Oscar-Diskussionen sind immer eine
prima Gelegenheit herumzustänkern: "Wieso kriegt DER denn
an Oscar?", "Wieso ham's denn DEN net aufg'stellt?" oder "Mei,
san die Amis blöd!"
Nachdem nun die diesjährigen Nominierungen verkündet wurden,
möchten wir gleich mal dem durchaus gerechtfertigten Motzen
vorgreifen. Doch halt! Wo sollen wir da ansetzen? Der Evita-Schmarrn
und Indenpendence-Käs gehören nicht zu den Kandidaten, und
unter den nominierten "besten" Filmen ist diesmal einer dabei,
der zutiefst unoscarig, unoscaresk und unoscaroid ist, "Secrets
and Lies" nämlich. Ist es also nicht erfreulich, wenn Hollywood
sich mal mit netteren Sachen beschäftigt als mit Kräschbummbäng?
Keineswegs.
Der Regisseur Mike Leigh hat bisher sehr persönliche, kleine
Geschichten erzählt, er hat witzige, melancholische, manchmal
auch richtig fiese Filme gemacht und damit ohne große Zugeständnisse
an den Markt ein ansehnliches Publikum erreicht. Stellen wir
uns nun also kurz mal vor, er bekäme für "Secrets and Lies"
dieses Jahr einen Oscar. Dann würde Leigh für seine nächste
Produktion schätzungsweise viel mehr Geld zur Verfügung haben,
mit größeren Stars arbeiten und anstatt in England in Amerika
drehen.
"Furchtbar wird das alles werden."(Uhu Zigeuner)
Und statt kleiner, vorzüglicher würde er nurmehr mittelgroße,
mittelinteressante, mittelmäßige Filme machen.
"Das ist ja furchtbar!" (Schneewittchen)
Sicherlich ist das eine grob vereinfachende, vorschnelle,
unfaire, hundsgemeine Behauptung, aber: Weiß zum Beispiel
irgendeiner da draußen noch den Namen irgendeines der Filme,
die Hector Babenco, Oscarpreisträger für "Kuß der Spinnenfrau",
in letzter Zeit gemacht hat? Keiner, gell?
Also bitte kein Oscar für "Secrets and Lies", auch nicht
für "Fargo"- die Coen-Brüder gehören in die Obskurität, nicht
in die Film-Hitparade. Nein, die Jury soll einfach den neuen
Tom-Cruise-Film auszeichnen, den wie immer kein Mensch braucht,
dann weiß man hinterher noch, was man blöd finden muß.
Richard Oehmann
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