|
Würden Sie in den Jurassic Park gehen ?
Nein, gemeint ist jetzt nicht der Film, in dem wir alle schon drin
waren, sondern ein echter, realexistierender Jurassic Park. Ein
Park, in dem genetisch zum Leben erweckte Dinosaurier zu besichtigen
sind ? Die Vorstellung, man könnte Saurier tatsächlich
wiederaufstehen lassen, ist faszinierend. Und egal was uns die
Wissenschaftler gerade dieser Tage an Fakten, Fakten, Fakten zur
Unmöglichkeit solcher Hirngespinste zu sagen haben: das würden wir
uns doch nur ungern entgehen lassen, ebenso wie die Weltraumreise
für eine gerade noch erschwingliche Dollarsumme, die wir seit “2001"
fest in unseren Terminkalender des kommenden Jahrtausend eingetragen
haben. Der Plot von “Jurassic Park" und nun “Lost World" hat etwas
Zauberhaftes - und diese Feststellung erklärt den Erfolg beider
Filme wie ihre Schwäche. Eine Voraussetzung derartiger Monster-Filme
(wie soll man sie eigentlich nennen, um Tierfilme handelt es sich
wohl kaum ?) ist Pseudo-Wissenschaftlichkeit. “Irgendwas wird schon
dran sein, vielleicht ist das ja doch möglich?" suggeriert Michael
Crichtons Buch. Trotz allem aber sind Spielbergs Monstersaurier die
realistischsten Filmmonster, die es je zu sehen gab. Technisch
großartig, beeindruckend und glaubwürdig stampfen sie über die
Leinwand. Und doch fehlt das Entscheidende.
Zufällig lief gerade erst, am 1.August, wieder einmal "King Kong
und die weiße Frau" von 1933 im Fernsehen. Wer diesen Film schon
einmal gesehen hat, weiß, was Spielbergs Sauriern fehlt. Nicht nur,
weil hier alle Stereotypen der monster-movies bereits vollendet
vorkommen, und Spielberg und alle anderen dem kaum etwas
hinzuzufügen vermögen. Nicht nur, weil dieser Klassiker, auch
visuell für Jahrzehnte unerreichte Maßstäbe setzte. Sondern vor
allem, weil die Geschichte des liebeskranken Riesenaffen soviel
differenzierter ist, als es noch so viele gewalttätigen
Riesenechsen je sein können. Beide Filme zeigen die andere Seite.
Aber weil King Kong menschliche Züge besitzt, ist es hier etwas von
uns selbst, daß gezeigt wird, und das die good guys stellvertretend
im Monster bekämpfen. Die Dinos dagegen haben allenfalls jene
“family values", die einst US-Vizepräsident Dan Quayle von
Hollywood einforderte. Schließlich verteidigen in “Lost World" die
erwachsenen T-Rexe ihre Kinder. Aber King Kong ist demgegenüber ein
wirklicher amerikanischer Held, ausgestattet mit all der
Melancholie, die die Kinohelden der 30er Jahre besitzen. King Kong,
der verzweifelt auf der Spitze des Empire State Building gegen die
Doppeldecker der US-Air-Force seinen letzten Kampf kämpft, ist
einer der unvergesslichen Momente der Filmgeschichte. King Kong ist
ein Monster voller Poesie und versteckter Erotik, eine animalische
Ausgabe von Dracula. Was er tut, tut er aus Liebe und mit manchmal
erstaunlicher Vernunft. Die Dinos sind dagegen primitive
Kampfmaschienen, Gestalt gewordene reine Gewalt, die von der der
Tornados und ausbrechenden Vulkane, die andere US-Blockbuster der
neueren Zeit bevölkern, nicht zu unterscheiden sind.
Und so werden wir in “Lost World", das in manchem wie schon
“Jurassic Park" wenig mehr ist, als ein Remake von Motiven aus
“King Kong", wieder viel Rennen und Schreien, viel Ooh und Aahs
erleben, herumwirbelnde Autos und die Teilzerstörung San Diegos,
bei der alle Freunde von Land und Natur ihre
Anti-Großstadt-Aggressionen ausleben können. Das kann Spaß machen,
und eventuell vorhandene Gelüste befriedigen. Wem das zuwenig ist,
der kann sich den Spaß noch vergrößern, indem man das beliebte
Ratespiel spielt, das bei allen Monster- und Katastrophenfilmen
funktioniert: am beliebtesten ist die Frage: wer wird sterben, wer
darf weiterleben. Im Gegensatz zum durch und durch ideologischen
“Independence Day" im vergangenen Jahr, wo diese Fragen nach
(konservativ-) politischen Kriterien beantwortet wurden, ist “Lost
World" simpler gestrickt: suchen wir nach den Unsympathischen, den
Dummen und Unaufmerksamen, suchen wir nach den völlig oder halbwegs
unbekannten Schauspielern in scheinbaren Hauptrollen, und wir
wissen die Antwort schnell.
Wer darüber hinaus aber nach Momenten fragt, wie sie im “Weißen
Hai" noch vorkamen, der Ahnung nämlich, was Kinomonster sein können
außer Anlaß für Spezialeffekte und Demo der Fähigkeiten von
“Industrial Lights and Magic", der sollte den Gang in die Videothek
nicht scheuen, und sich zum Vergleich “King Kong" ansehen.
Rüdiger
Suchsland
|