Zu einer Zeit, da die Dinosaurier wieder auferstehen, das
dreidimensionale Raumerlebnis die Kinosäle erobert und die
Jahrtausendwende nur noch drei Jahre entfernt ist, formieren sich
überall auf der Welt kleine Grüppchen, um bewährte Traditionen vor
dem Fortschritt zu bewahren. Solche Konservative aus Leidenschaft
findet man bekanntlich vor allem in Bayern, sie hausen in
Bauernstuben, tragen Dirndl und pilgern nach Altötting. So auch
Vroni & Vroni, zwei Waisenkinderinnen herzigster Art, die uns
der Film „Rosen für Altötting" näherbringt. Zugegeben, ihre
künstlichen Glitter-Wimpern und Springerstiefel irritieren den
Bayernkundigen. Auch die tanzsüchtige fette Riesenbiene im Kornfeld
entspricht nicht gerade dem Bayernbild aus dem
Heimatkundeunterricht. Man ahnt es schon - die hier gemeinten
Brauchtumsretter sind Mitte Zwanzig, tragen schräge Klamotten,
nennen sich ABGEDREHT oder Banane und haben ein gemeinsames Ziel:
technischer Perfektion und publikumsgefälligem Einheitsbrei
entgegenzuwirken.
Als ideales Medium dafür haben sie den guten alten Super-8-Film
wiederentdeckt. Einfach zu handhaben, ermöglicht diese Kultkamera
einen unbefangenen Umgang und spontane Drehbedingungen, die
jedem der No-Budget-Produktionen auf symphatische Weise anzumerken
sind. Dementsprechend müssen auch die Rahmenbedingungen für
deren Präsentation nicht perfekt sein; die Münchner Super-8-Szene
zieht wie in guten alten Zeiten die Wohnzimmeratmosphäre der
großen Kinoleinwand vor und veranstaltet ihre Kurzfilmnächte
in Kulturwerkstätten oder Clubs, in Hamburg wird die Leinwand
für die Street Film Screenings des ANRRP (All Nizo Restricted
Revolution Pictures) einfach irgendwo in der Stadt aufgestellt
oder durch eine Hauswand an der Elbe ersetzt. Natürlich gibt
es dabei erfahrungsgemäß ziemlichen Trash zu sehen, von wirklich
witzig bis gewollt&langweilig. Viele der Filme sind halt
frei nach der Devise „War nix - macht nix" entstanden, so
daß im Endeffekt dann die Macher oft mehr Spaß beim Drehen
hatten, als das Publikum beim zuschauen. Man feiert sich selber.
Aber das ist durchaus vertretbar angesichts der Tatsache,
daß man zuvor selber zur Tat schreiten muß und unsere sogenannte
Spaßgesellschaft sich sonst nur passivisch konsumierend vergnügt.
Zudem kann jeder seine eigenen Filme mitbringen, wodurch sich
jedesmal ein herrlich buntes Programm ergibt.
Während die Hamburger Fraktion es allein in den letzten zwei
Jahren schon auf über zwanzig Events gebracht hat, ließ das
Revival der Münchner Szene einige Zeit auf sich warten. Die
Kümfel-Rollen-Karin, die einst einschlägige Abende
im Werkstattkino veranstaltete, wanderte als Petra Perle bekanntlich
endgültig ins Show-Business ab und auch Ralf Palandt, Organisator
der Comix-Film-Nächte in der Kulturstation, widmete
sich zwischenzeitlich wieder mehr dem Anfüllen von Sprechblasen.
Wie schön also, daß es noch unverbrauchte junge Idealisten
(hach!) wie Locke und Chris in München gibt, die uns - zusammen
mit Ralf und „Partyking" Banane - am Sonntagabend im Atomic
Café mal wieder eine WAHRE NACHT DER SUPER 8 bescheren
werden. Selbstmitgebrachte Filme werden unzensiert gezeigt,
im Anschluß spielt die Heavy-Listening-Band „The Squair".
(Neuturmstr. 5, 20 Uhr, 23.03.1997)
Nina
Stuhldreher
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