Was bisher geschah: Thomas Willmann machte drei Wochen
Urlaub in Los Angeles und recherchierte dabei exklusiv für
die Leser von artechock in der amerikanischen Kinoszene.
Im ersten Teil meines Berichts ist es ja bereits angeklungen: in
der Zeit kurz nach der Oscar-Verleihung herrscht in amerikanischen
Lichtspielhäusern eher Flaute, was den Start neuer Filme
angeht. Die größte neue Produktion, die ich zu sehen bekam war
THE SAINT, der nicht gerade für sich in Anspruch nehmen kann,
besonders beeindruckend zu sein - auch wenn es mir fern liegt, über
einen Film zu motzen, der Gelegenheit gibt, zwei Stunden lang
Elizabeth Shue anzuhimmeln. Doch auch wenn die Blockbuster noch
bis zum Sommer auf sich warten lassen, hatten die Preisklassen
unter $50 Mio. solide Kost zu bieten. Clint Eastwoods neue
Regiearbeit ABSOLUTE POWER gibt sich auf den ersten Blick eher
unspektakulär und zurückhaltend, ist aber deswegen nicht minder
schön und hinterhältig. Tsui Hark mußte, wie zuvor Hong-Kong
Kollegen John Woo und Ringo Lam, sein amerikanisches Debut DOUBLE
TEAM mit Jean-Claude Van Damme in der Hauptrolle besetzen (und dazu
auch noch Basketballspieler Dennis Rodman und - es gibt ihn
wirklich noch! - Mickey Rourke) - aber er hat sich dabei mehr als
respektabel aus der Affäre gezogen und einen von der Ästhetik her
erstaunlich unamerikanischen Film gezaubert. Dazu hat sicherlich
auch beigetragen, daß er große Teile des Teams, darunter auch
Kameramann Peter Pau, gleich aus Hong Kong mitgebracht hat. Eine
echte Entdeckung war für mich WAITING FOR GUFFMAN von Ex-SPINAL
TAP-Gitarrist Christopher Guest: eine umwerfend komische, als Doku
getarnte Komödie über den Versuch der Einwohner von Blaine,
Missouri, zum 150. Geburtstag ihrer Stadt ein Musical auf die Beine
zu stellen. Hoffentlich bald auch in deutschen Kinos zu
sehen. Ob PRIVATE PARTS den Weg in die "Bunsrebublik" (Helmut
Kohl) finden wird, ist fraglich. Der Spielfilm ist die höchst
amüsante Autobiographie des Radiomoderators Howard Stern, der sich
- wie die meisten Personen im Film - selbst spielt. Während in
Amerika schon mal ganze Straßenzüge gesperrt werden müssen, wenn
Stern Autogrammstunden gibt, ist der König des schlechten
Geschmacks dem deutschen Publikum hingegen bisher allenfalls durch
seinen Auftritt als FARTMAN bei den MTV Music Video Awards
unangenehm aufgefallen. Aber vielleicht bewegt der enorme Erfolg
des Films in den USA den Verleih ja doch, PRIVATE PARTS auch zu
exportieren - Spaß macht der Streifen auch als reine Komödie, und
ich habe auch schon die Meinung gehört, der Film wäre ohnehin um so
genießbarer, je weniger man mit den extremeren Entgleisungen Sterns
vertraut sei - die in der beschönigenden Biographie wohlweislich
unerwähnt bleiben.
Soviel zu den bereits gesehnen Filmen. Nun aber zu einem echten
artechock-exklusive: einer meiner Freunde aus L.A., Ryan, hatte
unlängst die Ehre, eine kleine Nebenrolle in einem Film spielen zu
dürfen. Ryan ist eigentlich Komponist und Klavierstudent, und als
solcher wurde er verpflichtet, in GATTACA den Pianisten Gregor zu
mimen. GATTACA (vormals THE EIGHTH DAY) ist das Kinodebut von
Andrew M. Niccol, mit Ethan Hawke, Ernest Borgnine, Alan Arkin und
Uma Thurman, ein SF-Epos um genmanipulierte Mutanten. Folglich hat
Ryan als Gregor auch zwölf Finger, mit denen er ein Schubert
Impromptu zum Besten gibt. In der Szene, in der er auftritt,
treffen sich Ethan und Uma eben bei einem Konzert von "Gregor", der
dann seine Handschuhe ins Publikum wirft, wo Uma einen von ihnen
auffängt. Ryan hat Ethan Hawke kennengelernt und meinte, er sei
ein "nice guy". Uma ist er nicht näher gekommen, meinte aber, sie
habe durchaus auch in Person eine faszinierende Ausstrahlung. (Um
Rückfragen vorzubeugen: Nein, Ryan weiß nicht, wie man an ihre
Telefonnummer kommt.) Allerdings hatten die Leute von der Crew
angeblich wenig Freundliches über Uma zu sagen, da sie wohl rechte
Primadonna-Allüren an den Tag legt. Und nun noch ein wenig
bekanntes Bruce Willis-Fact, direkt von einem seiner ehemaligen
Maskenbildner: zu seligen MOONLIGHTING Zeiten waren von Staffel zu
Staffel zunehmende Anteile von Willis' Haar lediglich aufgesprüht.
Bruce The Man benutzt Hair-in-a-Can - wer hätte das gedacht!
In Los Angeles ist der Unterschied zwischen wirklichem Leben und
Film bekanntlich oft nur schwer auszumachen, und diesem Ruf wurde
die Stadt jüngst auch wieder gerecht. Viele Jahre galt das
Silent Movie Theatre in der Fairfax Ave. als eine der wenigen
Attraktionen der Stadt für echte Cinéasten, hatte es sein Programm
doch ausschließlich alten Stummfilmen gewidmet. Nun ist L.A. um
diese Institution ärmer geworden: der Besitzer wurde ermordet;
offensichtlich von einem Geschäftspartner, der die
Lebensversicherung kassieren wollte. Und der rätselhafte Tod von
David Lynchs Stammschauspieler Jack "Eraserhead" Nance wird vom
LAPD nun auch als Mord untersucht. Anscheinend geriet Nance an
einem Imbißladen in einen Streit und wurde später von seinen
Kontrahenten in seine Wohnung verfolgt, wo er am nächsten Tag mit
Kopfverletzungen tot aufgefunden wurde. Es ist bisher nicht
geklärt, ob es in dem Streit darum ging, daß man mit dem Auto nicht
zu dicht auffahren soll.
Glücklicherweise gab es aber dann doch auch noch weniger
deprimierende Neuigkeiten: David Carradine erhielt einen verdienten
Stern im Walk of Fame verliehen.
Das wär's dann auch schon wieder von mir. Wenn's Euch gefallen
hat, und Ihr gerne öfter Neuigkeiten aus der großen weiten Welt in
artechock finden wollt, dann sind Reisekostenbeihilfen jederzeit
herzlich willkommen ;) . Oder schreibt einfach eine e-mail an die
Redaktion und verlangt die Einrichtung eines ständigen
Korrespondentenbüros in Los Angeles. Zur Übernahme des Jobs wäre
ich, selbstlos wie immer, gerne bereit.
Thomas
Willmann
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