen
verhalf. Nie in seinem Leben war Wolfgang Fierek annähernd
so gut, wie als "Tierpark-Toni" ("Des is er, der Monaco, die
Drecksau!"), wann war Ruth-Maria Kubitschek je wieder erträglich
seit ihrem Spatzl ("Franz, ich möchte jetzt gehen"; "Ich nicht,
Spatzl!") oder ihrer "Frau von Unruh" ("Auf der Ebene habt
ihr ein für alle mal ausgeschissen, Freunde."), bei den "Guldenburgs"
vielleicht? Pah! Die Steeger Ingrid hat ihren vielleicht einzigen
schönen Satz schon vor über zwanzig Jahren in "Münchner G'schichen"
gesprochen: "Geht's vielleicht auch'n bißchen später?" Was
sie seitdem geleistet hat? Ich weiß es nicht, aber den Satz
hab ich mir gemerkt.
So mancher Schauspieler, der von der Branche in die urige
Bayern-Ecke gestellt wurde, durfte beim Dietl sein verstecktes
Genie beweisen: So zum Beispiel Walter, die alte Sedlmayerin.
("Kleine Mäderln - Mein G'schmack wär's nicht.") Unvergeßlich
auch Erni Singerl beim Herzinfarkt ("Mein Bubi is im Fernsehen"),
Gisela Schneeberger als liebevolle Zecke ("Mei, a Seife!"),
Karl Obermayer- preiset seinen Namen! - als altbayrischer
Sancho-Pansa ("Des is doch a g'mahte Wiesn, Franze!") oder
als Gastwirt in der Sinnkrise ("Und nachad sperrma auf und
nachad sperrma wieder zua"), Frithjof Vierock ("A Hund is
a scho."), Gustl Bayrhammer ("Windigs Zigarettenbürscherl")
und natürlich Helmut Fischer ("A bissl was geht immer"). Die
Fernsehserien "Monaco-Franze", "Münchner G'schichten", "Der
ganz normale Wahnsinn" und "Kir Royal" werden bei Diskussionen,
ob der Deutsche jetzt einen Humor hat oder nicht, gern vergessen
und haben dennoch den süddeutschen Zitatenschatz in den letzten
zwanzig Jahren wesentlich mehr angereichert als jeder Faßbinder,
Kroetz, Achternbusch oder alle mitnander; nur der Polt und
der Beckenbauer können da mithalten. Fraglos findet sich auch
in "Rossini" allerhand Merkenswertes, wie ja auch bei "Schtonk"
("...und Fritze Hitler hat er ja wohl nicht geheißen"), zudem
entbehrt es nicht eines gewißen Charmes, wenn "Bunte"-Titelseiten-Füller
wie die Ferres oder der Lauterbach ständig brachial-obszönes
Zeug daherreden; wenn Frau Landgrebe das Wort "Zipfelspielchen"
ausspricht oder ständig vom "Scheißen" spricht, dann ist das
schon ein fieser Magenschwinger für die Freunde des Autorenfilms.
Aber diese "großen" Namen sind zu sehr belastet mit Erwartungen,
man sieht nicht die Person, die sie verkörpern, man sieht
ihnen nur bei der Arbeit zu. Alle, mit Ausnahme, nuntja, der
Ferres, sind exzellent, aber sie klagen durch ihren Bekanntheitsgrad
ein gewißes Maß an Starinszenieruing ein; und so müssen wir
uns, wenn es grade mal ruhig werden könnte im szenischen Getümmel,
statt einen Blick hinter die Fassade der Film-Figur Ubu Zigeuner
zu ergattern - vor allem deswegen interessant, da er das alter
ego von Regisseur Dietl sein soll, den nackten Arsch von Götz
George anschauen. Das stört.
Vor allem weil den gewiß nicht so viele Leute unbedingt sehen
wollen, wie Produzenten glauben. Außerdem nuschelt der Götz
immer so. Und wer zum Henker kauft denn wirklich wegen Heiner
Lauterbach oder Gudrun Landgrebe eine Eintrittskarte?
Das Filmwerk "Rossini" leidet also darunter, kann aber trotzdem
nicht wirklich verdorben werden. Denn beim ahnungslosen Betrachten
all dieser schön beleuchteten, vertrauten Fernsehgesichter
- vielleicht ist das gerade der Trick dabei - merkt der Zuschauer
langsam, was das da eigentlich für eine hundsgemeine Welt
ist, die uns mit Leichtigkeit und Brillianz vorgesetzt wird.
Und eh man's richtig bemerkt, stehen der Dietl und der Süskind
schon hinter einem mit dem Hackl in der Hand und zerstückeln
unseren TV-Horizont; denn in unserer Vorfreude haben wir uns
ja doch eher an der Erinnerung an heimelige, bayerische Serien
orientiert, nicht jedoch an der Wucht des Cinemascop-Formats.
Denn Dietl's Kino ist nicht mehr freundlich-melancholisch
wie der "Monaco-Franze" oder die "Münchner G'schichten", auch
nicht höhnisch wie "Schtonk", wo ja an sich alle Figuren nur
Deppen sind, auch nicht hinterfotzig wie "Kir Royal", sondern
tieftraurig. Denn nun, da Dietl seinem persönlichen Alltag
so nah, wie für einen Komödienmacher nur denkbar, gekommen
ist, scheint jede der kleinen "Rossini"-Geschichten zu sagen:
Diese armseligen Tröpfe, diese kindischen Onanisten, diese
verklemmten Heulsusen, diese widerwärtigen Angeber, das sind
wir ja alle selber.
Und anschließend, nach diesem kunstvollen unumwundenen Armutszeugnis
gibt's dann eine Premierenfeier, auf der auch Ottfried Fischer
erscheint, die AZ berichtet, der Dietl gibt Interviews, die
Ferres wird aus unerfindlichen Gründen mehrfach als schöne
und tolle Frau bezeichnet, der Stern spendiert eine Titelseite,
und der Stoiber überreicht den bayerischen Filmpreis.
Eine komische Welt.
Richard Oehmann
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