Rechmann: Na, Willmann, schon
gehört, daß die Augsburger Puppenkiste einen Kinofilm gemacht
hat?
Willmann: Nicht nur gehört, Rechmann, sondern sogar
schon gesehen!
Rechmann: Natürlich, - waren wir ja zusammen drin..
Willmann: Erinnern Sie mich nicht daran.
Rechmann: Und was bedeutet das jetzt für Sie, Willmann,
groß geworden im Lummerland?
Willmann: Ein weiteres Zeichen dafür, daß das Ende
naht; und für Sie, Rechmann?
Rechmann: Nun, zuerst einmal hab ich mich ja gefreut,
aber dann war da einfach keine Insel mit zwei Bergen...
Willmann: ...richtig, sondern New York...
Rechmann: ... und das auch noch als Realkulisse...
Willmann: ... und mit echten Schauspielern, die chargieren,
als nahte das Ende.
Rechmann: Und noch störender als die Mischung Puppen
und Schauspieler, sind die sonderbaren Computereffekte, die
so gar nicht zu den hölzernen, an sichtbaren Fäden hängenden
Marionetten passen wollen.
Willmann: Was soll man viel sagen, außer: echtes
Wasser statt wabernder Plastikfolie.
Rechmann: Ja, furchtbar; wie damals, bei meinem ersten
Urlaub am Meer, als ich enttäuscht das dreckige Naß betrachtete
und mich nach dem ‘echten’ Ozean aus der Puppenkiste sehnte.
Willmann: Ja, damals, ’68... .
Rechmann: Soll aber jetzt nicht so klingen, als ob
hier zwei alte Säcke über den Untergang des Abendlandes lamentieren...
Willmann: ...aber es wäre schon viel leichter zu akzeptieren,
daß man sich für diesen Film von der gewohnten Puppenkistenästhetik
entfernt, wenn wenigstens die Story funktionieren würde..
Rechmann: Ach ja, die Story - Lassen Sie uns kurz zusammenfassen:
In der Kanalisation unter New York leben - wer hätte das
gedacht - fröhliche Ratten. Aber im Hafenviertel wird die
Idylle gestört: der böse Spekulant Dollart will hier ein riesiges
Parkhaus errichten und versprüht deshalb extrastarkes Rattengift.
Der junge Außenseiter Monty Spinnerratz erweist sich als die
letzte Hoffnung der Ratten. Doch bevor es zum Happy End im
Central Park kommt, sind für Monty viele Abenteuer zu bestehen,
die ihn der schönen (?) Isabella Nobelratz näher bringen,
zum Kunsthandel mit einer menschlichen Galeristin führen,
mystische Muscheln an ihren mystischen Bestimmungsort zurückkehren
lassen, und vieles Weiteres mehr...
Willmann: ...was ja ganz nett, spannend und phantasievoll
klingt, im Film aber nur konfus und beliebig wirkt.
Rechmann: Genau! Der ganze Film weiß nicht so recht,
wo er hin will; mal sind 100.000 Dollar die angestrebte Lösung
der Ratten-Probleme, mal eine heilsame Wunderpflanze; mal
scheint die Gefahr vom Gift, mal vom steigenden Abwasser auszugehen,
etc.
Willmann: Und da der Film sich auch nicht so recht
entscheiden kann, was seine Moral sein soll, bekommen wir
gegen Ende 20 Minuten lang eine Predigt nach der anderen.
Rechmann: Aber es gibt natürlich auch positive Aspekte
zu vermerken. So werden sich z.B. alle Kids ganz besonders
freuen, daß in einer menschlichen Hauptrolle Lauren Hutton
zu sehen ist - wer im Alter von 6 liebt nicht AMERICAN GIGOLO
oder GATOR ...
Willmann: ... Ja, Rechmann, ich bin sicher, daß die
amerikanischen Kinder ganz begeistert sein werden von der
idyllischen Darstellung des New Yorker Hafenviertels und in
Zukunft zu hunderten ihren Zeltlagerurlaub in dieser romantischen
Umgebung verbringen wollen.
Rechmann: Bestimmt Willmann, bestimmt.
Willmann: Vielleicht wird der Film ja trotz unserer
Unkenrufe ein großer Erfolg, und dann dürfen wir uns auf die
Fortsetzung freuen...
Rechmann: ... in der hoffentlich das wundersame Verschwinden
von 150.000 Dollar in den Taschen des Rattenpräsidenten von
einem Untersuchungsausschuß aufgeklärt werden wird.
Christian Rechmann
und Thomas Willmann
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