So, jetzt ist also alles gesagt zum Fantasy
Filmfest 1997. Fast. Denn obwohl ich mich meiner geschätzten
Vorrednerin (Vorschreiberin?) insgesamt gerne anschließe, kann ich
das letzte Wort selbstverständlich unmöglich für gesprochen halten,
solange ich nicht selbst auch noch zweimal genörgelt und einmal
gelobt habe.
Nörgeln zum Ersten: In den letzten Jahren haben sich die
Splatterfans solange über das Filmmuseum als Zweitkino beschwert -
weil man dort kein Popcorn fressen kann - bis Rainer Stefan dieses
Jahr nachgab und die Veranstaltung ins City legte. Wäre ja auch
noch in Ordnung gewesen, wenn es denn wirklich das City 1 gewesen
wäre. Leider aber mußte man feststellen, daß bis auf ganz wenige
Ausnahmen die Filme im Atelier gezeigt wurden. Und das ist ein
"Kino", daß dank winziger Leinwand, schlechtem Sound und vollkommen
seelenloser Atmosphäre auch noch den besten Film um zwei Klassen
schlechter wirken läßt. Jetzt darf man Popcorn fressen. Mir wäre
adäquate Präsentation der Filme wichtiger gewesen.
Nörgeln zum Zweiten (keine Angst, ich hab's gleich): Erstmals gab
es eine auffällig hohe Zahl an Synchronfassungen zu sehen.
Zugegeben, die meisten davon waren englischsprachige
Synchronfassungen, und die sind auf interessante Weise anders
schlecht als die deutschen. Schlecht sind sie aber eben auch, und
es gelingt ihnen ebenso mühelos, Rhythmus und Atmosphäre eines
Films im Orkus verschwinden zu lassen. Auch bei Filmen in Sprachen,
von denen man nicht ein Wort versteht, sind halt in 90% aller Fälle
Untertitel immer noch das geringere Übel.
Jetzt aber zum dicken Ende das dicke Lob: Daß so viele
Synchronfassungen zu sehen waren, hatte als Ursache, daß das
Fantasy Filmfest dieses Jahr weit mehr als früher sein Programm aus
nicht-englischsprachigen Ländern rekrutierte. Ein wahrer Segen,
wenn man betrachtet, wie anämisch und einfallslos inzwischen die
meiste Genrekost gerade aus den USA geworden ist. (Nicht zufällig
kam das Highlight KISSED aus Kanada und war kein echter
Genrefilm.) Die Europäer waren zwar auch weitgehend nicht gerade
auf der Höhe ihrer Kunst (vor allem die sonst so zuverlässigen
Franzosen enttäuschten mit der Nullnummer THOUSAND WONDERS OF THE
UNIVERSE und dem ultra-pubertären, ultra-hohlen DOBERMAN), und zur
Ehrenrettung mußte hier vor allem die Dario Argento Retrospektive
dienen, die noch einmal im (leider unvollständigen) Überblick
bewies, was aus dem Horrorgenre herauszuholen ist, wenn sich ihm
ein auteur mit Obsession, Intelligenz und Selbstreflexivität
widmet. Aber die wahren Höhepunkte kamen erneut aus Asien.
Während Hong Kong dabei weiter seinen Ruf verteidigen konnte, seit
einiger Zeit das kinetischste, frischeste und kraftvollste Kino zu
produzieren (hervorragend vor allem THE ODD ONE DIES), legte Japan
weiter kräftig zu und stellte, wie bereits letztes Jahr mit GONIN,
den mit Abstand besten Film des Festivals. Trotz aller
unbestreitbarer Qualitäten war dies jedoch nicht GONIN 2, der
seinem Vorgänger nicht ganz das Wasser reichen konnte, sondern
FUDOH: THE NEW GENERATION von Takashi Miike. Formal gewagt,
stilistisch berauschend, brutal bis zum Surrealismus, dann wieder
streng, still und poetisch; eine radikale Abrechnung mit der
japanischen Gesellschaft und durchgedrehte Reflektion über die
Genres des Gewaltfilms. Solange das Fantsay Filmfest bei uns das
einzige Forum bietet, wo solche Entdeckungen zu machen sind, sei
ihm alles andere verziehen und auch von meiner Seite die Vorfreude
aufs nächste Jahr bekräftigt.
Thomas
Willmann
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